Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die digitale Revolution läutet ei nen tief greifenden Wandel ein. Da haben Sie recht, Herr Mi nisterpräsident. Sie ist keine rein technische Angelegenheit. Sie ist in gleicher Weise ein Megathema für die Wirtschafts-, Gesellschafts-, Rechts- und Bildungspolitik, und sie ist eben auch ein Thema für die innere Sicherheit.
Deshalb freue ich mich, dass ein ehemaliger baden-württem bergischer Ministerpräsident dieses Thema als zuständiger Kommissar auch auf Europaebene voranbringen wird: Gün ther Oettinger. Er stand und steht für innovative, kluge und damit erfolgreiche Politik. Das wollen wir heute, am Tag sei nes Geburtstags, im Landtag von Baden-Württemberg aus drücklich zum Ausdruck bringen.
Herr Ministerpräsident, das Thema ist ihm so wichtig, dass er die heutige Debatte hier im Landtag zum Anlass nehmen wird, bereits heute Abend nach Stuttgart zu kommen.
Meine Damen und Herren, mir hat besonders gefallen – man muss damit beginnen, das Gemeinsame zu definieren, bevor man versucht, sich abzugrenzen –,
dass Sie, Herr Ministerpräsident, die Ausgaben Baden-Würt tembergs für Forschung und Entwicklung als in besonderer Weise herausragend bezeichnet haben. Mir hat besonders ge fallen, dass Sie die große Anschlussdichte Baden-Württem bergs im Bereich schneller Datenleitungen in besonderer Wei se gewürdigt haben. Sie haben damit auch zum Ausdruck ge bracht, dass das immer wieder zitierte Märchen von der Erb last schwarz-gelber Landesregierungen endgültig der Vergan genheit angehört.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns in dem Ziel ei nig, Baden-Württemberg zur Leitregion im digitalen Zeital ter weiterzuentwickeln.
Unsere Heimat ist d i e Wohlstandsregion in Europa. Nicht ohne Grund sind wir stolz auf unsere in den vergangenen Jahr zehnten erarbeiteten Erfolge. Dass Baden-Württemberg heu te so gut dasteht, wie Sie, Herr Ministerpräsident, es darge
legt haben, ist nicht zuletzt auch der Erfolg politischer Ent scheidungen früherer Landesregierungen in Baden-Württem berg. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, liebe Kolle ginnen und Kollegen.
Wirtschaftlicher Erfolg ist kein Perpetuum mobile. Das zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Die einstige Wohlstands region hatte einen entscheidenden Strukturwandel verschla fen. Das Ergebnis an Rhein und Ruhr sind eine hohe Arbeits losigkeit, kaum Geld für Investitionen und hohe Schulden.
Baden-Württemberg steht heute am Scheideweg. Wie bewäl tigt unser Land den sich nun anbahnenden Strukturwandel? Bleiben wir die Ideenschmiede in Europa?
Oder wandern Ideen, Geschäftsmodelle, Arbeitsplätze und da mit Wohlstand in andere Regionen dieser Welt ab? Kurz ge fragt: Bleiben wir vorn, oder werden wir zu einem beschauli chen Museumsdorf? Darum geht es.
Angesichts dieser gewaltigen Aufgabe, die Sie, Herr Minis terpräsident, selbst beschrieben haben, wundert mich Ihre Zu rückhaltung. Eine Regierungserklärung zur Digitalisierung hätten wir uns deutlich ambitionierter gewünscht. Eine kraft volle Zukunftsoffensive sähe anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Bei viel Richtigem in Ihrer Regierungserklärung – das will ich ausdrücklich betonen – war sie gleichwohl aus meiner Sicht ein Mittelding zwischen einer Zustandsbeschreibung und einer Anklageschrift Richtung Berlin. Aber wo ist die wirklich zukunftweisende, gestaltende Handschrift erkenn bar?
Wie wollen Sie unser Land denn fit für die Zukunft machen? Wie soll die notwendige Zukunftsoffensive konkret aussehen? Mit Verzagtheit werden wir diesen strukturellen Umwälzungs prozess nicht bewältigen können.
hat die Chance, sich mit der Position des politischen Gegners auseinanderzusetzen. Diese Chance möchte ich Ihnen einräu men, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Staatsse kretär Jürgen Walter: Wo sind die konkreten Vor schläge?)
Herr Ministerpräsident, zu Recht loben Sie Lothar Späth. In Sachen Innovation hatten frühere Landesregierungen mehr Ideen, größere Ambitionen und wirklichen Biss. Lothar Späth brachte jeden Tag mindestens fünf Ideen ins Staatsministeri um.
Mindestens zwei davon hatten die Chance, auch umgesetzt zu werden. Eine solche Ideenschmiede im Staatsministerium wünschen wir uns wieder.
Dabei geht es bei einer durchdachten Zukunftspolitik nicht um ein einfaches Höher und Weiter. Für uns muss der Fort schritt intelligent sein. Er muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.
Wie die Erfindung des Buchdrucks oder der Dampfmaschine hat auch die digitale Revolution als eine revolutionäre Inno vation eine enorme Sprengkraft im positiven wie im negati ven Sinn. Mir ist wichtig, dass wir beide Entwicklungen recht zeitig erkennen und für unsere Politik die Chancen im Auge behalten, damit wir sie für Baden-Württemberg nutzen.
Beispielsweise können wir den Innovationsvorsprung, den das Ländle als führender Innovations- und Produktionsstandort auf dem Weg in das digitale Zeitalter hat, deutlich weiterent wickeln. Schon jetzt sind in einem Premiumauto aus schwä bischer Produktion mehr Computerchips verbaut als in einem Spaceshuttle.
Auch können wir die Innovationskraft unseres in vielen Be reichen international führenden Mittelstands weiter stärken.
Herr Kollege, dass Sie das Wort „Spaceshuttle“ irritiert, mag ja sein. Aber lassen Sie zumindest uns über Zukunftsthemen diskutieren.
Im Übrigen fallen Sie mir, lieber Kollege Walter, heute durch eine extreme Leidenschaft auf. Diese Leidenschaft hätte ich mir z. B. gewünscht, als es um die Zukunftsfähigkeit der Mu sikhochschulen in Baden-Württemberg gegangen ist.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Bravo-Rufe von der CDU – Zuruf des Staatssekre tärs Jürgen Walter)
Auch können wir die Innovationskraft unseres in vielen Be reichen international führenden Mittelstands weiter stärken. Schon heute können neue Produkte wie etwa neue Motorrä der durch virtuelle Simulation entwickelt werden. Das heißt, es müssen keine echten Prototypen mehr von Hand gebaut werden. Das spart Zeit und sichert damit den Vorsprung hei mischer Ingenieurkunst vor billigen Imitaten.
Aber wir müssen auch die Gefahren der Digitalisierung im Blick behalten – Herr Ministerpräsident, Sie haben es ange sprochen –, damit wir sie für die Menschen in Baden-Würt temberg abfedern können. Die Menschen müssen in den Pro zess der Digitalisierung eingebunden werden. Es dürfen kei ne Parallelwelten entstehen. Es droht eine gesellschaftliche Spaltung: Wer nimmt teil an den Chancen der digitalen Welt? Wer bleibt zurück? Neuerungen im gleichen Ausmaß wie et wa die Umstellung von der Schreibmaschine auf den PC wird künftig jeder in seinem Erwerbsleben – möglicherweise mehr mals – mitmachen. Wir müssen dafür sorgen, dass hierbei auch jeder und jede mitkommt.