Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

Wir streben jetzt eine kleine Änderung der Subsidiaritätsklau sel an. Dabei geht es um Betriebe, die außerhalb der öffentli chen Daseinsvorsorge tätig werden. Deren Geschäfte sollen auch dann zulässig sein, wenn sie den Zweck ebenso gut wie ein privater Anbieter erfüllen.

Herr Grimm, es geht also nicht um eine Aufweichung, son dern um einen leicht geänderten Wortlaut – von „besser“ zu „ebenso gut“. Die Formulierung ist nicht neu, sondern sie ent spricht dem Wortlaut, den der Landtag 1999 – auch mit Ihrer Stimme, Herr Klein – beschlossen hat.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Man hat das damals gemacht, um einer mittleren Linie zu fol gen, wie es in der Begründung zu dem Gesetzentwurf heißt. Man ist also einen Mittelweg zwischen den Forderungen der Kommunen und denen des Handwerks gegangen.

Diese mittlere Linie haben Sie wenige Jahre später verloren, als § 102 im Jahr 2005 seinen heutigen Wortlaut bekommen

hat. Warum gab es diese Änderung damals? Ich konnte beim Verfolgen der Debatte keine wesentlichen Gründe erkennen. Aber dazu darf ich jetzt meinen Kollegen Walter Heiler aus einer Rede zitieren, die er am 7. November 2013 im Plenum gehalten hat. Er sagte damals:

Was war denn damals? Das war die berühmte „Lex Föll“. Damals hat man einen Kuhhandel zwischen CDU und FDP/DVP betrieben. Man hat vereinbart, dass man Käm merer werden kann, ohne dass die notwendigen Vorbil dungen vorhanden sein müssen. Im Gegenzug hat man § 102 der Gemeindeordnung geändert und diese strenge Subsidiaritätsklausel eingeführt.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

So war das damals.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: So war es! – Zuruf von der SPD: Kuhhandel!)

Meine Damen und Herren, wir kennen die Kritik der Hand werkskammern, dass öffentliche Unternehmen Privaten un zulässig Konkurrenz machen. Das sind Einzelfälle. Da stim men wir auch den Kammern zu. Denn es ist nicht Aufgabe der Gemeinde, dass z. B. neben dem Bürgeramt auch noch Pass bilder gemacht und verkauft werden.

Doch auch die verschärfte Subsidiaritätsklausel hat hier nicht geholfen. Von unserer Seite gibt es deswegen wichtige An satzpunkte für die gesetzliche Regelung, die das Handwerk und auch den privaten Unternehmer stärkt: Der eine Punkt ist das Klagerecht der Wirtschaft, das heißt, Unternehmen haben die Möglichkeit, die Auftragsvergabe der Verwaltung über prüfen zu lassen. Der andere Punkt ist, dass es keine Leistun gen der Stadtwerke hinter dem Hausanschluss gibt. Das „Ge schäft hinter dem Zähler“ ist Sache des Handwerks –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

also klar pro Handwerk.

Als wichtig erachten wir gerade im Energiesektor – das ha ben wir ja auch gehört –, dass insbesondere mit Blick auf neue Geschäftsfelder wie das Contracting immer wieder Gesprä che zwischen dem Handwerk und dem Verband kommunaler Unternehmen stattfinden. Viele Stadtwerke betreiben Hei zungsanlagen, die die Hauseigentümer über Energielieferver träge finanzieren. Hier geht es aber nicht um Verdrängung. Vielmehr sind Contractingmodelle eine Chance sowohl für die Stadtwerke als auch für das Handwerk.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Am besten alles ver staatlichen! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Meine Damen und Herren, wir kehren zu einer mittleren Li nie zurück. Wir tun dies mit Augenmaß. Wir stärken die kom munale Selbstverwaltung und tragen zu einer guten Partner schaft zwischen Handwerk und Kommunen bei.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister Gall.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Im Kern zielt der Titel der von der FDP/DVP beantragten Aktuellen Debatte ja ge gen die Kommunen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Lachen des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Deshalb wundert es mich schon, dass Sie, Herr Kollege Klein, diesbezüglich der FDP/DVP jetzt beispringen. Denn Sie ha ben in vergangenen Debatten zu diesem Thema – schon 2005, als die damalige Änderung vorgenommen wurde – andere Po sitionen vertreten. Ein nicht geringer Teil der CDU-Fraktion wollte die 2005 vorgenommene Änderung nicht – aus unter schiedlichen Gründen. Insbesondere wollten die kommuna len Vertreter diese Änderung nicht.

