Protokoll der Sitzung vom 21.07.2011

Ich habe nicht damit gemeint, dass man vielleicht sagt – neh men wir einfach das Beispiel der Rheintalstrecke –: Na ja, da wird es vielleicht etwas teurer; das lassen wir dann durchlau fen. Da haben Sie mich falsch verstanden, Herr Kollege Po reski.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich verste he nicht ganz, was ich antworten soll. Ich werde es Herrn Kol legen Poreski ausrichten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das soll kein Streit werden!)

Das ist letztlich eine sachliche Richtigstellung gewesen.

Ich bedanke mich. Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldun gen vor.

Ich danke Ihnen.

Ich schließe damit Punkt 2 der Ta gesordnung.

(Beifall der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung – wir behandeln ihn noch vor der Mittagspause – auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Staatshaushaltsplan von Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2011 – Drucksache 15/300

Zur Begründung erteile ich dem Herrn Finanzminister das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein altes chinesisches Sprichwort besagt: Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.

(Unruhe)

Die neue Landesregierung hat in der Tat einen langen Weg vor sich, um den Schuldenberg, der in 57 Jahren CDU-Regie rungszeit hinterlassen wurde, abzubauen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Deshalb macht ihr jetzt mehr Schulden!)

Der Härtetest am 29. Juni hat es schonungslos zutage geför dert – auch wenn einige das nicht gern hören möchten –:

(Beifall der Abg. Claus Schmiedel SPD und Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE)

Wir erben Schulden, verlagerte Verpflichtungen und Eventu alverbindlichkeiten von insgesamt über 70 Milliarden €. Da zu kommen ungedeckte Pensionsverpflichtungen in Höhe von 68 Milliarden €. Wir haben einen Sanierungsstau bei Landes liegenschaften und Landesstraßen von zusammengerechnet über 3 Milliarden € übernommen. Beim digitalen Polizeifunk kommen weit über 100 Millionen € Mehrkosten auf uns zu und beim Hochwasserschutz insgesamt 450 Millionen €. Die Risiken aus dem EnBW-Deal lassen sich bis heute nicht seri ös beziffern. Eine erste Ahnung könnten wir durch die Halb jahreszahlen des Konzerns erhalten, die demnächst veröffent licht werden.

Zusammengefasst bedeutet das, vor uns liegt ein Langstre ckenlauf. Dort, wo bisher nur geredet wurde, wird nun ange packt. Wir handeln mutig, kraftvoll und entschlossen. Dieser Nachtragshaushalt ist der erste Schritt, um den Landeshaus halt insgesamt wieder auf den rechten Weg zu bringen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

Um es ganz deutlich zu sagen: Sie haben von Konsolidierung geredet, wir packen es an.

(Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Ein herzhaftes Lachen!)

Deshalb nutzen wir die Mehreinnahmen aus der Mai-Steuer schätzung und senken die Nettokreditaufnahme um 250 Mil lionen €. All jene, die jetzt in der Opposition ganz schnell und plötzlich die Nettonull fordern, sollten einmal in sich gehen, sich die Verschuldungslage des Landes insgesamt anschauen

(Abg. Tanja Gönner CDU: Eben!)

und sich bewusst machen, wer die Verantwortung dafür trägt. Es war die schwarz-gelbe Landesregierung, die auch in guten Zeiten Schulden angehäuft hat.

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Tanja Gönner CDU: Aber nicht bis 2020!)

Die schwarz-gelbe Landesregierung hat von der Substanz ge lebt und Rücklagen abgebaut. Es war die schwarz-gelbe Lan desregierung, die einen riesigen Sanierungsstau hinterlassen

hat. Wenn diese beiden Fraktionen jetzt in der Opposition plötzlich davon reden, sie wollten konsolidieren,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es war die SPD, die mehr Stellen gefordert hat! – Zuruf des Abg. Vol ker Schebesta CDU)

dann ist das keine seriöse Haushaltspolitik, sondern nichts an deres als ein leeres politisches Versprechen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Was haben wir denn im Haushalt 2008/2009 an Neu verschuldung stehen? Nullneuverschuldung!)

Vernünftige Politik in Baden-Württemberg sieht anders aus. Mit Augenmaß, seriös und solide werden wir vorangehen und nicht polemisch und polternd, so, wie Sie die Landtagsdebat ten gestalten. Deshalb machen wir uns mit dem Nachtrags haushalt an die Aufgaben, mit denen uns die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Auftrag am 27. März betraut haben. Wir stei gen mit voller Kraft ein. Dieser Nachtragshaushalt ist Aus druck des demokratischen Wechsels, der sich natürlich auch im Haushalt widerspiegelt. Wir haben ja schon über die Stel len geredet.

Aber der Nachtragshaushalt dient zunächst einmal dazu, Ver säumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten, die Sie uns hin terlassen haben. Zwangsläufige Mehrausgaben in Höhe von 150 Millionen € werden bis auf wenige Ausnahmen zurück geführt, ebenso Verpflichtungen, die Sie eigentlich hätten ver anschlagen müssen. Ich erinnere daran, dass Sie Ihre Bildungs offensive nicht im Versorgungsfonds des Landes abgebildet haben und dass Sie auch keine Vorsorge für die steigenden Zahlen von Asylbewerbern getroffen haben, eine Aufgabe, bei der die Kommunen eine Finanzierungsbeteiligung des Lan des erwarten.

Deshalb sage ich ganz deutlich: Dieser Block des Nachtrags haushalts verdient Ihre Zustimmung mindestens genauso, wie er unsere Zustimmung verdient.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Muhte rem Aras GRÜNE: Die kommt sicher auch!)

