Protokoll der Sitzung vom 08.10.2014

Wir brauchen ähnlich wie im Bund – das kann uns ein Vor bild sein – ein Bündnis für Wohnungsbau, einen Wohnungs baudialog – ich habe das hier schon einmal vor eineinhalb Jah ren angeregt –, eine wohnungsbaupolitische Allianz mit allen

Beteiligten, der Regierung und den Fraktionen – mit sämtli chen Fraktionen, nicht nur mit den Regierungsfraktionen, wie Sie das immer so schön machen –, der Wohnungswirtschaft, den Mieterverbänden, den kommunalen Landesverbänden und vor allem auch dem baden-württembergischen Handwerk.

Wie können wir dieser Wohnungsknappheit effektiver begeg nen? Wir müssen den Wohnungsbau ankurbeln, einfache ziel gerichtete Landesförderprogramme für den sozialen Woh nungsbau auflegen, aber für ganz Baden-Württemberg und nicht, wie Sie es immer machen, nur für Städte. Wir brauchen verbesserte Eigenheimprogramme für junge Familien in ganz Baden-Württemberg. Denn ein Eigenheim schützt vor Alters armut.

Ich fordere Sie auf, endlich dem Wunsch des Mieterbunds und der Wohnungswirtschaft nachzukommen und die Programme ähnlich wie in Bayern auszugestalten. In Bayern werden die Mittel zu 100 % vom Bund aufgestockt und beträgt das Pro grammvolumen 200 Millionen €. Wenn Sie nur einen Teilbe trag des Aufkommens aus der erhöhten Grunderwerbsteuer in den Wohnungsbau geben würden, würden schon viele neue Wohnungen geschaffen.

Was brauchen wir noch? Wir brauchen Attraktivität im länd lichen Raum. Heute Morgen haben wir unter Tagesordnungs punkt 1 über die Breitbandversorgung gesprochen; machen Sie sich da auf den Weg. Wir brauchen verbesserte ÖPNVNetze. Die Nahversorgung im ländlichen Raum muss gesi chert werden. Dadurch schaffen wir im ländlichen Raum wie der mehr Wohnraum. Wir wollen keine Landflucht; wir brau chen mehr Wohnungen auf dem Land, meine Damen und Her ren.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Kein Applaus bei der CDU! Schwach!)

Wir fordern die Landesregierung auf, vor allem ein Thema an zugehen, nämlich die Konversion. Es gibt in Baden-Württem berg 35 Städte und Gemeinden, die vor leeren Kasernen stehen. Hierzu kommt von der grün-roten Landesregierung nichts. Bitte unternehmen Sie endlich etwas. Nehmen Sie auch hier Geld in die Hand, ähnlich wie in Mannheim. In Mannheim kommt die Unterstützung aber leider nicht vom Land. Dort hat der Gemeinderat selbst beschlossen, mit Wohnungsbauin vestoren zusammenzuarbeiten. Machen Sie sich auf den Weg.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Dann haben wieder alle Freude am Wohnen, es gibt weniger Studenten, die Wohnungen suchen, weniger Menschen, die bei Maklern vor der Tür stehen, auch nicht mehr 20 Mietwoh nungssuchende pro Wohnung. Machen Sie sich endlich auf den Weg, und schauen Sie bitte nicht immer nur auf den Bund, sondern machen Sie selbst etwas.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol legin Lindlohr.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist ein attrakti

ver Wohnort für immer mehr Menschen. Eine Folge des Wohl stands und der sehr guten Arbeitsmarktsituation im Land ist, dass die Preise fürs Wohnen deutlich steigen. Das betrifft, wie vielleicht in anderen Bundesländern auch, natürlich viele Stadtkreise. Die Besonderheit der Situation in Baden-Würt temberg ist, dass es hier auch Landkreise gibt, in denen der Druck auf dem Wohnungsmarkt riesig groß ist. Dies betrifft gerade die Landkreise in der Grenzlage zur Schweiz. Deswe gen ist es gerade für uns, den Landtag von Baden-Württem berg, eine ganz besondere Aufgabe, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir mit dem Problem der stark steigenden Miet preise bzw. Baupreise insgesamt umgehen können.

