Protokoll der Sitzung vom 24.07.2014

Die Umsetzung der Verordnung, die am 1. Februar 2014 in Kraft getreten ist, liegt bei den Ländern. Die PID darf nur in zugelassenen Zentren durchgeführt werden, nachdem eine Ethikkommission auf Antrag der Frau, die die Untersuchung wünscht, zugestimmt hat.

Im beabsichtigten Staatsvertrag schließen sich die Länder Ba den-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Saar land und Thüringen zusammen, um eine gemeinsame Ethik kommission zu errichten. Ihr sollen acht Fachleute – darunter Genetiker, Gynäkologen, Kinderärzte und ein Vertreter einer Behindertenorganisation – angehören. Wichtig wäre auch, dass vielleicht ein Sozialethiker und ein Medizinethiker da bei wären. Die Kirchen wollen sich nicht beteiligen, da sie die mit der PID verbundene Vernichtung von Embryonen grund sätzlich ablehnen. Sitz der Ethikkommission ist die Landes ärztekammer in Stuttgart, also bei uns im Herzen von BadenWürttemberg.

(Zuruf des Abg. Claus Paal CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, die CDU stimmt dem vor liegenden Staatsvertrag zur Errichtung einer Ethikkommissi on für PID zu. Wir sehen darin eine wertvolle Instanz, um das medizinisch und technisch Mögliche in einem engen Auswahl verfahren zu beurteilen und zu kanalisieren. Wir wissen: Was möglich ist, wird auch gemacht.

Die genetische Medizin entwickelt sich unaufhaltsam weiter. Man spricht von einer stillen Revolution. Längst geht es nicht nur um Erbkrankheiten. Reiseanbieter werben mit einer Zy pernreise für die künstliche Befruchtung mit Geschlechter wunsch. Das ist das sogenannte Social Sexing oder auch Fa mily Balancing, damit die Eltern nicht nur Mädchen oder nicht nur Jungs bekommen. Ein neuer Trend bei Frauen ist das So cial Freezing: Eizellen werden in jungen Jahren eingefroren, um sie dann aufzutauen und zu befruchten, wenn es besser in die Lebensplanung passt.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir brauchen die gesell schaftliche Diskussion; sie wird auch weitergehen. Wir brau chen auch einen gesetzlichen Rahmen, der das medizinisch Mögliche und die ethischen Ansprüche der Gesellschaft so gut es geht widerspiegelt. Wir wünschen der PID-Ethikkommis sion ein hohes Verantwortungsbewusstsein für die folgenrei chen Entscheidungen bei dieser schwierigen Aufgabe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Mielich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In weiten Teilen kann ich mich dem Redebeitrag meiner Vorrednerin, Frau Dr. Engeser, anschließen,

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

wenn es darum geht, deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass wir eine Ethikkommission bekommen, die verantwort lich besetzt ist.

Ich möchte aber noch ein paar Sätze dazu sagen. Wir sind ja heute beim letzten Tagesordnungspunkt mit Redezeit ange kommen. Wir alle wollen jetzt entweder nach Hause oder auf das Landtagsfest, und ich finde es schade, dass wir zu wenig Zeit haben, um diese Diskussion wirklich so zu führen, wie sie eigentlich geführt werden müsste. Denn es ist ein hoch emotionales sowie ein hoch moralisches und ethisches The ma, das eigentlich mehr Aufmerksamkeit bedürfte.

Ich möchte noch einmal deutlich machen: Im Bundestag ist diese Diskussion geführt worden. Sie ist auch unter Aufhe bung des Fraktionszwangs geführt worden; das heißt, es gab verschiedene Diskussionsansätze. Wir müssen dieses Thema natürlich auch vor dem Hintergrund der Frage diskutieren: Was ist medizinisch möglich, aber was ist auch ethisch ver tretbar? Das ist eine, denke ich, ganz wichtige Balance, die gehalten werden muss. Genau diese Balance zu halten wird Aufgabe der Ethikkommission sein.

Wir sind sehr froh, dass es gelungen ist, einen allgemein an erkannten Staatsvertrag zu schaffen, an dem mehrere Länder beteiligt sind. Die Benennung der in der Ethikkommission vertretenen acht Mitglieder wurde unter den Ländern einver nehmlich abgestimmt. Die Messlatte ist sehr hoch. Das be deutet auch, dass die entsprechenden Entscheidungen mit ei ner sehr großen Verantwortung getroffen werden.

Es ist vorgesehen, dass dem Sozialministerium jährlich be richtet wird. Ich könnte mir vorstellen, dass z. B. auch wir, der Landtag, die Möglichkeit erhalten, diese Informationen zu bekommen, um auf diese Weise beteiligt zu werden.