Es wäre natürlich ein Leichtes gewesen, zu sagen: Wir neh men die Steuermehreinnahmen und wollen gleich zu Beginn sozusagen als großer Sparfuchs auftreten. Aber wir gehen nicht den Weg des geringsten Widerstands in dieser Frage, sondern wir wollen den Haushalt nachhaltig konsolidieren. Das bedeutet, beides in den Blick zu nehmen: die offenen Schulden am Kreditmarkt und die verdeckten Schulden, die Sie uns insbesondere mit dem Sanierungsstau hinterlassen ha ben.

Nicht taktische Manöver, sondern der Sinn für das Ganze be stimmt die Finanzpolitik dieser Regierung. Das ist unser Ver ständnis davon, wie man in unserem Land seriöse Politik ge staltet. Was hilft uns eine öffentlichkeitswirksame Nettonull in diesem Haushaltsjahr, wenn über Jahrzehnte hinweg die nachfolgenden Generationen die Zeche zahlen müssen, weil zu wenig in die Vermögenssubstanz investiert wird, weil ein Sanierungsstau ins Unendliche wächst und weil die landesei genen Liegenschaften langsam, aber sicher vor die Hunde ge hen? Wer von der schwäbischen Hausfrau und ihrer Sparsam keit spricht, darf eines nicht vergessen: Gerade diese schwä

bische Hausfrau würde Haus und Hof eben nicht verkommen lassen, so, wie Sie es in den letzten Jahrzehnten getan haben.

(Abg. Peter Hauk CDU: Da gibt es nicht einmal Bei fall von der eigenen Fraktion!)

Wir legen 560 Millionen € in einer zweckgebundenen Sanie rungsrücklage an, um diesen Sanierungsstau abzubauen. Im Einzelnen werden wir den Antragsstau bei der Förderung der Krankenhäuser in kommunaler und privater Trägerschaft mit einem einmaligen Sonderprogramm außerhalb des kommuna len Finanzausgleichs abbauen. In gleicher Weise wollen wir ein einmaliges Sonderprogramm für Investitionsmaßnahmen bei den landeseigenen Zentren für Psychiatrie vorsehen. Auch wer den wir in einem ersten Schritt den gewaltigen Sanierungsstau von 2,6 Milliarden € bei den landeseigenen Gebäuden Stein für Stein abtragen, damit Projekte, die aufgrund fehlender Mittel bislang nicht zur Bauausführung freigegeben worden sind, mit einem kurzfristigen Mittelabfluss realisiert werden können.

Das bedeutet auch, dass wir uns in diesem Landeshaushalt entlang des Wählerauftrags dort verstärkt einbringen, wo die soziale, wirtschaftliche und ökologische Modernisierung des Landes auf dem Spiel steht. Deshalb werden wir punktuell in bestehenden Ministerien neue Stellen schaffen und auch in den neuen politischen Schwerpunktbereichen im Verkehrsmi nisterium und im Integrationsministerium den Wählerauftrag, den wir erhalten haben, umsetzen. Zukunftsaufgaben wie nachhaltige Mobilität und die zentrale gesellschaftliche Fra ge der Integration wollen wir endlich angehen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ganz zentral lösen wir auch ein wichtiges Wahlversprechen bezüglich der Steuerverwaltung ein. Denn ein planvoller, ge setzmäßiger und gerechter Steuervollzug setzt voraus, dass man ausreichend Personal hat. Das gilt übrigens auch für die konsequente Verfolgung von Steuerhinterziehung. In den ver gangenen Jahren wurde das Gegenteil getan. Sie haben über 2 000 Stellen in der Steuerverwaltung abgeschafft. Wir bau en 100 neue Stellen auf: 50 Anwärterstellen und 50 Stellen für diejenigen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Ich will Ihnen die Argumente hierfür noch einmal nennen. Sie haben sicher die verschiedenen Rechnungshofberichte zu die sem Thema gelesen. Allein im Bereich der Veranlagung wur de die Höhe der Einnahmeausfälle auf 360 Millionen € taxiert. Auch bei der Betriebsprüfung und bei der Steuerfahndung werden dem Land regelmäßig hohe Einnahmeverluste durch mangelnde Kontrolle bescheinigt. Jahr für Jahr gehen der öf fentlichen Hand in Deutschland Beträge in zweistelliger Mil liardenhöhe verloren,

(Widerspruch bei der CDU)

weil steuerpflichtige Einkünfte hinterzogen werden. BadenWürttemberg liegt – Stand heute; das ist das Erbe von Ihnen, von CDU und FDP/DVP – auf dem vorletzten Platz im Ver gleich aller Bundesländer hinsichtlich der Personalstärke in der Steuerverwaltung. Mit diesem Nachtragshaushalt wollen wir daher eine Trendwende einleiten und mehr Steuergerech tigkeit in Baden-Württemberg herstellen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen zu nächst Steuererhöhung?)

Schließlich finden Sie in diesem Nachtragshaushalt die ersten politischen Duftmarken der neuen Regierung. Mit Augenmaß werden die Maßnahmen formuliert, die unerlässlich sind, um bereits noch in diesem Jahr politische Neuerungen einzufüh ren, die wir als Landesregierung in der Koalition verabredet haben.

Das Erste ist die Aufstockung der Mittel für Krankheitsstell vertretungen. Denn jede Stunde, die ersatzlos ausfällt, ist ei ne Stunde Ausfall zu viel. Wir wollen die beste Bildung für die jungen Menschen in Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)