Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der Bür gerwille wird vernachlässigt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn es für Sie alleiniger Zweck von Politik ist, die Menschen in diesem Land zu verunsichern, obgleich Sie selbst über Jahre diese Probleme, mit denen wir jetzt zu kämpfen haben, nicht gelöst haben,

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

verunsichern Sie die Menschen und handeln unverantwortlich für die Zukunft dieses Landes.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Wenn Sie, Herr Kollege Wacker, hier stehen und behaupten, dass sich die Eckpunkte der regionalen Schulentwicklung in zwei Jahren nicht verändert hätten,

(Abg. Georg Wacker CDU: Das ist so!)

haben Sie wahrscheinlich seit zwei Jahren in geschlossenen Räumen bei heruntergelassenen Rollläden gesessen.

(Abg. Georg Wacker CDU: Stimmt nicht! – Unruhe)

Die Eckpunkte der regionalen Schulentwicklung wurden von uns fundamental an die Erfordernisse der kommunalen Ebe ne angepasst. Wir haben mit den kommunalen Landesverbän den einen hervorragenden Dialog gepflegt,

(Abg. Walter Heiler SPD: Herr Lehrer, ich weiß es!)

und die kommunalen Landesverbände sind einhellig der Auf fassung, dass diese regionale Schulentwicklung eine Chance

ist, um die Qualität der Schulen in der Fläche des Landes Ba den-Württemberg zu heben.

Im Gegensatz dazu haben Sie über Jahre hinweg keinen ein zigen Vorschlag gemacht, der vor allem die Problematik der demografischen Veränderung in dieser Gesellschaft in irgend einer Weise aufgreifen und die Situation positiv gestalten wür de.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Wacker?

Jetzt gestatte ich sie nicht, aber später schon. – Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich zu Beginn noch einmal darauf hin weisen, dass die regionale Schulentwicklung eine – und zwar die richtige – Antwort dieser Landesregierung auf ein Faktum in unserer Gesellschaft ist, das nicht wegdiskutiert werden kann, nämlich eine massive Veränderung aufgrund der demo grafischen Entwicklung. Die Landesregierung gibt mit dem Gesetzentwurf zur regionalen Schulentwicklung Antworten, die dringend erforderlich sind. Mit diesen Antworten steht die Landesregierung zu ihrer Verantwortung. Sie zieht aus der ver änderten Lebenswirklichkeit und den veränderten Situationen in der Schullandschaft in Baden-Württemberg die notwendi gen gesetzlichen Konsequenzen.

Mit der regionalen Schulentwicklung und den damit vorgese henen gesetzlichen Regelungen eröffnet die Landesregierung die Chance, dass gerade auch in ländlichen Gebieten eine leis tungsfähige Schullandschaft erhalten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich in Ihre Rei hen blicke,

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Spärliche Reihen!)

dann kann ich bei jedem Kollegen mindestens eine Schule in dessen jeweiligem Wahlkreis nennen, die bereits heute keine Überlebenschance mehr hätte, wenn sie in der Dreigliedrig keit der bisherigen Systematik, die Sie nach wie vor predigen, weiterdenken würde. Diese Schulen haben im ländlichen Raum nur dann eine Chance, wenn sie sich den Herausforde rungen in Bezug auf eine Anpassung in Richtung eines stär ker integrativen Schulsystems stellen. Begreifen Sie doch end lich, dass dies keine parteipolitische Frage, sondern eine Fra ge der Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das ist eine Frage der Ideolo gie!)

Wir wollen Zukunft gestalten, während Sie sich vor der Ge staltung der Zukunft jahrelang gedrückt haben. Die notwen digen Entscheidungen werden dabei im Einzelfall – das habe ich bei der Einbringung des Gesetzentwurfs bereits dargestellt – vor Ort, und zwar mit den kommunal Verantwortlichen, ge meinsam mit den Schulen, den Schulgemeinschaften, Eltern und Schülern, getroffen.

Das wird auch Unruhe, auch schwierige Diskussionen vor Ort auslösen. Glauben Sie jedoch, dass Sie mit Ihrer bisherigen Erklärung – Sie haben kein neues Konzept – irgendjemandem die Ängste nehmen können, wenn die Menschen sehen, dass mehrere Hundert Schulstandorte in Ihrer Systematik Schritt für Schritt von der Bildfläche verschwunden sind? Glauben Sie, dass sich die Menschen von Ihrem Konzept vertrösten lassen? Das glauben Sie doch nicht im Ernst.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich noch einmal verdeutlichen: Mit diesem Gesetzentwurf zur regionalen Schulentwicklung schaffen wir Planungssicherheit für die Schulträger, binden diese aktiv ein und wollen damit ein qualitativ hochwertiges und stabiles Schulsystem im Be reich der weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg schaffen.