Ich finde, dass die Ethikkommission so, wie sie jetzt zusam mengesetzt ist, auch ein sehr gutes Beispiel dafür ist, dass wir die Verantwortung in wissenschaftliche Hände, in moralischethische Hände geben und durchaus auch delegieren. Wir ma chen es also nicht so wie beispielsweise Bayern: Dort wird die Ethikkommission nur für den Freistaat Bayern eingesetzt, und der Landtag als politische Ebene behält sich ein Vetorecht vor. Das kann nicht in unserem Sinn sein. Ich finde, wenn man eine solche Ethikkommission einrichtet und sie umfassend und hochkarätig besetzt, muss man auch das Vertrauen haben, dass dort nach den entsprechenden Grundsätzen entschieden wird.

Insofern sind wir froh über dieses Konstrukt, das da jetzt ent standen ist, und unterstützen die Landesregierung dabei, die sen Staatsvertrag zu ratifizieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Wahl.

Frau Präsidentin, werte Kollegin nen und Kollegen! Das ist kein leichtes Thema jetzt kurz vor der Sommerpause. Es ist jedoch wichtig, dass wir an dieser Stelle darüber reden und zum ersten Mal eine Debatte über die Präimplantationsdiagnostik hier in diesem Haus führen.

Das ist eine schwierige Debatte, und es ist auch für jeden ei ne persönliche Einschätzung, wie man mit diesem Thema um geht. Auch ich persönlich habe mich mit diesem Thema nicht leichtgetan. Das ging ja über alle Fraktionen im Bundestag so.

Über die Grundsatzfrage haben nicht wir zu entscheiden; denn der Rahmen wurde vom Bund gesetzt. Ich denke, deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir auf dem Weg zu einem Staatsvertrag sind, in dem Baden-Württemberg und verschie dene andere Länder gemeinsam regeln, wie wir auf angemes sene Weise mit dem vom Bund gesetzten Rahmen umgehen werden. Gerade die Ethikkommission ist, denke ich, ein ganz bedeutender Punkt. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit ande ren Ländern zusammenarbeiten. Auf diese Weise können Sy nergien genutzt und kann Wissen zusammengeführt werden; wir haben auch die Hoffnung, dass die Zahl der Anträge zu diesem Thema nicht allzu groß sein wird.

Umso mehr freut mich, dass an dieser Stelle die Landesärzte kammer Baden-Württemberg die Verantwortung übernommen hat. Federführend ist diese Kommission also hier im Land an gesiedelt.

Ich denke, wir tragen auch hinsichtlich der Auswahl der Mit glieder dieser Ethikkommission gemeinsam Verantwortung. Denn eines muss klar sein: Wie auch immer man persönlich dazu steht – es gilt der vom Bund vorgegebene gesetzliche Rahmen. Das heißt, wir müssen bei der Benennung der Mit glieder auch darauf achten, dass absolute Befürworter und ab solute Verweigerer nur schwer in ein solches Gremium zu in tegrieren sind. Deshalb ist in der jeweiligen Einzelsituation, die vorliegt, ein ganz behutsamer Umgang zu gewährleisten.

Uns ist ferner wichtig – Kollegin Mielich hat das schon ange sprochen –, dass ein Austausch über die Arbeit der Ethikkom mission stattfindet. In § 5 des Staatsvertragsentwurfs sind die Berichtspflicht und der Informationsaustausch unter den be teiligten Ländern geregelt. Auch uns ist es natürlich wichtig, dass auch die Landtage beteiligt werden. Wir wünschen uns, dass es da auch einen regelmäßigen Austausch gibt, weil wir in diesem Bereich wirklich kein einfaches Neuland betreten und weil gerade da natürlich die parlamentarische Diskussi on zumindest ein ganz wichtiger Punkt ist.

Ich möchte die Debatte jetzt nicht in die Länge ziehen, danke aber noch der Landesregierung an dieser Stelle für die kons truktive Rolle, die sie zusammen mit den Regierungen der an deren beteiligten Bundesländer gespielt hat,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

aber natürlich auch der Landesärztekammer, die ebenfalls nicht vor leichten Debatten stand, sich diesen gestellt hat und die besondere Verantwortung in diesem Bereich übernommen hat.

Herzlichen Dank und eine schöne Sommerpause.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Präimplantati onsdiagnostik ist nach dem Embryonenschutzgesetz nur in

strengen Ausnahmefällen bei Gefahr oder schwerwiegenden Erbkrankheiten oder dem Risiko des Todes oder der Fehlge burt anzuwenden. Seit Februar 2014 schreibt die Verordnung zur Regelung der PID vor, dass man diese nur in zugelasse nen PID-Zentren durchführen darf und – als Voraussetzung – dass die Ethikkommission zustimmen muss.

Ich glaube, dass wir mit dem im Entwurf vorliegenden Staats vertrag, an dem sich sechs Bundesländer beteiligen, den rich tigen Weg beschreiten, um auch der Sensibilität dieses The mas Rechnung zu tragen.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang noch an ein Ge spräch im Sozialausschuss im vergangenen Jahr mit Landes bischof Dr. July, in dem wir auch diese Thematik wirklich in ausführlicher Form diskutiert haben. Heute können wir – Frau Kollegin Mielich hat es gesagt – aus zeitlichen Gründen nicht ausführlicher diskutieren. Die geführte Diskussion zeigt auch die Tiefe dieser Thematik auf.

