Sich allein darauf zu beziehen, dass früher einmal etwas pas siert ist, was Sie vielleicht zu Recht kritisiert haben – Sie dür fen mir eine größere Kritikfähigkeit unterstellen, als Sie das gemeinhin tun –, öffnet nicht den Blick nach vorn. Das wäre die beste Basis dafür, zu sagen: Das ist ein guter Vorschlag; da machen wir mit. Gemeinsamkeit kann bei dieser großen Herausforderung der Schlüssel zum Erfolg sein.
Mit Blick auf Sie, Herr Minister Schmid, möchte ich in ganz besonderer Weise auf die notwendige Balance zwischen den Zentren und Großstädten einerseits und den ländlichen Räu men andererseits hinweisen. Ich nehme jetzt nicht Bezug auf frühere Aussagen von Repräsentanten dieser Landesregierung.
die Tatsache, dass es in Baden-Württemberg kein Stadt-LandGefälle gibt, immer in besonderer Weise Bestandteil der Er folgsgeschichte Baden-Württembergs war. Wir sind gut bera ten, diese Balance auch in der Zukunft einzuhalten und zu be wahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei dem, was ich von man chem aus den Regierungsfraktionen gehört habe, überwiegt nach meinem Eindruck die Selbstzufriedenheit. Selbstzufrie denheit befördert jedoch Rückschritt, während Ehrgeiz den Fortschritt mobilisiert.
Wenn man das parteipolitische Geplänkel, das es an einem solchen Tag aus allen Fraktionen dieses Hauses auch rituali siert geben mag, einmal ausblendet und sich darauf zurück zieht, auf das Gemeinsame zu rekurrieren, wenn wir die Kraft aufbringen, die Vorschläge der Gegenseite nicht schlechtzu reden,
sondern aufzunehmen und aus allem gemeinsam ein Paket zu schnüren, dann haben wir die Chance in diesem Haus, die rie sengroße Herausforderung der digitalen Revolution in einer gemeinsamen Kraftanstrengung anzugehen. Dafür will ich werben und plädieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kollege Schmiedel hat dazu fast einen guten Satz geprägt. Wenn man diesen Satz etwas umstellen würde, würde er noch besser. Kollege Schmiedel hat am Schluss gesagt:
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ja, ich stehe dazu: Baden-Württem berg ist gut aufgestellt. Das ist auch wichtig. Baden-Württem berg ist bei der Digitalisierung bzw. bei Industrie 4.0 nicht nur gut dabei, sondern unsere Wirtschaft bzw. unsere Unterneh men treiben diese Entwicklung weltweit mit voran. Das ist gut so. Daran können Sie auch nicht herumkritteln. Davon gehe ich zumindest aus.
Selbstverständlich ist klar, dass das eine rasante Entwicklung ist und dass man sich niemals auf dem Erreichten ausruhen kann. Das gilt für jedes Unternehmen in Baden-Württemberg.
Das müssen wir aber keinem Unternehmen in Baden-Würt temberg sagen. Die Unternehmen wissen das nämlich selbst. Das gilt selbstverständlich auch für die Politik, die Landesre gierung.
Wir haben anhand einer Vielzahl von Aspekten in dieser De batte beleuchtet, worum es bei der Digitalisierung geht. Das ist ein wirtschaftspolitisches Thema. Das ist ein Thema, das sicherlich den zukünftigen Erfolg der baden-württembergi schen Wirtschaft prägen wird. Dadurch wird aber auch die Ar beitswelt komplett umgestaltet werden. Der Kollege Schmie del hat darauf und auch auf die Gefahren prekärer Beschäfti gungsverhältnisse hingewiesen.
Beispielsweise wird mit Telearbeit, die in unserer Finanzver waltung bereits besteht, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht. Aber es besteht das Risiko, dass man in folge der Telearbeit von einer Arbeits- und Kommunikations kultur innerhalb einer Verwaltung oder eines Unternehmens abgehängt wird. Telearbeit kann auch dazu führen, dass prak tisch nie Feierabend ist. Das Thema Work-Life-Balance spielt beim Thema „Arbeitsbedingungen der Zukunft“ eine entschei dende Rolle.
Heute kann doch niemand behaupten, dass wir alle Implika tionen, die mit dieser Revolution bzw. dieser herausragenden Entwicklung einhergehen, schon hinreichend abgedeckt hät ten.
