Protokoll der Sitzung vom 21.07.2011

Ich möchte noch jemanden zitieren, und zwar den ehemaligen Ministerpräsidenten Mappus, der am 20. Januar dieses Jahres zum Thema „Umgang mit Stuttgart 21“ gesagt hat:

Wenn die Politik darauf reagiert, früh einbezieht, modern kommuniziert und ständig informiert, kann sie dafür sor gen, dass eine solche Situation in Zukunft nicht mehr ent steht, Eskalation vermieden wird. Das habe ich gelernt im letzten halben Jahr. So etwas passiert mir nicht mehr im Leben.

Herr Mappus, Sie haben gesagt, Sie hätten verstanden. Viel leicht erklären Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen noch ein mal, wo es ein Problem bei diesem Thema gab.

(Beifall bei den Grünen)

Ich habe jetzt eine Liste von Nach fragen. Herr Kollege Hauk.

(Abg. Peter Hauk CDU: Hat sich erledigt!)

Hat sich erledigt. Dann kommt Frau Abg. Gönner.

Frau Krebs – Frau Ministerin im Staatsministerium Krebs, Verzeihung –, würden Sie zugeste hen, dass die Landesregierung zu einem frühen Zeitpunkt ein Controllingsystem eingerichtet hat und dass ein Controlling system dazu da ist, Kosten zu überprüfen?

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja!)

Wenn Sie das zugestehen, hätten Sie dann auch Verständnis dafür, dass man sich bei einem gemeinsam auf den Weg ge brachten Projekt – bei aller Schwierigkeit, die unterschiedli che Vertragspartner bei einem solchen Projekt haben –, bei dem kein Kündigungsrecht mehr besteht, nicht damit beschäf tigt, Akten aufzuarbeiten, um dem Projektpartner Knüppel zwischen die Beine zu werfen? Sind Sie mit uns der Auffas sung, dass es darum geht – das verstehen wir unter Projekt förderungspflicht –, den Weg gemeinsam zu gehen und das Projekt kritisch zu begleiten, und gestehen Sie zu, dass wir deswegen ein Controlling eingerichtet haben?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wie war noch gleich die Frage?)

Würden Sie zugestehen, dass das die Aufgabe ist, die eine Landesregierung hat, und dass ein Minister nicht ständig ver suchen sollte, alte, im Übrigen aber bekannte Sachverhalte als neue Tatsachen darzustellen, weil er damit vom Ergebnis und der Sachlichkeit der Schlichtung weg wieder zur Emotionali tät führen will, um das Ergebnis der Schlichtung vergessen zu machen?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Herr Präsident, das hatte den Umfang einer Kurzintervention! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Und jetzt noch die Fra ge!)

Sehr geehr te Frau Landtagsabgeordnete Gönner, ich gestehe Ihnen zu, dass ein Kostencontrolling Sinn macht. Ich habe nur leider in der Zeit, in der ich in der Landesregierung bin, bisher noch nicht feststellen können, dass dieses offenbar vorhandene Kos tencontrolling so durchgeführt wurde, dass der derzeitigen Landesregierung bekannt wird, welches im Moment der wah re Kostenstand von Stuttgart 21 ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Tanja Gönner CDU: So viel zum Thema „Umgang mit dem Personal“!)

Die nächste Fragestellerin ist Frau Abg. Razavi.

Frau Ministerin, die Projektgeg ner haben gerade erklärt, dass sie die Präsentation des Stress tests boykottieren werden. Meine Frage an Sie als Vertreterin des Teils der Landesregierung, der gegen das Projekt ist: Ste hen Sie weiter zur Schlichtung und zum Schlichtungsergeb nis?

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Natürlich!)

Selbstver ständlich stehen wir zur Schlichtung und zum Schlichtungs ergebnis, insbesondere zu den offenen Fragen, die auch die Schlichtung an die Gestalt des Projekts formuliert hat.

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Röhm.

Frau Ministerin im Staats ministerium, ich frage Sie: Glauben Sie, dass die Kollegen von der SPD-Fraktion, der FDP/DVP-Fraktion und der CDUFraktion in der 14. Legislaturperiode ihre Entscheidung für das Projekt Stuttgart 21 nach reiflicher und gewissenhafter Prüfung getroffen haben, oder glauben Sie, sie haben fahrläs sig gehandelt?

Ich glaube selbstverständlich nicht, dass jemand fahrlässig gehandelt hat. Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass jeder hier im Haus, der diesem Projekt zustimmt bzw. zugestimmt hat, das aus fester Überzeugung tut bzw. getan hat. Aus derselben fes ten Überzeugung bin ich und sind Mitglieder der Regierung und auch viele in meiner Partei der Meinung, dass dieses Pro jekt vermutlich nie wirklich funktionieren wird und die Kos ten aus dem Ruder laufen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt lassen Sie doch dem Ministerpräsidenten das letzte Wort!)

Letzte Nachfrage, Kollege Map pus.

Frau Ministerin, nachdem Sie mich korrekt zitiert haben und ich das im Übrigen genau so gesagt habe und weiterhin so sehe, könnten Sie im Zuge des sen bestätigen, dass die vormalige Landesregierung eine Bun desratsinitiative eingebracht hat, die in puncto Bürgerbeteili gung genau diese frühere Einbeziehung in die Projektphase initiieren soll?