Wir, die Grünen, haben dabei ein ganz wichtiges Ziel. Die Idee der europäischen Stadt – das gilt auch für das europäische Dorf – ist, dass Menschen aller Schichten zusammen wohnen. Wenn man den Wohnungsmarkt jedoch dem freien Spiel der Kräfte überlässt, wie es gerade Kollege Haußmann gefordert hat, gibt es Gegenden für Reiche und Gegenden für die ande ren. Das ist aber nicht die Idee, wie wir in Europa zusammen wohnen möchten. Deswegen gibt es nach wie vor lebendige, durchmischte Städte, und wir wollen das erhalten. Das ist wichtig für Baden-Württemberg. Wir haben eine dezentrale Tradition. Dazu gehören lebendige Groß- und Mittelstädte, und das wollen wir erhalten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Fraktion der FDP/DVP hat diese Aktuelle Debatte bean tragt. Wir haben gehört, dass es ihr darum gehe, Wohnraum zu schaffen, statt eine Mietpreisbremse einzuführen. Sie wol len also neuen Wohnraum statt Regeln für bezahlbaren Wohn raum. Das unterscheidet Sie von uns. Wir wollen neuen Wohn raum u n d Regeln für bezahlbaren Wohnraum.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Vielleicht fehlt Ihnen einfach wohnungsbaupolitische Kreati vität. Wir von Grün-Rot haben sie.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Klare Planwirtschaft! Fal scher Plan! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Wohnungswirtschaft war schon immer gere gelt!)

Der Kollege hat es vorhin hineingerufen: Wie sieht es eigent lich mit dem Neubau, den wir alle wollen, in den nachgefrag ten Regionen aus? Das ist im Land durchaus verschieden. Wir sehen, dass der Markt auf die steigende Nachfrage durchaus reagiert. 2008 gab es im Land 23 000 fertiggestellte neue Wohnungen, 2013 waren es 33 000 Wohnungen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zurufe von den Grünen und der SPD: Ah!)

Das ist ein Anstieg um über 40 % innerhalb von fünf Jahren. Der Anstieg war kontinuierlich, und das ist ein Zeichen dafür, dass der Markt durchaus schon funktioniert und neuen Wohn raum schafft, auch wenn es sicherlich noch mehr sein kann. Es passiert einiges.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist doch Be tongold! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Das sind Wohnungen, Häuser mit Dach!)

Das, was passiert, reicht aber sicherlich nicht aus, um das Überschäumen einzelner Märkte zu verhindern, und dieses Überschäumen gibt es. Das zeigt sich gerade bei Neuvermie tungen.

Wenn Sie den Gesetzentwurf aus Berlin gelesen haben, über den Sie heute hier diskutieren wollten, erkennen Sie, dass sich die Angebotsmieten von den ortsüblichen Vergleichsmieten unterscheiden. Dabei liegt Baden-Württemberg mit vielen Städten ganz weit oben. Dies betrifft beispielsweise Freiburg. Die Angebotsmieten, also das, was neu auf den Markt kommt, liegen 32 % über den ortsüblichen Vergleichsmieten. Das zeigt, dass eine sehr große Nachfrage vorhanden ist.

Benachteiligt werden auf diesem Markt die Menschen, die sich verändern, die einen neuen Job haben, eine Familie grün den oder umziehen müssen. Diese Menschen fallen auf die sen Märkten im Moment ganz schön auf die Nase. Wir sind aber für Mobilität, für Dynamik in unserem Land. Wir wol len die Menschen, die sich beruflich oder familiär verändern, unterstützen. Deswegen ist es richtig, das Thema Mietpreis bremse anzugehen. Wir wollen das, was als Vorlage des Bun des vorhanden ist, hier im Land schnell umsetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wie das funktioniert, haben wir hier schon besprochen: Bei Neuvermietungen darf die Miete maximal 10 % über der orts üblichen Vergleichsmiete liegen. Das ist ein Instrument, das zwar in den Markt eingreift, aber gerade in unseren sehr stark nachgefragten Regionen von Nutzen sein kann.

Natürlich kann das jedoch nicht das einzige Instrument sein, und deswegen machen wir einiges im Land. Zu Recht ist ins besondere die Flächenpolitik der Kommunen angesprochen worden. Es ist schließlich wichtig, dass unsere Kommunen ei ne aktive Flächenpolitik betreiben, selbst Flächen erwerben und mit den Flächen, die ihnen gehören, sorgsam umgehen. Es ist wichtig, dass der Bund die Flächen, die ihm gehören, zu guten Konditionen veräußert. So verfahren nun auch wir seitens des Landes.

Das ist ein sehr wichtiger Schritt, auf den Sie nie gekommen sind. Die Verwaltungsvorschrift ist kürzlich in Kraft getreten; wir hatten die Landeshaushaltsordnung deswegen Ende letz ten Jahres geändert. Wir, das Land, unterstützen nun die Kom munen, wenn sie neuen Wohnraum entweder selbst schaffen oder ein Grundstück, das bisher dem Land gehört hat, an Pri vate veräußern möchten.

