Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 10. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg. Ich darf Sie alle herz lich begrüßen.
Dienstlich verhindert sind Herr Ministerpräsident Kretsch mann ab 12:30 Uhr, Herr Minister Bonde und Frau Staatsrä tin Erler ganztägig.
Kultus, Jugend und Sport zu dem Antrag der Fraktion der CDU und der Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Die Lehrerausbildung muss den Bedürfnissen des differenzierten Schulwesens ent sprechen – Drucksachen 15/61 (geänderte Fassung), 15/290
Wissenschaft, Forschung und Kunst zu dem Antrag der Fraktion der CDU und der Stellungnahme des Minis teriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Die hohe Qualität in der Lehrerausbildung ist der Schlüs sel für die erfolgreiche Förderung der Schülerinnen und Schüler – Drucksachen 15/62 (geänderte Fassung), 15/291
Ich darf zur Aktuellen Debatte noch einmal sagen, was Ihnen bereits bekannt ist: Festgelegt ist eine Gesamtredezeit für die Fraktionen von 40 Minuten, für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen jeweils fünf Minuten und weitere fünf Minu ten in der zweiten Runde. Die Redezeit einer Fraktion kann auch insgesamt in Anspruch genommen werden. Entsprechend der Geschäftsordnung soll in freier Rede gesprochen werden.
Die Aktuelle Debatte wurde von der FDP/DVP-Fraktion be antragt. Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Dr. Kern, bitte.
dungspolitik wurde deutlich, dass wir uns allzu schnell in Strukturdiskussionen verfangen und dabei die Qualität der Bil dung aus dem Auge verlieren. Dabei ist die Qualität der Schlüssel zu folgender bildungspolitischer Leitfrage: Wie kön nen wir den einzelnen Schüler mit all seinen Fähigkeiten und Neigungen, aber auch mit seinen Defiziten und Grenzen am besten fördern?
Die Qualität des Unterrichts hängt ganz wesentlich vom Leh rer ab. In der vergangenen Legislaturperiode hat die Landes regierung die Lehrerbildung in Baden-Württemberg deshalb neu geordnet und für die aktuellen Herausforderungen fit ge macht. Gut drei Jahre hat es gedauert, bis im Dialog mit allen an der Lehrerausbildung Beteiligten die neuen Lehramtsprü fungsordnungen erarbeitet waren, die Sie, Frau Ministerin Warminski-Leitheußer, als eine Ihrer ersten Amtshandlungen als neue Kultusministerin unterzeichnet haben.
Schon zuvor, im Jahr 2009, war die Gymnasiallehrerprüfungs ordnung novelliert worden. Neu eingerichtet wurden ein ei genständiger Studiengang für die Grundschullehrerausbil dung, ein eigener Studiengang für die angehenden Haupt-, Werkreal- und Realschullehrer und der erweiterte Studiengang Sonderpädagogik.
Einen besonderen Wert haben wir Liberalen vor allem darauf gelegt, dass die Studiengänge einen ausreichenden Zeitrah men umfassen, damit eine fundierte Ausbildung stattfinden kann. Bei all dem war uns Liberalen wichtig, den fachwissen schaftlichen Gehalt der Lehrerausbildung nicht zu schmälern und gleichzeitig den pädagogischen und vor allem den fach didaktischen und praktischen Anteil zu stärken. Denn nur, wenn ein Lehrer für sein Fach begeistert ist, wird der Funke auf die Schüler überspringen.
Gleichermaßen muss ein Bezug zu den Schülern und zur Ver mittlung des Fachlichen vorhanden sein. Das Schulpraxisse mester ist inzwischen integraler Bestandteil aller Lehramts studiengänge und wurde durch ein Orientierungspraktikum vor Beginn des Studiums ergänzt.
