Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich hät te mir ja noch gern ein bisschen Farbe ins Gesicht gemacht. Aber nachdem Minister Bonde festgestellt hat, dass das Rote – das ist jetzt keine Anspielung auf die linke Seite hier – nicht

besonders gesundheitsverträglich ist, habe ich darauf verzich tet.

Ich gehe jetzt auf die EU-Forststrategie ein, die am 19. Mai vom Europäischen Rat als Schlussfolgerung vorab angenom men worden ist und im September letzten Jahres von der Kommission vorgeschlagen worden war. Daraus sind einige Leitgrundsätze entwickelt worden, nämlich eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, die viel gepriesene Multifunktionalität unserer Wälder, die Ressourceneffizienz und die globale Ver antwortung, die alle europäischen Mitgliedsländer diesbezüg lich übernehmen, und zwar mit acht Schwerpunkten, vor al lem was die Wettbewerbsfähigkeit, die Bioenergie, den Kli mawandel, die Ökosystemleistungen, die Forschung zur Ver änderung der Waldtypen und deren Wertschöpfung angeht. Dazu gibt es Orientierungshilfen und Handlungsanleitungen. Ein Waldinformationssystem für Gesamteuropa wird in Aus sicht gestellt.

Was haben wir in den letzten 15 Jahren erlebt? Wir haben „Lo thar“, „Wiebke“ und „Vivian“ erlebt, die ersten größeren Aus wirkungen eines Klimawandels, wie ihn die Welt noch nie er lebt hat. Genau daraus erwächst in Baden-Württemberg, aber auch im gesamteuropäischen Kontext eine besondere Verant wortung, der sich auch die jetzige Landesregierung in beson derem Maß stellt. Ich möchte daran erinnern, dass wir Wald entwicklungstypen erarbeitet haben, die in Zukunft auch kli mastabile Wälder hervorbringen. Das ist mit gewaltigen An strengungen bei zurückgehendem Nadelholzanteil verbunden. Das freut natürlich die Holz- und Sägeindustrie, für die eben Herr Kollege Rapp gesprochen hat, nicht besonders.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wir müssen weg vom altertümlichen Altersklassenwald und zu einem zukunftsfähigen Dauerwald kommen. Ich bin froh, dass wir da mit unserer FSC-Zertifizierung, die wir angehen, auf einem guten Weg sind,

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

auch mit dem Nationalpark, mit dem Totholzanteil und dem Bannwaldanteil, der noch weit unter dem prozentualen Anteil liegt, wie ihn sich Bundeskanzlerin Merkel bis 2020 eigent lich vorstellt.

Das Bundeskartellamt als oberster Wettbewerbshüter schreibt uns auf Klagen der Säge- und Holzindustrie vor – – Mit un serer bewährten Einheitsforstverwaltung in Baden-Württem berg, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass wir nicht nur den eigenen Staatswald sehr nachhaltig und ökologisch bewirtschaften, haben wir mit einer ausgeklügelten Beratung und einer entsprechenden Betreuung der Kommunal- und der Privatwälder bisher eigentlich einen sehr guten Weg einge schlagen. Das wird wahrscheinlich in Zukunft so nicht mehr gehen. Es wird eine Umstrukturierung geben müssen. Aber unsere Landtagsfraktion wird natürlich sehr darauf achten, dass dies nicht zulasten der Nachhaltigkeit geschieht.

Ich denke, dass wir – vor allem in Baden-Württemberg – sehr gut aufgestellt sind. Die europäische Forststrategie kann kom men; wir sind bestens vorbereitet.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Storz.

Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen, liebe Gäste! Wenn sich die EU zu ei nem bestimmten Thema meldet, zuckt man oftmals zuerst zu sammen und denkt an Bürokratie und Regulierungswut. Man fragt sich schon: Warum befasst sich die EU mit einer einheit lichen Forststrategie für die ganze Union?

Klar ist: Eine Forststrategie bildet eine wichtige inhaltliche Klammer der Waldpolitik der Europäischen Union. Obwohl der Wald nicht wie z. B. die Landwirtschaft in den Zuständig keitsbereich der EU fällt, betreffen viele Entscheidungen der EU dennoch indirekt den Wald und die Forstwirtschaft, so im Bereich Naturschutz oder bei Fragen der Energie-, Wirt schafts- und Umweltpolitik. Die gemeinsam mit den Mit gliedsstaaten ausgearbeitete Forststrategie ist hier eine wich tige Orientierung und eine wichtige Koordinierungsbasis.

In den vergangenen 15 Jahren, seit der Verabschiedung der letzten Forststrategie, sind einerseits die Anforderungen an die Wälder gewachsen. Zugleich haben die Bedrohungen für den Wald zugenommen; Kollege Pix hat das deutlich gemacht. So wurde der Bedarf für ein neues Strategiepapier immer vi rulenter.