Wir verkaufen nicht mehr zwingend zum Höchstpreis. Denn dann müssten wir uns auch nicht mehr wundern, dass das Wohnen teurer wird. Vielmehr sagen wir: Wenn 20 % oder mehr sozialgebundener Mietwohnraum auf diesem Grund stück entsteht, dann kann das Land den Preis senken. Das ist eine kluge, aktive Politik, die das Land hier für bezahlbaren Wohnraum betreibt. Das ist nur ein Beispiel.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Was möchte eigentlich die FDP/DVP? Ich hatte vorhin gesagt, dass die FDP/DVP – das belegen ihre Ausführungen und die heutige Debatte – alle Regeln ablehnt, die dazu dienen, be zahlbaren Wohnraum zu bekommen. Herr Kollege Haußmann

hat vorhin das freie Spiel der Kräfte angemahnt; dieses müs se seiner Meinung nach möglich sein.

In Wahrheit ist aber noch nicht einmal die FDP/DVP in die sem Punkt glaubwürdig. Ich verweise in diesem Zusammen hang darauf, wie das Mietrecht bisher ausgestaltet ist: Wir kennen beispielsweise keinen Antrag der FDP/DVP, der for dern würde, die Kappungsgrenze für Mietpreissteigerungen zu streichen. Das ist eine jahrzehntealte Regel auf dem Miet markt, die vorsieht, dass die Bestandsmieten innerhalb von drei Jahren nur um 20 % erhöht werden dürfen.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: 15 %!)

20 % nach Jahrzehnte geltendem Recht.

Aber es geht noch weiter. Jetzt haben wir 2014. Was war denn 2013? Es galt ein Mietrechtsänderungsgesetz der damaligen schwarz-gelben Koalition; federführend war das FDP-geführ te Bundesjustizministerium. Und was stand in diesem Gesetz? Wie hier schon erwähnt, enthielt es ordnungspolitische Ein griffe in den Mietmarkt. Das war damals von der FDP voran getrieben worden. Es gab eine einheitliche Kappungsgrenze von 20 %. Jetzt ist es rechtlich zulässig, dass Länder in Ge bieten, in denen ein angespannter Wohnungsmarkt herrscht, die Kappungsgrenze für Mietpreissteigerungen von 20 auf 15 % innerhalb von drei Jahren senken.

(Abg. Tobias Wald CDU: Und warum haben Sie es nicht umgesetzt?)

Wenn die FDP Regierungsverantwortung trägt, ist sie anschei nend doch ein bisschen vernünftig und erkennt an, dass es nicht funktionieren kann, auf dem Wohnungsmarkt allein auf das freie Spiel der Kräfte zu setzen. Handelt die FDP aller dings in außerparlamentarischer oder parlamentarischer Op position, hängt sie ihr Fähnchen nach dem Wind. Das haben wir hier schon gesehen. Ich erinnere daran, wie Sie auf ein mal zur großen Anti-Windkraft-Partei geworden sind, weil Sie hoffen, dass Sie das vielleicht aus dem 5-%-Loch holt.

So agieren Sie auch hier bei der Mietpreisbremse. Das, was gestern noch galt, gilt für Sie heute nicht mehr. Sie selbst ha ben in der Vergangenheit vernünftige ordnungspolitische Re geln für den Mietmarkt vorangetrieben und beschlossen. Aber nun sind Sie total dagegen. Das ist nicht glaubwürdig. Noch nicht einmal Haus & Grund hat in Ihnen einen Partner, da Sie sich vor lauter Opportunismus ständig widersprechen. Das ist leider das Ergebnis Ihres Antrags und der von Ihnen beantrag ten heutigen Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Frau Kollegin Lindlohr, gestatten Sie eine Frage des Kollegen Wald?

Vielleicht später. Es kommt ja noch eine Runde.

Für die SPD-Fraktion spricht der Kol lege Stober.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Haußmann, ich war sehr überrascht, als ich gestern den Titel der Debatte

gelesen habe: „Patentrezept für Wohnungsnot:...“. Zum einen glaube ich nicht, dass es ein Patentrezept gibt; vielmehr ist ein Bündel von Maßnahmen notwendig. Zum anderen geht es uns nicht um Rezepte für Wohnungsnot, sondern um Rezepte ge gen Wohnungsnot.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Deshalb ist es uns auch wichtig, dass wir nicht ein Patentre zept entwickeln, sondern ein Maßnahmenbündel erstellen, das in verschiedenen Bereichen greift.

Kollegin Lindlohr hat es schon angesprochen: Wir wollen zu sätzlichen Wohnraum schaffen. Aber da, wo der Markt nicht in der Lage ist, faire Bedingungen zwischen Angebot und Nachfrage zu schaffen, sind letzten Endes ordnungsrechtliche Maßnahmen notwendig. Deswegen müssen wir uns hier breit aufstellen und dürfen uns nicht nur auf die Angebotsseite fo kussieren.