Protokoll der Sitzung vom 21.07.2011

Meine Damen und Herren, Grün-Rot hat ohne Not die Null verschuldung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. So haben Sie es jedenfalls vor. Erst hieß es 2019, jetzt heißt es 2020.

Lieber Herr Finanzminister, was haben Sie in der Vergangen heit gegen vermeintliche Schattenhaushalte polemisiert, die es nicht gab. Jetzt sind Sie derjenige, der selbst den Schatten haushalt Wahrheit werden lässt. Mit dieser ominösen Sanie rungsrücklage entziehen Sie dem Haushalt eine halbe Milli arde Euro. Damit verletzen Sie das Jährlichkeitsprinzip. Vor aussichtlich werden Sie auch noch einen Modus finden, wie Sie diese Rücklage am Haushaltsgesetzgeber vorbei verwen den können. Das ist der Stil der neuen Regierung, der Um gang mit dem Parlament. Das ist der neue Stil, den Sie ange kündigt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Sie sind angetreten, in der Regie rung einen neuen Politikstil für Baden-Württemberg – so ha ben Sie selbst es formuliert – einzuführen.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das merkt man!)

Dieser neue Stil zeigt bereits heute mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf sein wahres Gesicht. Damit sagen Sie den Bürgern dieses Landes nur eines: Nachhaltigkeit ist schön, aber nicht in dieser Legislaturperiode.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

Sie sagen den Bürgern: Sparen ist schön, aber nicht bei unse ren verdienten Parteigenossen.

(Zuruf: Genau!)

Sie sagen den Bürgern: Wir halten die Verfassung, die Geset ze grundsätzlich hoch, aber nur, soweit sie uns nicht behin dern.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Noch ist es nicht zu spät, Herr Ministerpräsident Kretsch mann, um den Finanzminister und die Verabschiedung dieses Haushaltsentwurfs zu stoppen. Der Vizepräsident des Rech nungshofs hat mit Blick auf den kommenden Nachtragshaus halt gesagt – ich zitiere –:

Der Haushalt 2012 wird die Weichen für die Finanzpoli tik der kommenden Jahre stellen. Für Landtag und Lan desregierung wird er zur Bewährungsprobe für eine nach haltige Haushaltspolitik.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Damit hat er recht!)

Der Konsolidierungspfad sollte nicht bis 2019, dem Jahr vor Inkrafttreten der bundesrechtlichen Schuldenbremse, gestreckt werden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Im Jahr 2020!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, meine Damen und Herren Minister und Staatssekretäre, Herr Ministerpräsident, sorgen Sie dafür, dass diese Mahnungen in Ihren eigenen Reihen nicht weiterhin auf taube Ohren stoßen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Es sind so wenige Ver treter der Regierung bei diesem Thema da! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ein Stück weit Ehr lichkeit!)

Helfen Sie mit, einen seriösen und für dieses Land gewinn bringenden Haushalt aufzustellen. Übernehmen Sie jetzt end lich Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger, für die kommenden Generationen. Machen Sie nicht nur Ankündi gungen. Dann unterstützen wir Sie dabei. Der erste Schritt da hin heißt: Nullneuverschuldung im Jahr 2011.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wo sind denn die gan zen Minister, die das Geld wollen?)

In der weiteren Aussprache ertei le ich Frau Abg. Aras für die Fraktion GRÜNE das Wort.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Über die Personalstellen haben wir in der letzten Plenarsitzung bereits ausführlich debattiert.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Das ist aber nicht Teil des Haushalts gewesen!)

Lassen Sie mich deshalb vorweg nur drei Punkte dazu anfüh ren: Auch meine Fraktion wird sich die Notwendigkeit jeder

einzelnen Stelle in den Beratungen des Finanzausschusses dar legen lassen.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Aha! – Abg. Volker Schebesta CDU: Da bin ich aber gespannt!)

Ja. – Allein mit der Tatsache, dass neue Stellen geschaffen wurden, den Generalverdacht der Unwirtschaftlichkeit zu be gründen, ist völlig daneben, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Es kommt darauf an!)