Warum erläutere ich dies am Anfang so ausführlich? Ich tue das, um Ihr Bewusstsein, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, dafür zu schärfen, welche Vorüberlegungen für die Lehrerausbildung schon bislang ange stellt wurden und wie viel Erfahrungswissen und Kompetenz der Fachleute in die Prüfungsordnungen eingeflossen sind. Da ist ein rundum gelungener Rahmen für eine fundierte Lehrer ausbildung entstanden, der zugleich umfangreiche Differen zierungs-, Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.
Meiner Fraktion und mir scheint es also nötig zu sein, dies noch einmal ausdrücklich hervorzuheben, da mich einige Äu ßerungen – insbesondere von Ihnen, Frau Ministerin Bauer – sehr besorgt gestimmt haben. Am 20. Mai, also fast zeitgleich mit der Unterzeichnung der Prüfungsordnungen durch Ihre Kollegin aus dem Kultusressort, äußerten Sie gegenüber der dpa – ich zitiere –:
Didaktische und diagnostische Fragen müssen auch in der Gymnasiallehrerausbildung eine größere Rolle spie len.
(Beifall der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Völlig richtig, Herr Kollege!)
Quasi im selben Atemzug sagten Sie mit Blick auf die Besol dung der Gymnasiallehrer – ich zitiere –:
Aus der Art der Hochschule, an der ein Studium absol viert wurde, ist keine bestimmte Besoldungshöhe abzulei ten.
Sehr verehrte Frau Ministerin Bauer, was soll man nun aus diesen Äußerungen schlussfolgern? Im besten Fall kann man vielleicht daraus schlussfolgern, dass Sie die Gymnasialleh rerprüfungsordnung, nach der bereits studiert wird, nicht zur Kenntnis genommen haben. Pädagogik, Fachdidaktik und Schulpraxis werden doch in der Gymnasiallehrerausbildung erheblich gestärkt. Die neue Prüfungsordnung sieht vor, dass die zukünftigen Gymnasiallehrer ihre Studienleistungen im Bereich Pädagogik auch an Pädagogischen Hochschulen ab solvieren können. Hierzu laufen sogar mehrere Kooperations projekte zwischen Universitäten und Pädagogischen Hoch schulen oder Seminaren.
Oder reicht Ihnen das nicht aus? Dann bitte ich aber heute um eine Erklärung, Frau Ministerin, welche Änderungen in den Prüfungsordnungen Ihrerseits konkret geplant sind.
Wir von der FDP/DVP sind im Übrigen nicht der Meinung, dass die Gymnasiallehrerausbildung weg von den Universi täten hin zu den PHs sollte. Wir haben nicht nur ein differen ziertes Schulwesen, sondern auch eine differenzierte und viel fältige Hochschullandschaft in Baden-Württemberg, in der je de Hochschulart ihre besonderen Profile und Stärken besitzt.
Die Pädagogischen Hochschulen haben ihren Schwerpunkt im Bereich der Pädagogik, die Universitäten haben ihn im Be reich der Fachwissenschaft. Die Stärken beider Hochschular ten gilt es für die Lehrerausbildung bestmöglich zu nutzen.
Bei der Ausbildung der angehenden Lehrer an den Grund-, Haupt-, Werkreal- und Realschulen sowie bei der Ausbildung der Sonderpädagogen liegt der Schwerpunkt entsprechend dem späteren Einsatz auf der Pädagogik. Hier haben die PHs langjährige Erfahrungen gesammelt und eine besondere Kom petenz entwickelt.
Dass aber ein Lehrer, der in der Oberstufe unterrichtet, den Schwerpunkt seiner Ausbildung im fachwissenschaftlichen Bereich haben sollte, finde ich umgekehrt ebenso selbstver ständlich; dies gilt übrigens für die Lehrer an beruflichen Gymnasien und Berufsoberschulen in gleicher Weise.
