Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

Herr Kollege Wolf, Sie haben gesagt, wir sollten nicht über heblich sein. Ich habe bewusst nicht gesagt: „So gut regiert man ein Land“, sondern ich habe gesagt: „So regiert man ein gutes Land.“ Wenn Sie aber zum Schluss der Meinung sind, dass wir das Prädikat „gut“ auch vor das Regieren stellen sol len, dann nehmen wir das dankbar an. Es ist immer besser, wenn andere einen als gut beurteilen, als wenn man dies selbst tut.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einige we nige Anmerkungen zu dem machen, was noch hinzugekom men ist. Der Wirtschaftsminister hat euphorisch über die Ent wicklung des Bruttoinlandsprodukts berichtet. Diese Entwick lung ist in der Tat erfreulich. Diese Entwicklung führt auch zu den Steuereinnahmen, die es Ihnen trotz hoher Ausgaben hof fentlich im Jahr 2016 ermöglichen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Entwicklung des Bruttoinlandspro dukts ist jedoch ganz sicher nicht auf das Regierungshandeln der grün-roten Koalition zurückzuführen, meine Damen und Herren,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber natürlich!)

sondern ist das Verdienst der Unternehmen in Baden-Würt temberg und der Menschen, die in diesen Unternehmen arbei ten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Man kann, glaube ich, dieser Debatte für die Erkenntnis da rüber dankbar sein, wie widersprüchlich Sie im Zusammen hang mit dem Ausbau der Breitbandversorgung argumentiert haben. Zunächst haben Sie erklärt: „Das machen wir schon. Die wirtschaftlichen Erfolge und die Erfolge bei der Digitali sierung sind unsere Erfolge. Denn wir geben viel mehr Geld aus als die Vorgängerlandesregierung.“ Nach der entsprechen den Zwischenfrage mussten Sie aber einräumen, dass es sich lediglich um eine Absichtserklärung handelt, vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags. Wir gehen davon aus, dass diese kommen wird.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na also! Wo ist dann das Problem?)

Wenn Sie das Geld anschließend ausgegeben haben, können Sie sich auch dafür loben. Sie können hier aber nicht einer seits erklären, die Wirtschaft laufe wunderbar, das sei Ihr Ver dienst, weil Sie so viel Geld für die Breitbandversorgung aus geben, und andererseits geben Sie hinterher zu, dass dies le diglich ein Vorhaben für die Zukunft sei. Meine Damen und Herren, das ist eine unredliche Argumentation.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich bin Kollegin Sitzmann dankbar, dass sie zugegeben hat, dass es trotz der Schließung eines Standorts noch Technikfol genabschätzung gibt. Es ist nicht entscheidend, dass jeder Standort erhalten bleibt. Entscheidend ist vielmehr, dass es die Möglichkeiten zur Technikfolgenabschätzung gibt. Ich würde mir ganz konkret wünschen, dass die Landesregierung Einfluss darauf nimmt; denn eine Folgenabschätzung für das Verhältnis von Mittelstand und Datensicherheit – das kann ich nicht oft genug wiederholen – ist notwendig.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das Thema „Mittelstand und Datensicherheit“ wird zentral sein. Wie Kollege Schmiedel eingeräumt hat, geht es nicht, dass man einfach nur vorausmarschiert und sagt: „Das wird schon alles“, wenn gleichzeitig klar ist, dass viele Mittelständ ler, die sich auf die Digitalisierung einlassen, möglicherwei se von ihren Geschäftsgeheimnissen, von ihren Innovationen nichts mehr geheim halten können.

Herr Kollege Schmiedel, Sie haben richtiggestellt, Sie hätten die ökonomische Macht dieser Riesen nicht verklärt darge stellt, sondern Sie hätten nur auf den Sachverhalt hingewie sen. Okay. Wenn Sie jedoch auch nur darauf hinweisen, dann ist schon klar, welches Machtungleichgewicht zwischen die sen ökonomischen Riesen und dem Mittelstand in BadenWürttemberg besteht. Deshalb ist es wichtig, bei der Frage In dustrie 4.0, bei der Frage der digitalen Revolution nicht nur die Chancen zu sehen – das auch –, sondern auch die Risiken.

Hierfür brauchen wir eine ausgewogene Strategie, die insbe sondere berücksichtigt, dass sich die strukturelle Benachtei ligung des Mittelstands gegenüber den Riesen, die Sie genannt haben, durch die digitale Revolution möglicherweise noch verstärkt. Deshalb kann es nicht die Aufgabe einer Landesre gierung sein, eine Schlüsselinnovation, die ohnehin bereits mit Macht vorandrängt, noch weiter zu schieben. Sie muss vielmehr die richtigen ordnungspolitischen Rahmenbedingun gen setzen.

Herr Kollege Schmiedel, wenn Sie sich nun mit dem Kolle gen Wolf über die Frage, ob das Land oder die Regierung gut beurteilt sind und wer was für sich in Anspruch nimmt, aus einandersetzen, kann ich Ihnen nur sagen: Es ist nicht das Ent scheidende, ob Sie selbst sich gut beurteilen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Er hat uns gut beur teilt!)

auch nicht, ob Kollege Wolf Sie gut beurteilt, sondern das Ent scheidende ist, ob diese Regierung in der Realität gut arbei tet. Da sind Sie die Einzigen, die zu diesem Urteil gelangen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: 62 % sagen, die Regierung arbeitet gut!)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Bevor wir in die Mittagspause eintreten, habe ich noch einen Hinweis für Sie: Gleich im Anschluss findet in der Mittags pause der Plenarsitzung im Haus der Abgeordneten die Eröff nung des Ausstellungsprojekts „Faire Arbeitsmigration. Men schen – Herausforderungen – Ziele“ statt. Ich lade Sie hierzu sowie zu einem anschließenden Imbiss nochmals ganz herz lich ein.