Deshalb bitte ich einfach darum: Lesen Sie einmal das Ple narprotokoll der damaligen Sitzung nach. Die Zwischenrufe, die aus der CDU-Fraktion, von Herrn Hofer, aber auch vom damaligen Innenminister, Herrn Rech, gemacht wurden, als dieses Gesetz hier debattiert worden ist, sprechen eigentlich Bände.

Insbesondere, Herr Kollege Klein und meine Damen und Her ren von der CDU-Fraktion, wundert mich dann schon Ihr Sin neswandel vom November des letzten Jahres bis heute. Die Kollegin Lindlohr hat ja schon zitiert, was Sie damals zu even tuellen Änderungen gesagt haben.

Ich möchte auch noch eine andere Aussage benennen. Bereits im Jahr 2010 wollte die CDU entsprechende Änderungen vor nehmen. Herr Klein, Sie haben am 7. November 2013 im Ple num gesagt:

Bereits im Jahr 2010 hatte die CDU-Landesregierung ei nen Gesetzentwurf ausgearbeitet,

vielleicht schauen Sie sich ihn selbst noch einmal an –

um Kommunen neue Formen der Zusammenarbeit zu er möglichen. Aufgrund abweichender Vorstellungen unse res damaligen Koalitionspartners

da sitzt er, in der Mitte –

wurde dieser Gesetzentwurf nicht weiterverfolgt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So war es!)

Jetzt haben Sie den Koalitionspartner nicht mehr. Jetzt haben Sie Gelegenheit, diesen Gesetzentwurf noch einmal als Basis zu nehmen, um mit uns im Rahmen des Gesetzgebungsver fahrens in konstruktive Gespräche einzusteigen. Darum bitte ich Sie ausdrücklich.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es wird versucht, meine Damen und Herren, die grün-rote Landesregierung jetzt in die Ecke zu stellen, wir seien hand

werkerunfreundlich. Vor wenigen Wochen wollten Sie uns un terstellen, wir seien kommunenunfreundlich.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie sind halt beides!)

Das ist Ihnen damals nicht gelungen und wird Ihnen auch bei der heutigen Diskussion nicht gelingen.

Deshalb will ich nochmals klarstellen: Wir, die grün-rote Lan desregierung, sind zuverlässige und gute Partner der Kommu nen im Land. Das wird sich auch bei der anstehenden Geset zesänderung widerspiegeln.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Natürlich gilt die Aussage, dass wir gute und verlässliche Part ner sind, auch in Bezug auf das regionale und das mittelstän dische Handwerk in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das haben wir in den zurückliegenden drei Jahren – das fin de ich jedenfalls, und viele im Handwerk finden dies auch – eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Wir haben beispielswei se eine alte Forderung des Handwerks erfüllt – diese Forde rung gab es zwar schon länger, aber Sie haben sie gar nicht aufgegriffen –, nämlich die, einen Mittelstandsbeauftragten zu installieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Grün-Rot hat dies gemacht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Grün-Rot hat dies gemacht, und mit Peter Hofelich, dem Spross einer Handwerkerfamilie, haben wir da einen außer ordentlich kompetenten und gefragten Ansprechpartner für die Wirtschaft, für das mittelständische Handwerk gefunden.

Wir haben den Mittelstandsbeirat wieder reaktiviert, und vor allem haben wir ihm eine andere Aufgabe gegeben, als Sie es in der Vergangenheit getan haben. Wir haben deutlich ge macht, dass der Mittelstandsbeirat für uns ein wesentlicher Ratgeber ist, wenn es um mittelständische Probleme geht, wenn es darum geht, die anstehenden Probleme der kleinen und mittleren Handwerksbetriebe und Unternehmen in der Landespolitik entsprechend zu platzieren.

Sechs Handwerksvertreter sind im Mittelstandsbeirat tätig. Auch das macht deutlich, dass wir an deren Ratschlägen und deren Auffassungen sehr interessiert sind.

Kollegin Lindlohr hat es bereits angesprochen: Wir hatten das Handwerk als Partner an unserer Seite, oder das Handwerk hatte die Landesregierung als Partner an seiner Seite, als es um die Einführung der Gemeinschaftsschule in Baden-Würt temberg ging. Während Sie bei diesem Thema immer noch ideologische Phrasen dreschen, ist das Handwerk längst ge meinsam mit uns unterwegs,