Womit befasst sich das Papier nun inhaltlich? Das vordergrün dige Ziel ist – das haben wir schon gehört –, die Multifunkti onalität der europäischen Wälder zu erschließen und nachhal tig auszubauen, das heißt, deutlich zu machen, dass in unse ren Wäldern wirklich viel steckt: Sie dienen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zwecken. Wälder sind Holz- und Rohstofflieferanten. Sie sichern in der EU knapp drei Millio nen Arbeitsplätze und diesen Beschäftigten ein gutes Einkom men, wohlgemerkt in der Holz- und Forstwirtschaft im enge ren Sinn. Allein in Baden-Württemberg setzt das Cluster Forst, wozu Papier-, Möbel- und Holzindustrie usw. gehören, insge samt 31 Milliarden € jährlich um.

Der Wald spielt aber auch bei der Reinigung der Luft, beim Ausgleich des Klimas eine wichtige Rolle, er schützt Gebir ge vor Erosion, und er schützt das Grundwasser.

Bei der derzeitigen Erarbeitung der Novelle des Jagdgesetzes werden wir daran erinnert, dass das jagdbare Wild, aber auch der größte Teil der anderen Tiere natürlich im Wald beherbergt sind.

Selbstverständlich ist der Wald auch ein wichtiger Ort für Frei zeitbeschäftigung und Tourismus.

In Deutschland gibt es ein sehr fortschrittliches Bundeswald gesetz. In Baden-Württemberg gibt es ein Landeswaldgesetz, das der Multifunktionalität und dem Erhalt der Wälder nach haltig gerecht wird.

In den Staaten der EU ist der Umgang mit Wald allerdings sehr unterschiedlich. Mit dem Strategiepapier zur naturgerech ten Weiterentwicklung, zum Schutz und zur nachhaltigen An hebung des wirtschaftlichen Potenzials der europäischen Wäl der liegt die EU also goldrichtig.

Müssen wir uns in Baden-Württemberg wegen der EU-Forst strategie Sorgen machen? Ich denke, nein. Denn was nachhal tige Forstwirtschaft und den vorbildlichen Umgang mit dem

Wald anbelangt, sind wir hier in Baden-Württemberg Vorrei ter. Zudem – ich hatte es bereits erwähnt – fällt die Forstpoli tik nicht in den Verantwortungsbereich der EU. Die EU macht deshalb auch keine konkreten und keine neuen Vorschriften. Sie will allerdings die Sensibilität der Politik und die Koordi nierung der verschiedenen Aspekte der Waldnutzung verbes sern.

Der Wald ist hier durch Berichtspflichten, Gesetze und Ver ordnungen aller Art genug reglementiert. Neue und weitere Instrumente dazu halten wir auch nicht für förderlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Instrumente wie die FSC-Zertifizierung, die wir in unserem Staatswald eingeführt haben, helfen bereits dabei, dass die Waldnutzung nachhaltig und auch sozial vertretbar ist bzw. wird. Nicht nur die naturverträgliche Holznutzung spielt da bei eine Rolle und steht im Fokus, das gilt vielmehr auch für Löhne und Arbeitsbedingungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

So kann ich zum Schluss sagen: Es kann dem Wald und auch einem waldreichen Land wie unserem nur guttun, wenn sich die EU dem Thema Wald zuwendet. Nicht begrüßenswert ist es, wenn die EU versucht, eine Forstpolitik zu machen, für die sie eigentlich nicht zuständig ist.

Alle Parteien und ihre Spitzenkandidaten haben im EU-Wahl kampf betont, dass die EU nicht stärker in die Staaten hinein regieren darf und soll. Das sollte auch die Kommission gehört haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Bullinger.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Dauereinsatz!)

Bei uns stellt sich nicht die Frage: „Darf ich in diesem Jahr noch einmal reden?“ Wir teilen uns vielmehr die Arbeit in unserer Fraktion.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Für die ses und nächstes Jahr noch!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem meinem Vorredner möchte ich danken. Er hat sehr vie les gesagt, was uns berührt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die tolle Forstwirtschaft – sei es im Staatsforst, sei es bei den privaten oder den kommunalen Wäldern – ist, glaube ich, vor bildlich auch für Europa. Nachhaltigkeit ist für uns kein neu es Wort. Das, was die EU hier gut gemeint noch einmal zu Pa pier gebracht hat, ist wohl an eine andere Adresse zu richten. Wir haben hier gerade auch gehört, dass die bessere Adresse dafür andere, vor allem auch neue europäische Mitgliedsstaa ten wären.

Schauen wir uns doch einmal die Zahlen dazu an, wie es in anderen Ländern aussieht. Vor allem in Rumänien, Bulgari

en, Ungarn, Polen sind illegaler Kahlschlag und Raubbau in geschützten Wäldern leider auch heute noch an der Tagesord nung. Seit 1990 – dies muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – wurden beispielsweise in Rumänien fast 400 000 ha Wald illegal abgeholzt.

