Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Was den Antrag Drucksache 15/5218-9 betrifft, können Sie sich gern unserem Antrag anschließen, der die gleiche The matik behandelt,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Weil Grün-Rot drüber steht? Dem CDU-Antrag darf man nicht zustimmen?)

aber umfassender ist.

(Abg. Volker Schebesta CDU: A wa!)

Wir, die SPD, treten für einen Paradigmenwechsel ein, dafür, dass wir nicht länger in Schularten denken, sondern in Ab schlüssen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Ja! Das ist es ja gerade!)

Denn nur mit dieser Perspektive und einem Bekenntnis zu in tegrativen Lern- und Lehrformen kann es gelingen, ein nach haltiges Angebot an Standorten weiterführender Schulen im Land zu erhalten.

Die dauerhafte Verteilung von Schülerinnen und Schülern auf mehrere Standorte betrachten wir aus wirtschaftlichen und pä dagogischen Gründen für nicht nachhaltig, schon gar nicht, wenn eine vorzeitige Trennung nach Abschlussarten erfolgt.

Bewusst nicht ausgeschlossen sind Übergangsszenarien, bei spielsweise bei der Fusion von zwei oder mehreren Standor ten. Ebenfalls begrüßen wir zeitlich befristete Verbundlösun gen von Realschulen und Gemeinschaftsschulen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, an dem im Ent wurf vorliegenden Gesetz sehen Sie,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

wie verlässliche Bildungspolitik geht. Deshalb ist es gut, dass wir diesen Entwicklungsprozess steuern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das sehen wir vor Ort!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Sie alle wissen, wie schwer es mir in der Regel fällt, die grün-rote Bildungspolitik zu kritisieren.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Aber wenn Sie hier heute behaupten, Sie hätten ein Herz für die Schulen im ländlichen Raum, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün-Rot, ist das in etwa genauso glaubwürdig wie Bischof Tebartz-van Elst auf dem Jakobusweg.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP und der CDU)

Die Bevölkerung fällt auch nicht auf Ihr Werfen von Nebel kerzen herein. Laut der neuesten SWR-Umfrage sind 60 % der Baden-Württemberger mit Ihrer Bildungspolitik unzufrie den.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört, hört! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Wir Liberalen haben lange hin und her überlegt, was wir mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur regionalen Schulentwicklung machen sollen. Schließlich halten wir grundsätzlich eine regionale Schulentwicklung für unabding bar und hätten daher die Landesregierung gern leidenschaft lich bei ihrem Anliegen unterstützt, wenn das Gesetz auch nur ein kleines bisschen Entscheidungsfreiheit an die für das Schulleben Verantwortlichen abgegeben hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: So ist es! Bravo!)

Aber je länger wir suchten und überlegten, ob man mit dem einen oder anderen Änderungsantrag vielleicht noch etwas retten könnte, desto klarer wurde uns, dass der grün-rote Ge setzentwurf ein vollständig irreparables bürokratisches Mons trum ist, frei von jedem Mehrwert für die lokale Bildungsver antwortung, dafür aber voll fadenscheiniger Bürgerbeteili gungsrhetorik.

(Abg. Klaus Käppeler SPD: So ein Quatsch!)

Sie von Grün-Rot streuen den Menschen in Baden-Württem berg Sand in die Augen; das haben wir heute wieder ein drucksvoll vorgeführt bekommen. Denn in Wirklichkeit wird das von Ihnen im Entwurf vorgelegte Gesetz nur das Schul

sterben beschleunigen und die Gemeinschaftsschule weiter privilegieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Jawohl!)

Kurz: Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurf um ein Meis terstück grün-roten Pharisäertums. Denn Sie behaupten zwar, ein breites Bildungsangebot schaffen zu wollen, aber in Wirk lichkeit wollen Sie Ihrem alten Traum von der einen Schule für alle mit allen Mitteln zum Durchbruch verhelfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau so ist es!)

Herr Kultusminister, die regionale Schulentwicklung hätte tat sächlich Ihr großes Meisterstück werden können. Nach mei ner Überzeugung hatten Sie mit Ihrem Gesetzentwurf die letz te große Chance, die unselige Bildungspolitik des überstürz ten Aktionismus der Anfangsmonate der grün-roten Regie rungszeit zu korrigieren und das Versprechen im Koalitions vertrag – Zitat – „Wir setzen auf die Innovationskraft der Schulentwicklung von unten“ tatsächlich zu verwirklichen.

Aber dazu fehlte dem Kultusminister sowohl die politische Kraft als auch der Mut. Denn es hätte für den Kultusminister bedeutet, sich nicht nur mit den Grünen anzulegen, welche die Gemeinschaftsschule als die Erfüllung zahlreicher Heilsver sprechen sehen und predigen, sondern sich auch mit denjeni gen Sozialdemokraten anzulegen, denen es immer noch nicht dämmert, dass die grün-rote Gemeinschaftsschule wenig mit sozialem Aufstieg durch Bildung, aber viel mit sozialroman tischer Utopie zu tun hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So z. B. Zeller! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der Zeller ist aufgestiegen!)

Und es hätte bedeutet, dem grünen Ministerpräsidenten mit seinem überdimensionierten Sparziel von 11 600 zu streichen den Lehrerstellen die Stirn zu bieten. Denn solange dieses Sparziel gilt, muss die regionale Schulentwicklung als Schul schließungsbeschleunigungsprogramm wirken. Anders ist für Grün-Rot die sogenannte demografische Rendite gar nicht zu heben.