Erstens handelt es sich zu einem erheblichen Teil um Stellen, die in der Steuerverwaltung geschaffen wurden. Wir sind uns hoffentlich darin einig, dass die Inhaber dieser Stellen mehr Geld erbringen, als sie kosten. Es ist keineswegs so, Herr Rül ke, dass der Großteil der Einnahmen in den Länderfinanzaus gleich fließen würde. Jeder Betriebsprüfer bringt nach dem Finanzausgleich Mehreinnahmen von ca. 1 Million € pro Jahr. Vor der Einbeziehung des Finanzausgleichs sind es 1,25 Mil lionen €.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wenn Sie 45 000 Stellen schaffen, dann können wir zufrieden sein!)

Diese Stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen nicht zulasten der Steuerzahler, sondern zulasten der Steuerhinter zieher. Damit trägt diese Maßnahme zu mehr Steuergerech tigkeit bei.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt nicht! – Abg. Peter Hauk CDU: Sie misstrauen dem Bürger! – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Wir sind gegen Betrüger! – Un ruhe)

Ich erinnere nur an die Diskussion darüber, ob die „SteuerCD“ gekauft werden sollte oder nicht. Ich weiß schon, wovon ich rede.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE zur CDU: Im Ge gensatz zu Ihnen ist sie vom Fach! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Diesen Eindruck hat man nicht!)

Zweitens: Alle neu geschaffenen Stellen werden wieder ab gebaut; dafür sind k.w.-Vermerke im Nachtragshaushalt ein gefügt. Die Ausnahme bilden die Stellen in der Steuerverwal tung und die Funktionsstellen der neuen Ministerien.

Drittens: Beim Land sind über 205 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Wie viele davon sind Leh rer und Polizisten?)

Abgesehen von den Stellen in der Steuerverwaltung kommen noch 180 neue Stellen hinzu. Das ist gerade einmal ein Pro mille, es ist ein Tausendstel des bisherigen Personalbestands.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Unruhe bei der CDU)

Hier von einer Aufblähung der Verwaltung zu sprechen ist völ lig fehl am Platz.

(Beifall bei den Grünen)

Diese neu geschaffenen Stellen werden den Landeshaushalt we der ruinieren, noch werden sie ihn sanieren. Dennoch – das sa ge ich noch einmal – werden wir uns um jede Stelle kümmern. Denn es geht in der Finanzpolitik um Sorgfalt im Einzelnen wie auch um Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit im Ganzen.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Um Gesetze!)

Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren, ist das Leitmotiv grüner Haushaltspolitik. Dieser Nachtragshaushalt, der erste Haushalt, den die neue Regierung vorlegt, ist in der Tat ein Schritt zu mehr Nachhaltigkeit, auf jeden Fall zu mehr Nach haltigkeit, als die CDU jemals hinbekommen hat.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe der Abg. Volker Schebesta und Peter Hauk CDU)

Zum Thema Nachhaltigkeit kann ich Ihnen, lieber Kollege Hauk, als Steuerberaterin nur einmal sagen: Die Bilanz hat immer zwei Seiten, Aktiva und Passiva. Wenn man nur die Schulden anschaut, das Vermögen aber verwahrlosen und he runterkommen lässt, dann haben wir uns de facto verschuldet und haben Substanz abgebaut. Damit nehmen wir den nächs ten Generationen Gestaltungsmöglichkeiten weg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das war sehr gut!)

Leider bildet unser veraltetes staatliches Rechnungswesen, die Kameralistik, die betriebswirtschaftliche Nachhaltigkeit völ lig unzulänglich ab. Die ökologische Nachhaltigkeit findet überhaupt keinen Niederschlag. Zukünftige Verpflichtungen oder unterlassene Investitionen berücksichtigt unser Rech nungswesen nicht. Ebenso wenig sieht es Veränderungen in der Vermögenssubstanz vor. Diese Bilanzpositionen sind aber für das Thema Nachhaltigkeit ganz wesentlich. Wer sich auf die Kameralistik verengt, lügt sich bei der Nachhaltigkeit in die eigene Tasche. Das haben wir nicht vor.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herr Vizepräsident Kunz hat kürzlich bei einer Pressekonfe renz des Rechnungshofs formuliert – ich zitiere aus einem Pressebericht –: