Es ist also ein ganzer Strauß von Maßnahmen im Gesamtvo lumen von ca. 3,5 Milliarden €. Das Ziel ist, die Pflegeleis tungen generell anzuheben, sie auszubauen und flexibler nut zen zu können, die häusliche Pflege – Sie haben es gesagt: diese macht immer noch den großen Anteil bei der Pflege aus – zu stärken, die Angehörigen und genauso die Pflegekräfte zu entlasten.
Natürlich – das darf man nicht vergessen –: Die Pflegeversi cherung muss auch nachhaltig gestaltet sein, sie muss auch für die geburtenstarken Jahrgänge, die vielleicht erst in 20 Jah ren in die Situation der Pflegebedürftigkeit kommen, noch si cher sein.
Allerdings fällt das Geld dafür nicht vom Himmel. Deshalb ist zum 1. Januar 2015 eine Anhebung des Pflegeversiche rungsbeitrags um 0,3 Prozentpunkte und im Laufe der Legis laturperiode, wenn der Pflegebedürftigkeitsbegriff neu erar beitet wurde, eine Anhebung um weitere 0,2 Prozentpunkte erforderlich.
Das Pflegestärkungsgesetz ist in der Tat ein Anfang. Es folgt die Neugestaltung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs.
Anstatt der heutigen drei Pflegestufen wird es künftig fünf Pflegegrade geben, ohne Unterscheidung, warum jemand pfle gebedürftig ist, was vor allem Demenzkranken zugutekommt.
Die Beurteilung des Pflegegrads erfolgt auf der Grundlage: Was kann der Mensch noch selbstständig leisten?
Das ist also die theoretische Grundlage. Es werden jetzt zwei Modellprojekte durchgeführt, um diese theoretische Grund lage auch einem Praxistest zu unterziehen.
Was wir also derzeit erleben, ist die umfassendste Reform der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung vor 20 Jahren.
Erlauben Sie mir hier auch den direkten Vergleich zwischen der Leistung des Bundesgesundheitsministers – die CDU stellt ja erst seit November 2013 den Bundesgesundheitsminister; vorher waren es andere Parteien, Herr Hinderer, u. a. bis 2009 die SPD –
mit – in Anführungszeichen – der Leistung der Sozialminis terin hier in Baden-Württemberg. Ich nenne hier – Sie haben es auch selbst genannt – das Wohn-, Teilhabe- und Pflegege setz. In der ersten Anhörung war es praktisch schon ein De saster, in der zweiten Anhörung wurde nachgebessert, es wur de bis hin zur abschließenden Ausschussberatung nachgebes sert – es ist ein Stückwerk geblieben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)
Sie führen – mit unserer Unterstützung – die ambulant betreu ten Pflegewohngruppen ein, aber Sie bleiben auf halbem Weg stehen. Es ist für eine sozialdemokratische Partei und eine so zialdemokratische Ministerin schon ein Armutszeugnis, dass Sie die Pflege-WGs so ausgestalten, dass sie praktisch ein Pri vileg für Reiche bleiben.
Die Sozialministerin ist vor drei Jahren mit großen Vorschuss lorbeeren gestartet. Wo man heute hinkommt: allenthalben Enttäuschung. Deshalb gilt es, hier an dieser Stelle den direk ten Vergleich zu ziehen: sechs Monate Bundesgesundheitsmi nister Gröhe und drei Jahre Landessozialministerin Altpeter.
Ich möchte auch ein Wort an die Pflegekräfte richten. Wir neh men ihre Sorgen und ihre Anliegen ernst; sie werden mit dem Pflegestärkungsgesetz aufgegriffen. Wir wollen ihre Arbeits bedingungen verbessern. Wir wünschen uns auch eine besse re Entlohnung ihrer Arbeit, und insbesondere wünschen wir ihnen eine höhere gesellschaftliche Anerkennung ihres Be rufs.
Das Gesetz ermöglicht den Einsatz von 45 000 Betreuungs kräften. Das entlastet die Arbeit der Pflegefachkräfte im All tag. Aber auch diese Betreuungskräfte fallen nicht vom Him mel. Deshalb ist es in der Tat erforderlich, dass wir eine ge meinsame Strategie erarbeiten, damit sich mehr Menschen für diesen Beruf interessieren. Um diesen Weg zu finden, ist die
von der CDU-Landtagsfraktion vorgeschlagene Enquetekom mission „Pflege in Baden-Württemberg zukunftsorientiert und generationengerecht gestalten“ genau der richtige Ort.
Hier werden wir auch gemeinsam mit Ihnen, mit allen Land tagsfraktionen, nach einem geeigneten Weg bei dieser zentra len Aufgabe suchen.