Das gilt selbstverständlich auch für die Technikfolgenabschät zung, Herr Kollege Wolf. Es gibt nach wie vor noch Technik folgenabschätzung. Die damals CDU-geführte Regierung hat zwar die Akademie für Technikfolgenabschätzung abge schafft, es gibt jedoch an der Uni in Stuttgart, am Fraunhofer ISI in Karlsruhe sowie am ITAS des KIT Technikfolgenab schätzung. Wir werden diese im Zusammenhang mit dieser Technologie auch in Zukunft brauchen.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich hören wir gern, dass Sie sich für eine Balance zwischen Stadt und Land ein setzen. Das tun auch wir – dies habe ich an verschiedenen Bei spielen deutlich gemacht –, und zwar sowohl bei der Struktur unserer Hochschullandschaft als auch beim Thema Breitband infrastruktur. Selbstverständlich gilt das auch für den gesam ten Bildungsbereich. Das ist auch einer der Hauptgründe, wa rum wir regionale Schulentwicklung machen. Für jedes Kind, egal, wo in Baden-Württemberg es wohnt, soll ein guter Schulabschluss auf den unterschiedlichen Niveaus erreichbar sein. Unsere Stärke liegt darin, dass es in Baden-Württemberg nur strukturstarke und keine strukturschwachen Räume gibt.
All das, was Minister Schmid aufgezeigt hat, gibt uns allen Grund dazu. Trotzdem werden wir uns auch in Zukunft nicht auf Erreichtem ausruhen. Man muss vielmehr ständig dran bleiben. Das gilt für die Wirtschaft, und das gilt für die Lan despolitik.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Herr Kollege Rülke, ich habe über die digitalen Riesen in den USA nicht verklärt berichtet, sondern nur versucht, die ökonomischen Verhältnisse und damit auch die ökonomische Macht, die sich hinter dieser Entwicklung verbirgt, aufzuzeigen. Da gibt es natürlich Handlungsbedarf. Diese Problematik lösen wir nicht im Landtag von BadenWürttemberg. Wir müssen jedoch darauf hinweisen.
Wenn beispielsweise der Europäische Gerichtshof urteilt, dass Google das Recht auf Vergessen zu respektieren hat, dann kann es nicht ins Belieben von Google selbst gestellt sein, was gelöscht und was nicht gelöscht wird. Es muss jemanden ge ben, der das regelt. Wir haben also an dieser Stelle jede Men ge Regelungsbedarf.
Deshalb ist eine wachsame und kritische, keine verherrlichen de Diskussion über diese Entwicklung notwendig.
Man darf dabei natürlich die Chancen, die sich hinter dieser Thematik verbergen, nicht unterschlagen. Wenn es mit diesen digitalen Techniken möglich ist, dass Pflegebedürftige länger selbstständig bleiben und in ihrer eigenen Umgebung leben können, dann begrüßen wir das. Wenn es möglich ist, dass sich Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren las sen, weil Arbeitsverhältnisse sich von dem gebundenen Ar beitsplatz in der Firma lösen, dann unterstützen wir das natür lich.
Dies betrifft ganz klar den Mittelstand. Niemand kommt auf die Idee, zu sagen, dass wir Bosch oder Festo helfen müssen. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass die großen Player, die ihr Know-how entwickelt haben,
mit den Mittelständlern zusammenkommen. Die Kommunika tionsstruktur, die der Ministerpräsident und Minister Schmid angesprochen haben, ist eine große Herausforderung. Wir müssen versuchen, speziell dort, wo Mittelständler einen Nachteil gegenüber den Großen haben, diesen Nachteil – nicht mit der Gießkanne, Kollege Rülke – auszugleichen,
sodass die Mittelständler weiter dranbleiben können. Letzt lich geht es doch um die Frage: Wer hat den Hut auf?
Wenn wir nichts unternehmen, dann bestimmt die Software auch bei denen, die klassische industrielle Produkte, die künf tig intelligenter sind, herstellen. Wir wollen aber, dass sich al le Unternehmen eigenständig weiterentwickeln. Dazu brau chen sie Unterstützung. Da muss sich der Facharbeiter wie derfinden, der dranbleiben will. Aber auch ein mittelständi sches Unternehmen ohne eigene große Forschungsabteilung braucht Unterstützung, damit die Forschungsarbeiten bewäl tigbar sind und vorankommen. Das sind die richtigen Ansät ze. Deshalb können sich alle in diesem Landesprogramm bei dem, was auf Landesebene zu lösen ist, wiederfinden.
Herr Kollege Wolf, Sie haben gesagt, wir sollten nicht über heblich sein. Ich habe bewusst nicht gesagt: „So gut regiert man ein Land“, sondern ich habe gesagt: „So regiert man ein gutes Land.“ Wenn Sie aber zum Schluss der Meinung sind, dass wir das Prädikat „gut“ auch vor das Regieren stellen sol len, dann nehmen wir das dankbar an. Es ist immer besser, wenn andere einen als gut beurteilen, als wenn man dies selbst tut.