Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Ich möchte in diesem Zusam menhang eine Frage weitergeben, die uns bereits auf der „di dacta“ gestellt wurde: Warum ist es in Baden-Württemberg so schwer, sich auf ein Zweisäulenmodell zu verständigen, das in anderen Bundesländern bereits Realität ist?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wegen der Ideolo gie der Gemeinschaftsschulen! Deswegen! So ein fach!)

Dort haben die CDU-Regierungen die Realität schon lange erkannt. Ihre Basis spricht sogar davon, dass ein Zweisäulen modell notwendig ist. Erkennen Sie das doch endlich einmal an, und hören Sie auf, hier nur eine Verhinderungspolitik zu machen. Gestalten Sie Baden-Württemberg weiterhin mit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Es geht nicht um das Zweisäu lenmodell, es geht um die Gemeinschaftsschulen!)

Sie erheben Vorwürfe in Bezug auf die Gemeinschaftsschu len. Die Menschen vor Ort wissen genau, warum sie die Ge meinschaftsschule wollen. Sie aber bringen die Menschen vor Ort dagegen auf und verunsichern sie. Selbst wenn Entschei dungen bereits einmütig getroffen wurden, gehen Sie dage gen vor. Das ist keine Politik, die mitgestaltet, sondern Poli tik, die verhindert.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich komme zu den Vorwürfen, die die kleinen Schulstandor te betreffen. Wenn Sie sich den Gesetzentwurf zur regionalen Schulentwicklungsplanung einmal durchlesen würden, wür den Sie sehen, dass dort steht: Wenn eine Schule die Mindest schülerzahl von 16 Schülerinnen und Schülern nicht mehr er

reicht, wird die regionale Schulentwicklungsplanung angesto ßen. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Schule sofort ge schlossen wird. Wenn diese Schule innerhalb von zwei Jah ren kein Konzept vorlegt, dann muss man darüber nachden ken, wie weiter vorgegangen werden soll.

Wenn Sie aber sehen, wie sich die Schülerzahlen an den ein zelnen Schulstandorten entwickeln – und zwar ohne dass in der Umgebung eine Gemeinschaftsschule existiert –, werden Sie feststellen, dass in einer Schule, die jetzt vielleicht 16 Schülerinnen und Schüler hat, in fünf Jahren möglicherweise nur noch acht Schülerinnen und Schüler übrig sein werden. Da verunsichern Sie die Menschen; Sie geben ihnen keine Konzepte mit auf den Weg.

Ich halte es nach wie vor für verantwortungslos, was Sie hier machen, und bitte Sie daher nochmals: Stimmen Sie dem Ge setzentwurf zu.

(Abg. Georg Wacker CDU: Stimmen Sie unseren Än derungsanträgen zu!)

Diese Änderungsanträge berücksichtigen nicht die Realitä ten vor Ort, Herr Wacker.

Mit Blick auf den Entschließungsantrag, den wir, die Regie rungsfraktionen, mit Blick auf die Lehrerinnen und Lehrer eingebracht haben, sage ich: Wir wissen natürlich, dass für die Lehrerinnen und Lehrer Konzepte erstellt werden müssen. Sie wissen nicht, was die Regierungsfraktionen im vergangenen Jahr gemeinsam mit Gewerkschaften besprochen haben und was mit dem Ministerium besprochen wurde.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Ich sehe natürlich die Notwendigkeit, Anschlussmöglichkei ten zu schaffen. Aber die Schulen, von denen Sie sagen, dass sie infolge der Gründung einer Gemeinschaftsschule ver schwinden würden, werden weiterhin existieren. Die Lehre rinnen und Lehrer werden auch weiterhin dort arbeiten. Nur weil diese Lehrkräfte am Ende nicht an einer Haupt- oder Werkrealschule, an einer Realschule oder einem Gymnasium arbeiten werden – wie Sie dies bevorzugen –, sondern an ei ner Gemeinschaftsschule, diskreditieren Sie diese Lehrer und diskreditieren Sie die Arbeit dieser Lehrer. Jedes Mal spre chen Sie abfällig vom „Gemeinschaftsschulniveau“ – so, wie es vor Kurzem Ihr Landesvorsitzender Strobl wieder in einer Debatte getan hat,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da hat er völlig recht!)

als er in Bezug auf die Antwort auf eine mathematische Fra ge sagte, dies sei Gemeinschaftsschulniveau.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie weichen dem Leistungsvergleich aus!)

Ist das verantwortungsvoll, was Sie mit Lehrerinnen und Leh rern an Gemeinschaftsschulen machen? Das sind Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg, und diese verdienen nicht die Kommentare, die Sie ihnen ge genüber immer wieder machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Kleinböck.

Liebe Kolleginnen und Kol legen! Ich denke, der Minister hat hier eine ganz wichtige Aussage getroffen: Viele von Ihnen aus der Opposition reden vor Ort anders als hier. Das ist einfach so.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Mitnichten!)

Daher denke ich, die Menschen draußen im Land haben längst verstanden,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Genau 70 % haben das richtig verstanden! Sie haben keine eigene Mehr heit mehr!)

dass Schulentwicklung keine Parteiveranstaltung ist.

Lieber Kollege Wacker und lieber Kollege Dr. Kern, ich den ke, Sie erweisen mit Ihrer Argumentation der Schulentwick lung in Baden-Württemberg insgesamt einen Bärendienst.

Ich darf der von mir wirklich hoch geschätzten Kollegin GurrHirsch noch einmal bestätigen, dass sie mit ihrer Aussage, die Wolf-von-Gemmingen-Schule könne begeistern, weil das pä dagogische Konzept passe, auf dem richtigen Weg ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erspare mir, auf Inhalte einzugehen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist nicht so wich tig! Das ist nur ein Gesetzentwurf!)

Ach, hören Sie doch auf! Wir kennen das doch alles; wir ha ben das alles schon einmal gehört.

Pestalozzi ist zumindest dem Namen nach einigen von Ihnen hier bekannt.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Eine interessante Aussage von ihm möchte ich Ihnen mitge ben – denn für Sie geht es ja auch immer um das Verstehen, und Sie sind überzeugt, dass das, was Sie tun, immer richtig ist –:

Gut ist’s, dass das folternde Gewissen nicht abgeschafft werden kann.

Das sollten Sie sich, so, wie Sie hier argumentieren, merken.

Noch ein Zitat von Pestalozzi, das in Bezug auf unsere mo mentane Situation möglicherweise noch treffender ist:

Ich fürchte keine Opposition, die von einem redlichen Manne kommt.

Herr Kollege Dr. Kern und Herr Kollege Wacker, Sie waren in Ihrer Argumentation ein ganzes Stück weit unredlich. Ich fordere Sie auf: Kehren Sie zurück auf den Pfad der Redlich keit. Dann werden wir auch in der Schulentwicklung voran kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion darf ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Frau Boser, Sie haben die Frage ge stellt, warum man sich nicht auf ein Zweisäulensystem, das es ja auch in anderen Bundesländern gebe, einigen könne.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wenn Ihnen nicht klar ist, dass sich hinter dem Begriff „Zwei säulensystem“ unterschiedliche Systeme verbergen

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

und dass sich das baden-württembergische, das kretschmann sche Zweisäulensystem in keiner Weise etwa mit dem sächsi schen Zweisäulensystem vergleichen lässt –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

entscheidend ist nämlich, was in der zweiten Säule passiert –,

(Zurufe: Genau!)