Könnten Sie uns in diesem Zusammenhang auch erklären, wa rum nach meinen Informationen die aktuelle Landesregierung dieses Konzept so nicht weiterverfolgen will?

Könnten Sie, nachdem heute verschiedentlich Stilfragen an gesprochen wurden, uns im Zusammenhang mit Fragen der Bürgerbeteiligung und des wohlwollenden Umgangs mitein ander auch erklären, warum es der Landesregierung und ihrer Spitze bis zum heutigen Tag nicht möglich ist, sich von „Lügenpack“-Rufen, die im Zusammenhang mit Stuttgart 21 gefallen sind, zu distanzieren und dadurch auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese ganze Debatte entemotionalisiert wird?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Zunächst zum letzten Punkt: Der Ministerpräsident hat sich schon, be vor er Ministerpräsident wurde, und auch danach klar und deutlich von „Lügenpack“-Rufen distanziert.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Winfried Mack, Abg. Stefan Mappus und Abg. Peter Hauk: Nein, nein, nein!)

Doch. Das wurde mehrfach in der Presse zitiert. Auch ich persönlich kann Ihnen versichern, dass ich nichts davon hal te, in solchen Auseinandersetzungen mit dem Begriff „Lüge“ zu operieren. Ich habe vorhin gerade geschildert, dass ich da von ausgehe, dass jeder seine Position aus voller Überzeu gung vertritt – auf beiden Seiten.

Zum Thema „Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement“: Wir haben gesehen, dass es da eine Initiative gab. Wir haben sie in anderer Form aufgegriffen. Wir haben eine Staatsrätin mit dieser Aufgabe versehen, die sehr emsig dabei ist, neue Ver fahren aufzubauen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Zehnfach höhere Be soldung!)

Das ist eine ehrenamtliche Ministerin. Wir können gern über die Besoldungsfrage reden; das machen wir dann während der Haushaltsberatungen. Ich will hier jetzt nur darstellen, dass wir das Thema „Mehr Bürgerbeteiligung“ sehr ernst nehmen. Ich wollte mit der Wiedergabe Ihrer Äußerungen, mit dem Zi tat von Ihnen, Herr Mappus, darauf hinweisen, dass es auch der früheren Regierung bei diesem Projekt nicht gelungen ist, die Probleme, die es gab, zu beseitigen,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das lag aber nicht an uns!)

und darauf hinweisen, dass der schwierige Umgang mit die sem Thema wirklich kein Markenzeichen dieser Regierung ist. Mit diesem Thema haben schon viele Regierungen in Ba den-Württemberg ihre Mühe gehabt.

Frau Ministerin, erlauben Sie eine weitere Nachfrage des Kollegen Mappus?

Gern.

Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die Gesetzesinitiative auf Bundesebene – es handelt sich um Bundesgesetzgebung – mit dem Ziel von mehr Bür gerbeteiligung seitens der neuen Landesregierung zurückge zogen haben und das Ganze infolgedessen nicht gesetzlich im plementiert wird?

Nein, da ha ben Sie mich falsch verstanden. Ich kenne den aktuellen Stand dieser Initiative gerade nicht. Ich wollte nur darauf verwei sen, dass wir uns das Thema in anderer Form sehr zu Herzen genommen haben.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Vielen Dank!)

Frau Ministerin, gestatten Sie ei ne Frage des Herrn Kollegen Poreski? Bitte schön.

Frau Ministerin, wie beur teilen Sie Aussagen wie die des Kollegen Haußmann – wir ha ben sie aber auch von anderen gehört –, dass man bei einem Projektpartner, auf den man an anderer Stelle angewiesen ist, nicht so genau hinschauen dürfe, weil man von ihm abhängig sei?

(Unruhe bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das hat er nicht gesagt! – Abg. Tanja Gönner CDU: Unterstellung!)

Ist das aus der Perspektive der Landesregierung eine Partner schaft auf Augenhöhe, oder übernehmen Sie die Sichtweise der damaligen Regierung?

(Unruhe)

Sehr geehr ter Herr Poreski, ich habe vorhin angedeutet, was ich für ei ne sinnvolle Haltung der öffentlichen Hand gegenüber der Deutschen Bahn halte: Zusammenarbeiten, da es um wichti ge Angebote für unsere Bürgerinnen und Bürger geht, aber ein kritisches Auge auf die Entwicklungen und Projekte haben.

Frau Ministerin, erlauben Sie noch eine Kurzintervention des Herrn Abg. Haußmann? – Bitte.

Frau Ministerin, ich möchte eigentlich nur kurz auf den Beitrag des Herrn Pores ki reagieren, weil er mich falsch zitiert hat. Ich habe nicht ge sagt, dass man bei der Bahn die Dinge sozusagen durchlau fen lassen sollte. Mir ging es vielmehr darum, zu sagen: Wenn zwei Projektpartner Schwierigkeiten miteinander haben, wenn man bei einem Projekt nicht aufeinander zugeht, wie soll sich das dann bei anderen Projekten entsprechend verbessern? Das habe ich damit gemeint.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau! – Zustim mung der Abg. Tanja Gönner CDU)

Ich habe nicht damit gemeint, dass man vielleicht sagt – neh men wir einfach das Beispiel der Rheintalstrecke –: Na ja, da wird es vielleicht etwas teurer; das lassen wir dann durchlau fen. Da haben Sie mich falsch verstanden, Herr Kollege Po reski.