Meine Damen, meine Herren, was der erste Schritt eines so tiefen Eingriffs in unser baden-württembergisches Bildungs system hätte sein müssen, setzt Grün-Rot nun als Schlussstein ans Ende einer Serie von unheilvollen Maßnahmen, die mit der überstürzten und unvorbereiteten Abschaffung der ver bindlichen Grundschulempfehlung begann. Wir erinnern uns: In der fünften Klasse der Realschule gab es früher 0,7 % Sit zenbleiber. Mittlerweile sind es fast 4 %. Das sind die ersten Opfer der grün-roten Bildungspolitik, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zuruf des Abg. Nikolaus Tschenk GRÜNE)

Sieht man sich die Stellungnahmen der Verbände und Institu tionen zum Gesetzentwurf an, stellt man fest, dass eine posi tive Grundeinstellung zu einer regionalen Schulentwicklung nahezu Konsens ist. Im Einzelnen werden aber so zahlreiche und fundamentale Kritikpunkte vorgebracht, dass sie in der Summe geradezu erdrückend für diese grün-rote Schulent wicklung sind. Allein die vielen und berechtigten Kritikpunk te der Hauptbetroffenen, nämlich der kommunalen Landes verbände, müssten dem Kultusminister und der Koalition schlaflose Nächte bereiten und sie dann zum Nachdenken so wie zur Umkehr veranlassen.

Aber nichts dergleichen geschieht. Stattdessen ist der Gesetz entwurf starr und unflexibel geblieben, wie es auch die kom munalen Landesverbände anmerken. Zusammenschlüsse von bestehenden Schulstandorten sind nur in Ausnahmefällen und nur zwischen einzelnen Klassen oder Jahrgangsstufen erlaubt, aber keine Verteilung einer Schule auf mehrere Standorte. Da bei sollte doch gerade dies von ortsspezifischen Besonderhei ten abhängig gemacht und am besten vor Ort entschieden wer den.

Höchst komplex ist auch das Verfahren, wie sich eine Bil dungsregion zusammensetzt bzw. wie sie gebildet wird. Al lein hierbei wird es viel Hin und Her geben. Denn immerhin kann hier eine Vorentscheidung für die Schließung eines Schulstandorts fallen. Die Schulverwaltung wird viel Bera tungstätigkeit zu übernehmen haben, den Kommunen dabei im Auftrag der Regierung die Gemeinschaftsschule predigen und hoffen, dass der Schwarze Peter für die bittere Entschei dung einer Schulschließung bei den Kommunen landet. Im Zweifel bleibt die letzte Entscheidung doch bei der Schulver waltung, und man kann sich die berechtigte Frage stellen: Wo zu das Ganze? Nur um den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen zu streuen und möglicherweise den Schwarzen Pe ter loszuwerden?

Einen Vorteil hat das Ganze natürlich für Grün-Rot: Es wird wieder viel Zeit ins Land gehen, sodass die Landesregierung freie Hand für eine weitere Tranche von Gemeinschaftsschu len hat, die, wenn die Informationen stimmen – vielleicht kann der Kultusminister darauf eingehen –, vorgezogen werden soll.

Wir Liberalen hätten uns eine regionale Schulentwicklung ge wünscht, die den Verantwortlichen vor Ort weitestgehende Entscheidungsfreiheit gelassen hätte, ihr Schulangebot selbst auszugestalten. Der Rahmen wäre durch ein Budget und de finierte Bildungsregionen gesetzt worden. Für die Bildungs regionen gibt es zahlreiche und im Übrigen auch sehr gelun gene Ansätze, wie beispielsweise in der Ortenau. Sie hätten es verdient, weiterentwickelt und mit Kompetenzen versehen zu werden.

Aber wenn es schon nicht das liberale Modell sein soll, hät ten Sie von Grün-Rot wenigstens all diejenigen großen bil dungspolitischen Handlungsfelder nicht ausklammern dürfen, die derzeit unserer gesamten Aufmerksamkeit bedürfen, näm lich die Ganztagsschulen und die Inklusion. Gerade dieser Umstand lässt das umfassende Versagen der grün-roten regi onalen Schulentwicklung augenfällig werden. Die Schulent wicklung hätte die Chance geboten, die einseitige grün-rote Fixierung auf die Gemeinschaftsschulen aufzugeben und zu einer ausgeglichenen Bildungspolitik zu gelangen. Stattdes

sen zementiert sie die einseitige Fixierung auf die Gemein schaftsschule.

Meine Damen, meine Herren, die FDP/DVP-Landtagsfrakti on muss den grün-roten Gesetzentwurf ablehnen, weil wir ei ne ausgewogene, eine freiheitliche Bildungspolitik für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wollen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Kultusminister Stoch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich vorwegschicken, dass es heute eine für das Land Baden-Württemberg sehr wichtige Beschlussfassung des Landtags zur regionalen Schulentwicklung geben wird – ein Thema, das für die Zukunft unseres Landes von erheblicher Bedeutung ist. Gestatten Sie mir diese Vorbemerkung.

Ich habe jedoch heute bei den Aktuellen Debatten und auch jetzt das bleibende Gefühl, dass es den Oppositionsfraktionen in keiner Weise um politische Alternativmodelle geht, sondern allein um Skandalisierung als Selbstzweck.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der Bür gerwille wird vernachlässigt!)