In der gestrigen Regierungsbefragung haben Sie zwar eine Art Bestandsgarantie für das Gymnasium gegeben, aber die Fra ge ist schon: Von welcher Art Gymnasium sprechen wir ei gentlich? Ein „Aufsetzer“ von zwei bis drei Jahren ist jeden falls nicht das Gymnasium, das sich die CDU-Fraktion vor stellt und das wir für Baden-Württemberg für richtig halten.
Wenn es keine gut ausgebildeten, fachlich wirklich hoch qua lifizierten Lehrer mehr gibt, dann ist das nicht mehr das Gym nasium, das wir uns vorstellen. Das allein wäre schon schlimm genug für unser Land. Es wäre aber auch, meine Damen und Herren, eine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort BadenWürttemberg.
Denn wir brauchen Schulabgänger – da müssten wir uns ei gentlich alle einig sein –, die bereit und in der Lage sowie be fähigt sind, an den Universitäten Studienfächer zu wählen, die komplex und kompliziert sind, Schulabgänger, die bereit sind, sich Spezialwissen anzueignen und ihre Leistungskraft später in den Dienst von Wirtschaft und Gesellschaft zu stellen. Da zu brauchen wir Lehrer, die selbst die Luft an Universitäten geschnuppert haben, die selbst wissen, welche Ansprüche an den Universitäten – z. B. in den Fächern Mathematik, Physik oder auch Geschichte – gestellt werden, die die Breite und die Tiefe eines Faches ermessen können und junge Menschen da rauf vorbereiten.
Eines muss man auch betonen: Die Pädagogischen Hochschu len bestreiten überhaupt nicht, dass diese tief gehende Fach lichkeit nur an den Universitäten vermittelt werden kann. Sie haben ihre Kompetenzen und ihre Qualifikationen auf ganz anderem Gebiet.
Die CDU ist wirklich der Meinung, meine Damen und Her ren: Der Stufenlehrer, der Ihnen vorschwebt, schafft das nicht. Das ist eine Art Einheitslehrer. Er ist ausschließlich am Alter der Kinder orientiert. Jeder, der selbst ein bisschen Erfahrung
mit Kindern hat, weiß, dass das Alter ein sehr grobmaschiges Differenzierungsmerkmal ist. Es reicht ganz gewiss nicht aus, um das zu leisten, was auch Sie immer – zumindest als Lip penbekenntnis – fordern und was wir aus tiefster Überzeu gung fordern, nämlich die individuelle Förderung der Kinder. Das geht mit einem Einheitslehrer nicht.
Ich selbst fand sehr beeindruckend, was wir als Schulaus schuss in Frankreich gehört haben. Der Schulausschuss hat in der letzten Legislaturperiode eine Reise nach Marseille unter nommen.
Die Lehrer an einem Collège, das wir besuchten, an dem Schüler bis zum Alter von 14, 15 Jahren gemeinsam unter richtet werden, haben sehr eindrücklich gesagt: Ab dem Alter von zehn Jahren fächern sich die Begabungen und die Fähig keiten auf, da differenziert sich die Schülerschaft aus. Das be kommen Sie nicht mehr unter einen Hut.
Deshalb sind wir wirklich der Meinung: Man muss an der Gymnasiallehrerausbildung festhalten. Ich kann vor diesem Einheitslehrer in unserem Land nur warnen.
Meine Damen und Herren, das heißt nicht, dass nicht auch die CDU der Meinung ist, dass die Lehrerausbildung verbesse rungsfähig und -bedürftig ist.
Wir hatten die Prüfungsordnungen bereits verändert. Herr Dr. Kern hat es schon angesprochen. Als eine Ihrer ersten Amts handlungen, Frau Ministerin, haben Sie das übernommen. Das heißt, Sie fanden das gut.
Dass wir auch die Gymnasiallehrerausbildung schon stark ver ändert haben, ist ebenfalls angesprochen worden. Es ist kei ne Erfindung der neuen Regierung, wenn hier mehr Didaktik und Pädagogik, mehr Erziehungswissenschaft und Praxiser fahrung sowie mehr Kompetenz für die Diagnose und die Be ratung auch der Elternschaft gefordert werden. Die Frage ist doch nur: Wie kann das gelingen? Da sind wir wirklich ge spannt und erwarten Antworten von Ihnen.
Minister Frankenberg hat sich in der letzten Legislaturperio de schon ziemlich gut auf den Weg gemacht. Es gibt Modell projekte. Ich erinnere nur an die Kooperation der Pädagogi schen Hochschule Freiburg mit der Universität Konstanz.