Fazit: Beim Bund muss sich die SPD Baden-Württemberg bei der Pflege keine Sorgen machen; die Pflege ist bei der CDU in guten Händen.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kunzmann, ich möchte doch ganz gern, dass Sie wieder auf den Boden der Tatsachen kommen,
wenn es darum geht, dieses Pflegestärkungsgesetz so zu lo ben, wie Sie das gerade getan haben. Also: Das sind Vor schusslorbeeren, die ich nicht gerechtfertigt finde.
Es ist richtig – das hat auch Kollege Hinderer deutlich ge macht –, dass es deutliche Verbesserungen für pflegende An gehörige geben wird. Ich finde auch, dass es richtig und gut ist, zu sagen: Flexible Leistungen und z. B. Wohnumfeldver änderungen sollen deutlich unterstützt werden. Das alles sind richtige Ansätze. Kollege Hinderer, die Aussage, wir schaffen gute Arbeit für pflegende Angehörige, ist griffig und stimmt ja auch. Es ist richtig und es ist auch gut, dass in Pflegehei men verstärkt Betreuungskräfte eingesetzt werden sollen. Wir müssen schauen, ob es dann diese Betreuungskräfte auch tat sächlich gibt. So weit, so gut.
Aber das ist es dann auch schon. Genau die Aufgabe, die ei gentlich in Angriff genommen werden sollte, nämlich eine dauerhafte Finanzierung der steigenden Pflegebedürftigkeit, wird nur ansatzweise in Angriff genommen.
Ich möchte jetzt einmal die Beitragssatzerhöhung um 0,3 Pro zentpunkte ab 2015 und um 0,2 Prozentpunkte ab 2016 an sprechen. Das wird ja mit einer Erhöhung aller Leistungsbei träge um 4 % gekoppelt. Das heißt, auf der einen Seite möch te der Bundesminister die Stärkung der ambulanten Angebo te vor den stationären Angeboten deutlich forcieren. Gleich
zeitig werden aber nach dem Gießkannenprinzip alle Leis tungsbeiträge erhöht. Das heißt, es findet eben keine Steue rung statt, und es findet keine strukturelle Einflussnahme statt.
Es gibt nach wie vor eine Unterfinanzierung bei der Pflege. Sie, Herr Kunzmann, haben den Vorsorgefonds angesprochen. Bei diesem Vorsorgefonds, in den das Aufkommen von 0,1 % der Beitragssätze fließen soll, ist jetzt schon klar, dass er über haupt nicht die Erwartungen erfüllen wird, die an ihn gestellt werden. Das ist längst durchgerechnet. Es ist auch keine neue Idee. Es ist eine ziemlich alte Idee, und diese ist von sämtli chen Fachleuten längst verworfen worden, weil sich das über haupt nicht rechnet. Das heißt, die Summe, die dort letztend lich angesammelt wird, die dafür sorgen soll, dass die gebur tenstarken Jahrgänge, wenn sie denn einmal pflegebedürftig oder zumindest alt sind – ob alle Personen dieser Jahrgänge pflegebedürftig werden, bleibt ja noch dahingestellt –, ver sorgt werden, wird überhaupt nicht reichen. Das ist das eine.
Das Zweite ist, dass in diesem Vorsorgefonds natürlich eine gigantische Summe deponiert wird, wobei ich einmal fragen möchte, ob Sie alle wirklich die Hand dafür ins Feuer legen können, dass damit auch wirklich nichts anderes gemacht wird, sollte es in Deutschland konjunkturell einmal nicht so gut aussehen.
Der Vorsorgefonds ist insgesamt also keine gute Idee. Viel besser wäre es gewesen, das grüne Konzept der Bürgerversi cherung in der Pflege umzusetzen.
Das wäre eine dauerhafte Finanzierung gewesen. Es wäre vor allem eine Finanzierung gewesen, die zunächst einmal in den nächsten Jahren gar keine Beitragserhöhung zur Folge gehabt hätte, gleichzeitig aber zu einer deutlichen Leistungserweite rung geführt hätte. Das hat die SPD vor der Wahl unterstützt. Deswegen kann ich, ehrlich gesagt, das Eigenlob, das Sie jetzt hier an den Tag legen, nicht wirklich verstehen.
Herr Gröhe wird natürlich zu diesem neuen Pflegestärkungs gesetz gefragt, und er verlautbart in sämtlichen Broschüren: „Pflegetätigkeit muss von unnötiger Bürokratie entlastet wer den, und Pflege braucht Zeit.“ Das ist in der Tat völlig rich tig. Aber was sagt er denn anschließend? Was sagt er denn zu dem bestehenden Fachkräftemangel, und was sagt er denn zu der unglaublichen Arbeitsverdichtung der Pflegekräfte z. B. in der Akutversorgung? Da bleibt er wirklich sämtliche Ant worten schuldig.