Die Diskussion im Bildungsausschuss und auch einige der von der Opposition heute vorgelegten Änderungsanträge machen jedoch eines deutlich: Nicht jeder in diesem Hohen Haus hat verstanden, worum es bei der regionalen Schulentwicklung wirklich geht. Lassen Sie mich deshalb nochmals die drei we sentlichen Leitlinien der regionalen Schulentwicklung wie derholen.

Die regionale Schulentwicklung löst sich von dem Denken in Schularten – das muss sie tun, wenn sie mehr Schulstandorte erhalten möchte, als dies in Ihrer Systematik der Dreiglied rigkeit möglich wäre – und stellt zwingend auf den Schulab schluss ab. Sie ermöglicht und unterstützt damit auch eine An näherung der Schularten in pädagogischer Hinsicht, weil sie stärker integrative Elemente an allen Schularten forciert. Da mit sichert die regionale Schulentwicklung die Erreichbarkeit schulischer Angebote, auch und gerade in ländlichen Gebie ten.

Wenn Sie die Einführung von Mindestschülerzahlen kritisie ren, dann suggerieren Sie den Menschen auch etwas, was nicht der Realität entspricht. Gewisse Mindestschülerzahlen sind – da wir wissen, dass die Schülerzahlen in den nächsten Jahren noch einmal erheblich, nämlich um bis zu 20 %, abnehmen werden – wichtig, wenn wir Stabilität und Qualität an allen Schulstandorten gewährleisten wollen.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es für mich in der bisherigen Genehmigungssystematik der Gemein schaftsschulen immer wieder schwierig gewesen, wenn Schu len hervorragende pädagogische Konzepte entwickelt haben, aber aufgrund der zu erwartenden Schülerzahlen nicht die nö tige Stabilität gewährleistet werden kann.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber dann bietet gerade die regionale Schulentwicklung eine riesengroße Chance. Denn regionale Schulentwicklung appel liert an die kommunal Verantwortlichen, sich über die Gren ze ihres Ortsschilds hinaus mit den benachbarten Kommunen zusammenzuschließen und, unterstützt und moderiert von der Schulverwaltung, gemeinsam tragfähige Konzepte zu suchen. Wir setzen darauf, dass die Kommunen dann, wenn sie Klar heit darüber haben, wie die Entwicklung – auch was die Schü lerzahlen angeht – in den nächsten Jahren verläuft, jeweils

tragfähige Konzepte finden. Das ist im Interesse des ländli chen Raums, und nicht Ihre Politik des Nichtstuns.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Kollege Dr. Kern, wenn Sie immer wieder den Eindruck zu erwecken versuchen, hier würde die Selbstbestimmung vor Ort nicht beachtet, dann müssen Sie einmal mit den kommu nalen Landesverbänden darüber reden, was die Frage der Ein bindung in diese Prozesse betrifft. Die kommunalen Landes verbände – Gemeindetag, Städtetag, Landkreistag – sagen zu diesem Konzept der regionalen Schulentwicklung, dass sie jetzt auf Augenhöhe mit dem Land gemeinsam die schulische Zukunft gestalten können.

Da wir dort Dialog und Beteiligungsverfahren vorsehen, da wir dort vorsehen, dass möglichst ein Konsens mit allen Be teiligten gesucht wird, verstehe ich Ihre Kritik nicht. Denn wir geben viel von der Verantwortung – die wir natürlich an uns ziehen könnten, indem wir von oben herab Schulschließun gen anordnen – vor Ort weiter und ermöglichen es, vor Ort die richtigen Konzepte zu suchen. Das ist unser Verständnis von Politik: gemeinsam mit den Menschen, und nicht von oben auf die Menschen herab.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch ei nige Sätze zu den von der CDU eingebrachten Änderungsan trägen sagen. Sie fordern u. a., jetzt den Ausbau des Ganztags konzepts in die regionale Schulentwicklung einzubeziehen. Selbstverständlich werden diese Prozesse in den nächsten Mo naten und Jahren in den Kommunen nicht nebeneinander her laufen. Vielmehr werden Fragen der regionalen Schulentwick lung immer mit einer Verknüpfung der qualitativen Verände rung der Schulen, auch mit der Ausweitung von Ganztagsan geboten, zu tun haben.