Meine Damen und Herren, deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass wir unsere Strategie, unsere Forstberatung, unsere nach haltige Waldwirtschaft weiter unterstützen. Wir haben hier keinen Bedarf an Belehrung durch die EU und keinen Nach holbedarf; da bin ich mit den hier getroffenen Aussagen voll kommen einverstanden.

Allerdings ist es auch wichtig, noch stärker in den Vorder grund zu stellen, dass wir diesen Kulturwald nur durch die Einheit aus Schützen und Nützen weiterentwickeln können. Wie gesagt, das ist die richtige Strategie.

Ich möchte vor allem den Werkstoff Holz in den Vordergrund stellen. In Freiburg gibt es das tolle Bauwerk „Haus der Bau ern“, an dem man sieht, wie beispielsweise der Werkstoff Holz in der Bauwirtschaft – – Heute Morgen haben wir über die Landesbauordnung gesprochen; da gehört noch ein bisschen mehr „pro Holz“ hinein.

In der Zeit der Energiewende, in der wir über regenerative Energien sprechen, möchte ich einen Schwerpunkt auf den CO2-neutralen, nachhaltigen Rohstoff Holz setzen und darauf eingehen. Hackschnitzel, Pellets haben in den letzten 15 Jah ren bei uns dank der entsprechenden Technik, bei der wir die Entwicklung in Deutschland leider lange Zeit verschlafen ha ben, einen tollen Siegeszug praktiziert. Bei dieser Technik war man in der Schweiz, in Österreich und in Norditalien eigent lich viel weiter.

Deshalb möchte ich ein paar Worte zum Thema Energie und dazu, wie man damit umgeht, sagen. Bei uns weitere Stillle gungen zu fordern, Wald aus nachhaltiger Bewirtschaftung zu nehmen, irgendwo – womöglich noch übertrieben – noch mehr im Bereich Bannwald zu unternehmen, das passt nicht zur Energiewende. Das passt auch deshalb nicht, weil wir später Holz zur Deckung des Bedarfs möglicherweise aus Skandi navien oder Russland, wo man hinsichtlich der Umwelt auch nicht so zimperlich ist, über ganz Europa herbeikarren müss ten. Das wäre völlig falsch. Meine Damen und Herren, wir brauchen bei unseren Rohstoffen eine ganzheitliche Ökobi lanz. Dazu gehört der heimische Wald. Das ist ein ökologisch sinnvolles Wirtschaften.

Der Holzenergie-Fachverband Baden-Württemberg beklagt allerdings auch, dass wir vor allem das Nichtderbholz – also Holz, das mit Rinde einen Durchmesser von weniger als 7 cm hat –, das aus dem Staatswald stammt, nicht mehr nutzen dür fen. Das ist in Sachen Energie kontraproduktiv sowie ökono misch und ökologisch – vor allem Letzteres – überhaupt nicht sinnvoll.

Übertriebene Maßnahmen sind bei bestimmten Zertifizierun gen an der Tagesordnung. Das sollte nicht fortgesetzt werden.

Jetzt noch etwas zur Energiepolitik, etwas zu dem, was mich umtreibt. Wenn wir nachwachsende Rohstoffe und gerade den CO2-neutralen tollen Werkstoff und Energiestoff Holz fördern wollen, dann geht es nicht einfach nach dem Prinzip: „Atom kraft? – Nein, danke!“, „Ausbau der Wasserkraft? – Nein, dan

ke!“, „Ausbau der regenerativen Energien, Biogas? – Nein, danke!“, „Bau von Stromtrassen? – Nein, danke!“, „Stillle gung von Kulturwald und Umwandlung in Urwald? – Ja, bit te!“ oder „Verzicht auf Waldnutzung – aber bitte mit allen An nehmlichkeiten wie bisher“. Das geht nicht, meine Damen und Herren. Deshalb müssen wir Waldnutzung und Landnutzung wieder besser zusammenbringen. Ökonomie und Ökologie gehören zusammen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir in diesem Bereich weitermachen.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Für mich gilt vor allem in der Energiepolitik eines, nämlich dass man die beste Ener gie verwendet. Die beste Energie ist jedoch weder die aus nu klearen noch aus fossilen noch aus regenerativen Energieträ gern. Nein, die beste Energie ist diejenige, die wir gar nicht erst brauchen, es ist diejenige Technik, die die Primärenergie am effizientesten nutzt. Energie besser einzusetzen bedeutet Effizienzsteigerung und moderne Technik wie beispielsweise Kraft-Wärme-Kopplung. Das sind Dinge, die wichtig sind. Dazu brauchen wir in der Politik mehr naturwissenschaftli chen Sachverstand und weniger Emotion und Ideologie. Nach haltigkeit bedeutet Einklang von Ökonomie und Ökologie und nicht Ideologie.