Wir setzen unsere Sitzung nach der Mittagspause um 14:00 Uhr fort.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:51 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:00 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Regierungsbefragung

Von der Fraktion GRÜNE wurde hierzu das Thema

H o c h s c h u l f i n a n z i e r u n g

angemeldet.

Ich erteile zunächst Herrn Abg. Dr. Schmidt-Eisenlohr das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute gern das Thema Hochschulfinanzierung ansprechen. Anlass hierfür ist eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, über die wir in den letzten Tagen auch mehrfach in der Presse lesen konnten. Ich war sehr erstaunt über die Ergebnisse dieser Studie und über die Einschätzungen, die darin zum Ausdruck kommen.

In dieser Studie wurde für die Jahre 2000 bis 2011 sehr aus führlich analysiert, welche Veränderungen es in den einzel nen Bundesländern bei den Ausgaben für den Wissenschafts betrieb und für die Hochschulen gab. Es wurde dargestellt, wie der Bund und die Länder die Hochschullehre ausfinanzie ren und welche Priorität der Hochschulbereich in den jewei ligen Landeshaushalten hatte.

Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich aus einem Bericht in SPIEGEL ONLINE über diese Studie kurz zitieren:

In zwölf der 16 Bundesländer wurde im Jahr 2011 weni ger Geld pro Student ausgegeben als elf Jahre zuvor....

Neben Sachsen-Anhalt fuhren auch Baden-Württemberg, Berlin und Thüringen ihre Ausgaben pro Student deutlich zurück, jeweils um mehr als 2 000 € pro Jahr oder mehr als ein Fünftel.

Die entsprechenden Tabellen in dieser Studie belegen dies sehr deutlich.

Ich bin darüber wirklich sehr erstaunt. Denn das Thema Wis senschaft stand bei der Vorgängerregierung doch immer an sehr prominenter Stelle; dies war angeblich einer der wich tigsten Bereiche.

Die Ergebnisse dieser Studie bestärken mich in der Einschät zung, die ich in vielen Debatten hierzu schon formuliert ha be: Die Solidarpakte I und II waren im Grunde reine Sparpak te, die zulasten der Hochschulen und zulasten ihrer Substanz gingen, und es ist einzig den Universitäten und den anderen Hochschulen selbst zu verdanken, dass diese trotzdem auf ih rem enorm hohen Niveau geblieben sind, obwohl das Land bis zum Jahr 2011 die Ressourcen Schritt für Schritt zurück gefahren hat.

Für mich sind diese Ergebnisse keine Überraschung; sie be stätigen uns vielmehr in unserer Kritik, die wir bei den letz ten Debatten bereits vorgebracht haben.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Wissenschaftsministe rin, wie sie diese Aussagen bewertet und welchen Eindruck sie von den Zahlen hat, die für Baden-Württemberg besagen, dass zwischen 2000 und 2011 ein ausgesprochen starker Rück gang der Ausfinanzierung pro Studierendem stattgefunden hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Für die Landesregie rung erteile ich Frau Ministerin Bauer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erwähnte Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ist mir bekannt, und ich habe sie mit großem Interesse gele sen. Sie hat auch bundesweit einen erheblichen Niederschlag in der Presse gefunden.

Ich habe diese Studie in meinem Haus noch einmal prüfen las sen. In der Tat ist in dieser Studie, die in Zusammenarbeit mit einem bildungsökonomischen Institut angefertigt wurde, sau ber gerechnet worden. Die Analyse der Konrad-AdenauerStiftung ist zutreffend: Das letzte Jahrzehnt war in vielen Län dern für viele Universitäten und andere Hochschulen kein Jahrzehnt des Fortschritts, sondern ein Jahrzehnt des Still stands und teilweise auch des Rückschritts. Dies zeigt sich, wenn man die Entwicklung der Finanzierung – und zwar nicht nur der Grundfinanzierung, sondern auch der Zweitfinanzie rung – betrachtet.

In besonderer Weise fällt hierbei Baden-Württemberg auf. Das letzte Jahrzehnt war für Baden-Württembergs Universitäten und andere Hochschulen ein Jahrzehnt des Rückschritts, was die finanzielle Basis betrifft. Ein Rückgang des Finanzierungs volumens um 22 %, das ist enorm. Er belegt in der Tat, dass die Solidarpakte I und II Pakte waren, die zulasten unserer

Hochschulen gingen. Es waren die Hochschulen, von denen als Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts Solidari tät verlangt wurde.

Ich fand es heute Morgen bemerkenswert, als unser Landtags präsident im Zusammenhang mit dem Thema Digitalisierung gesagt hat, wie wichtig es sei, dass Baden-Württemberg die Nase vorn habe. Er fragte: „Bleiben wir vorn, oder werden wir zu einem beschaulichen Museumsdorf?“ In Bezug auf die Hochschulen muss man sagen: Das letzte Jahrzehnt war für die Hochschulen ein verlorenes Jahrzehnt. Da hat man so enorm an Dynamik und Geschwindigkeit verloren, dass wir jetzt mit dem neuen Hochschulfinanzierungsvertrag erst wie der Geschwindigkeit aufnehmen müssen. Wenn man ein Jahr zehnt lang auf der Bremse stand, ist dies aber nicht so leicht wiedergutzumachen.