Leider fürchte ich, Frau Ministerin Bauer, dass es Ihnen um etwas anderes geht. Es ist doch erstaunlich, dass Sie aus schließlich die Gymnasiallehrerausbildung in den Blick neh men und schlechtreden. Dass Sie zugleich die Besoldung der Lehrer ansprechen und beteuern, es gehe nicht um eine An passung der Gehälter nach unten, ist doch sehr verräterisch. Würde es Ihnen darum gehen, die Grund-, Haupt-, Werkreal- und Realschullehrer besserzustellen, müssten Sie Vorschläge für eine bessere Besoldung oder für mehr Beförderungsmög lichkeiten dieser Lehrergruppen machen.
Dahinter steckt offensichtlich etwas Grundsätzliches. Das geht aus den Stellungnahmen zu den Anträgen der CDU hervor. Es ist Ihnen ein Dorn im Auge, dass nicht nur das Schulwesen in Baden-Württemberg differenziert und vielfältig ist, sondern auch die dementsprechende Lehrerausbildung.
Dies finde ich überaus beunruhigend. Wir Liberalen sind der Ansicht, dass ein vielfältiges und differenziertes Bildungswe sen für den Einzelnen die besten Förderungs- und Entwick lungsmöglichkeiten bietet und damit die besten Ergebnisse hervorbringt. Wer Qualität will, muss Differenzierung und Vielfalt zulassen. Das gilt sowohl für jeden einzelnen Schü ler als auch für jeden Lehrer und für das Bildungswesen ins gesamt.
Wir von der Fraktion der FDP/DVP fordern Sie, Frau Minis terin Bauer, deshalb auf: Lassen Sie um der Qualität willen Differenzierung und Vielfalt in der Lehrerbildung zu, und er kennen Sie, wie es die Frau Kultusministerin bereits getan hat, die in Kraft gesetzten Prüfungsordnungen an. Diese ständig wieder infrage zu stellen schafft ohne Not Unsicherheit bei den Betroffenen, nämlich bei den Lehramtsstudenten und den Hochschullehrern.
Verlässliche und praxistaugliche Rahmenbedingungen für das Bildungswesen zu schaffen, das ist die Politik den Bildungs nehmern und -einrichtungen schuldig. Nicht mehr sollten wir tun, aber auch nicht weniger.
Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Koalitionsvertrag von Grünen und SPD, die die neue Regierung bilden, steht:
Wir wollen die Lehrerausbildung auf die neue Lehr- und Lernkultur ausrichten und streben an, die schulartbezo gene Ausbildung zugunsten des Stufenlehramts zu über winden.
Eigentlich ist das eine klare Ansage, aber trotzdem wissen wir nicht genau, was die Regierung vorhat, und wir alle stochern ziemlich im Nebel.
Frau Ministerin Bauer hat sich ziemlich früh ziemlich weit aus der Deckung gewagt und sich in einer Weise geäußert, dass man sie eigentlich so verstehen konnte, als wolle sie die Ausbildung der Gymnasiallehrer von den Universitäten weg an die Pädagogischen Hochschulen verlagern. Frau Warmins ki-Leitheußer hat dem widersprochen, um sich dann aber in einer von Herrn Dr. Kern schon zitierten Pressemitteilung vom 9. Juni ähnlich zu äußern. Es ist also alles noch ziemlich un klar, und das hat für Irritationen im ganzen Land gesorgt. Denn, meine Damen und Herren, das wäre die Abschaffung des Gymnasiums durch die Hintertür.
Die Regierung hat zwar versprochen, dass sie die Gesamt schule nicht par ordre du mufti einrichten will, sondern nur dort, wo die Schulträger dies wünschen. Aber was wird dann aus unserem Gymnasium, wenn es keine Gymnasiallehrer mehr gibt? Das Gymnasium wird ausgetrocknet, es wird klammheimlich von der Bildfläche verschwinden.
In der gestrigen Regierungsbefragung haben Sie zwar eine Art Bestandsgarantie für das Gymnasium gegeben, aber die Fra ge ist schon: Von welcher Art Gymnasium sprechen wir ei gentlich? Ein „Aufsetzer“ von zwei bis drei Jahren ist jeden falls nicht das Gymnasium, das sich die CDU-Fraktion vor stellt und das wir für Baden-Württemberg für richtig halten.