Die Ethikkommission umfasst acht Mitglieder, die eben nicht nur aus dem medizinischen Bereich kommen, sondern – das halte ich für wichtig – auch aus anderen Bereichen; vertreten sind auch Sachverständige für Ethik, Sachverständige für Recht, Patientenvertreter und Vertreter aus dem Bereich der Organisationen von Menschen mit Behinderungen. Ich glau be, damit hat die Ethikkommission auch die richtige Beset zung, um umfassend entscheiden zu können.

Bei der Organisationsform haben wir, glaube ich, mit der An siedlung bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg die richtige Struktur gewählt. Insofern begrüßen wir die Regelun gen, die der Staatsvertrag für die Bundesländer Baden-Würt temberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen vorsieht.

Unsere Fraktion – ich spreche sicherlich auch für die Mitglie der des Sozialausschusses – hat die Bitte, dass der jährliche Bericht, der an das Sozialministerium geht, auch dem Sozial ausschuss zur Verfügung gestellt wird, damit wir Gelegenheit haben, dieses Thema auch im Sozialausschuss zu besprechen. Das hilft uns natürlich auch in der weiteren Diskussion. Des wegen möchte ich an dieser Stelle diese Bitte zum Ausdruck bringen. Die Frau Sozialministerin wird dieser Bitte mit Si cherheit dann nachkommen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Altpeter.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Landesregie rung beabsichtigt, mit den Ländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen einen Staatsvertrag über die gemeinsame Errichtung einer Ethikkommission für Präim plantationsdiagnostik bei der Landesärztekammer BadenWürttemberg abzuschließen. Im Hinblick auf den Beschluss der Landesregierung vom 11. Juni 1979 und die zwischen Landtag und Landesregierung getroffenen Absprachen darf ich Ihnen hiervon Kenntnis geben.

Es handelt sich bei der Präimplantationsdiagnostik um ein sehr sensibles Thema, bei dem grundlegende ethische Fragen zu beachten sind. Der Gesetz- und Verordnungsgeber auf Bun desebene hat deshalb durch das Embryonenschutzgesetz und die PID-Verordnung richtigerweise die PID nur unter engen Voraussetzungen zugelassen. Die PID darf nur durchgeführt werden, wenn die Gefahr einer schwerwiegenden Erbkrank heit des Kindes oder einer Tot- oder Fehlgeburt aufgrund die ser Erkrankung besteht.

Die PID darf nur in zugelassenen PID-Zentren durchgeführt werden, und zuvor muss die Frau, die die Untersuchung wünscht, ein zustimmendes Votum der Ethikkommission ein holen.

Die Länder haben die Vorgaben des Embryonenschutzgeset zes und der PID-Verordnung umzusetzen. Dabei sieht die PIDVerordnung vor, dass sich die Länder bei der Bildung von Ethikkommissionen zusammenschließen können.

Deshalb haben wir in Baden-Württemberg gern die ursprüng lich von der Landesärztekammer ausgehende Initiative aufge griffen und federführend die Errichtung einer gemeinsamen Ethikkommission für die PID durch einen Staatsvertrag mit den genannten Ländern vorangetrieben. Denn die Landesärz tekammer ist fachlich und organisatorisch bestens geeignet, die Aufgaben der Ethikkommission zu übernehmen, und die beteiligten Länder tragen mit dem Staatsvertrag der Intention des Gesetzgebers Rechnung, möglichst konzentrierte Struk turen für die Durchführung der PID zu schaffen.

Im Anschluss an die heutige Kenntnisnahme durch den Land tag werde ich den Staatsvertrag für Baden-Württemberg un terschreiben. Der Staatsvertrag beinhaltet verschiedenste Klauseln, u. a. eine Klausel zur Haftpflichtversicherung, zum Haftpflichtrisiko, das durchaus auch hier – wie bereits in an deren Fällen – greifen kann. Deswegen war es ganz wichtig, dies mit aufzunehmen.

Ich werde also im Anschluss an die Kenntnisnahme den Staatsvertrag unterschreiben. Anschließend wird die Landes regierung dem Landtag den Entwurf eines Zustimmungsge setzes zum Staatsvertrag zur Beratung und Beschlussfassung zuleiten.

Ich würde es im Sinne der ethischen Dimension des Ganzen, die wir heute sicherlich nur an der Oberfläche streifen kön nen, gut finden, wenn wir uns die Zeit nähmen, das Thema dann noch einmal im zuständigen Ausschuss, aber auch im Landtag zu beraten. Das ist kein Thema, das sich für partei politische Auseinandersetzungen eignet, sondern ein Thema, das, glaube ich, von uns auch in seiner ethischen Dimension erfasst werden muss und bei dem sich jeder auch auf der Grundlage seiner Werte eine eigene Meinung bilden muss.