Natürlich werden diese Fragen von den kommunal Verant wortlichen dann auch im Zusammenhang mit der regionalen Schulentwicklung diskutiert werden. Diese beiden Prozesse jetzt aber miteinander zu verknüpfen würde sie noch komple xer machen. Denn die regionale Schulentwicklung ist bereits ein hochkomplexer Prozess, bei dem versucht werden muss, alle von den Entscheidungen Berührten auch tatsächlich zu beteiligen, sie anzuhören und ihre Interessen auszugleichen. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, würde das eher zu einer Erschwernis des Prozesses der regionalen Schulentwicklung führen und bringt uns an dieser Stelle nicht weiter.

Des Weiteren geht es um die Einrichtung der Sekundarstufe II an Gemeinschaftsschulen.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen alle, dass wir mit dem jetzt vorlie genden Gesetzentwurf für die Einrichtung von Sekundarstu fen an Gemeinschaftsschulen eine relativ hohe Hürde gebaut haben, und das aus guten Grund. Genauso wie beim Stichwort „Mindestschülerzahl für die Neueinrichtung einer Gemein schaftsschule“ muss auch hier Qualität gewährleistet sein. Da bitte ich Sie alle, sich einmal intensiv mit pädagogischen Stu

dien zu beschäftigen, die bei kleineren Schulstandorten im mer auch die Qualitätsfrage aufwerfen. Denn die schulorga nisatorische Frage, ob ich die jeweils richtigen Lehrkräfte für das entsprechende Anforderungsprofil an der betreffenden Schule einstellen kann, stellt sich doch an jedem Schulstand ort, unabhängig von seiner Größe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb haben wir aus gu tem Grund – gerade auch für die Sekundarstufe II an Gemein schaftsschulen – eine relativ hohe Hürde eingeführt. Aber: Die Sekundarstufe II stellt für viele Gemeinschaftsschulen auch eine attraktive Entwicklungsmöglichkeit dar. Ich glaube, sie tritt dabei nicht in großer Zahl in Konkurrenz zu beruflichen Gymnasien. Wir sehen dies bereits in den Prozessen der regi onalen Schulentwicklung. Dort, wo berufliche Gymnasien vorhanden sind, ist der Landkreis als Schulträger der berufli chen Schulen mit am Tisch. Das ist auch ein Element dessen, was ich durch die Veränderungen in den letzten Monaten er reicht habe.

Sehr häufig werden Einigungen geschlossen, die besagen: „Wir beschließen schon einmal unsere regionale Schulent wicklung; wir betrachten in der zweiten Säule die beruflichen Gymnasien als Sekundarstufenangebot II für die Gemein schaftsschulen.“ Dabei sind alle Beteiligten vor Ort am Tisch gewesen und haben dies entschieden. Warum sollte das Land dies kritisieren? Wir finden es richtig. Aber die Möglichkeit für die Einrichtung einer Sekundarstufe II muss grundsätzlich gegeben sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auf der Ba sis dieses Gesetzes in der gemeinsamen Verantwortung für die Schulentwicklungsprozesse vor Ort optimale Bildungschan cen für alle Schülerinnen und Schüler ermöglichen können und dabei gleichzeitig eine realistische Chance haben, zahl reiche Schulstandorte zu erhalten, die in der bisherigen Sys tematik des dreigliedrigen Schulsystems nicht hätten gehal ten werden können.

Die regionale Schulentwicklung wird dabei helfen, gute schul organisatorische Lösungen zu finden, Lösungen, bei denen wir darauf setzen, dass diese in den allermeisten Fällen auf größtmögliche Akzeptanz vor Ort stoßen, weil die Beteiligten vor Ort aktiv an der Entwicklung dieser Konzepte beteiligt werden.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie, hier im Hohen Haus Ihrer Verantwortung als Abgeordne te des Landes Baden-Württemberg gerecht zu werden und ge meinsam mit uns die gesetzlichen Regelungen zur regionalen Schulentwicklung zu schaffen, die zwingend erforderlich sind, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Dieses Gesetz ist für die Zukunft der Schulen in Baden-Württemberg von ele mentarer Bedeutung. Ich bitte Sie alle deshalb noch einmal um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)