Man fragt sich natürlich, warum diese Kooperation nicht mit der Universität Freiburg stattfindet. Da gibt es sogar eine Stadtbahnverbindung. Ich erinnere auch an die Kooperation der PH Ludwigsburg mit der Universität Stuttgart; die davon Betroffenen haben es wenigstens etwas näher. Aber an diesen Beispielen sehen Sie schon, dass es da noch hakt.
Ich kann Ihnen wirklich nur empfehlen: Hören Sie hin, hören Sie ins Land hinein, und sagen Sie uns, wie Sie zu einer bes seren Vernetzung dieser beiden Hochschularten kommen wol
Aber einfach die Gymnasiallehrerausbildung von den Univer sitäten wegzuverlagern und sie an den Pädagogischen Hoch schulen anzusiedeln, macht keinen Sinn. Da bleibt viel zu viel auf der Strecke: die individuelle Förderung, die Fachlichkeit, die Fachdidaktik und, meine Damen und Herren, neben dem Fördern auch das Fordern, das Fordern von Leistungen und das Weiterentwickeln von Begabungen.
Die CDU kann Sie also nur auffordern, sich zusammenzuset zen und konstruktiv miteinander zu arbeiten. Denn nur gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer machen einen guten Un terricht. Nur so geht gute Schule. Davon sind wir überzeugt.
(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: So viel Wertschätzung für den Präsidenten!)
Vielen Dank. – Die De batten muten doch sehr seltsam an. Ich habe mir den Antrag Drucksache 15/61 durchgelesen und auch die Überschrift zur Kenntnis genommen, in der von den „Bedürfnissen des diffe renzierten Schulwesens“ die Rede ist. Was haben Sie denn in der letzten Legislaturperiode gemacht? Wir haben die Novel lierung der Lehrerausbildung doch bereits vollzogen.
Sie haben sich bezüglich der Lehrerausbildung doch schon von dem dreigliedrigen Schulsystem verabschiedet.
Sie haben Hauptschul-, Werkrealschul- und Realschullehrer in eine gemeinsame Ausbildung gebracht. Das haben Sie ge macht.
Frau Kurtz, eine Kooperation der Universität Konstanz mit der PH Freiburg, die Sie angesprochen haben, gibt es bereits;
hier werden eben beide Dinge gemacht. Wir benötigen die ho he Fachlichkeit in der Lehrerausbildung, aber sehr wohl auch eine hohe Praxisorientierung, eine sehr große Nähe zu dem, worum es in diesem Beruf eigentlich geht. All das haben Sie doch auch schon eingeleitet. Sie haben in Ihrer Antragsbe gründung als letzten Satz geschrieben – deswegen wundert mich dieser Antrag –, dass es darum geht, die Lehrerausbil dung vor dem Hintergrund der veränderten Realitäten behut sam weiterzuentwickeln. Genau das werden wir machen – ge nau das!
Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen – Sie werden der zeit in der Bildungspolitik auch ein bisschen von der BundesCDU überrollt –:
Der Abschied von dem dreigliedrigen Schulsystem ist einge leitet, und die Letzten, die sich noch dagegen wehren, sind Sie hier in Baden-Württemberg und noch einige in Bayern.
Sonst will das niemand mehr. Herr Professor Baumert, der Ih nen bereits ein Gutachten vorgelegt hat, hat Ihnen in diesem Jahr zur Kenntnis gebracht, dass lediglich noch 3 % der El tern, die Kinder im vierten Grundschuljahr haben, sagen, sie stellten sich für ihre Kinder den Hauptschulabschluss vor. 3 %! Hier müssen Sie doch endlich einmal die Realität aner kennen und sich fragen: Was wollen die Eltern? Wie hat sich die Gesellschaft verändert?
Hier müssen Sie wirklich mit offenen Augen durch die Schu len gehen. In Gymnasien sind heute eben keine homogenen Gruppen mehr. Wir haben heute die Situation – das haben Sie selbst immer wieder betont –, dass jedes dritte Abitur an ei nem beruflichen Gymnasium abgelegt wird. Woher kommen die Schüler? Sie sind zuvor den Weg über die Werkrealschu le oder über die Realschule gegangen, und im Anschluss ma chen sie ihr Abitur am beruflichen Gymnasium.
Dann müssen Sie doch auch einmal als Realität anerkennen, dass es in der Sekundarstufe eine einheitliche Ausbildung ge ben soll. Warum soll diese Ausbildung schlechter sein, wenn jemand über den Bildungsweg der Realschule zum Abitur kommt? Das ist heute, wie gesagt, bei jedem dritten Abituri enten so.
Deswegen muss hier – wir werden dies auch machen – eine Anpassung an diese veränderte Realität erfolgen.