Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

Deshalb gilt unter dem Strich: Die Unternehmen in BadenWürttemberg werden effizienter, sie werden flexibler, ihre Wettbewerbsfähigkeit steigt, und vor allem: Sie können an der Schnittstelle zum Kunden auf dessen Wünsche noch besser eingehen. Damit ist eines klar: Die Digitalisierung gerade in der Produktion ist eine Riesenchance für unsere Wirtschaft.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die Ausgangsvoraussetzungen sind gar nicht so schlecht. Bei uns sind die Unternehmen zu Hause, die Industrie 4.0 Wirk lichkeit werden lassen. Auf der nationalen Plattform „Indus trie 4.0“ gibt es 14 Akteure; acht davon sind Unternehmen aus Baden-Württemberg.

Bei uns sind auch die Ingenieure gefragt, wenn es darum geht, intelligente Lösungen für Produktionsanlagen der Zukunft zu planen und zu entwickeln. Die Maschinenbauer sind gefragt, wenn es darum geht, diese Anlagen zu bauen. Die IT-Unter nehmen sind gefragt, wenn es um den Austausch von Daten und darum geht, die neuen Produktionssysteme sprechen ler nen zu lassen.

Wir haben mit den Clustern – Mikrosystemtechnik BW, Pho tonik –, mit den anwendungsorientierten Forschungsinstitu ten – insbesondere den Fraunhofer-Instituten –, mit den Hoch schulen – ich denke an das KIT, aber auch an andere Einrich tungen – beste Grundlagen, dass diese Digitalisierung der Pro duktionsverfahren aus Baden-Württemberg in die ganze Welt ausstrahlen kann. Damit ist klar: Das wird der neue Export schlager unseres Landes werden.

Schauen wir uns an, welche Begriffe in der letzten Zeit in die englische Sprache Eingang gefunden haben. Das war vor ei niger Zeit der Begriff „Waldsterben“. Dann kam „Energie wende“ dazu. Und jetzt ist „Industrie 4.0“ in der deutschen Schreibweise gerade dabei, in die großen Weltsprachen Eng lisch und Französisch einzudringen.

Das zeigt doch: Das kommt aus Deutschland, das kommt aus Baden-Württemberg. Wir sind gefordert und aufgefordert, die Digitalisierung der Wirtschaft zu gestalten. Deshalb glaube ich daran: Wir müssen diese Jahrhundertchance für die Indus trie und den Mittelstand in Baden-Württemberg entschlossen nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Damit dies klappt, brauchen wir drei Ansätze, die spezifisch auch für das Land wichtig sind. Es geht darum, den kleineren und mittleren Unternehmen Zugang zu Industrie-4.0-Themen zu ermöglichen, sie zu sensibilisieren – nicht dass sie meinen, das sei erst ein Thema für die übernächste Generation. Nein, das findet schon statt. Dieses Sensibilisieren geht am besten über Austausch, Vernetzung und Lernen von erfolgreichen Vorbildern.

Dem gilt auch die Allianz Industrie 4.0, die ich ins Leben ge rufen habe, über die wir mit Workshops in Kooperation mit dem VDMA und Kammern insbesondere die kleineren und mittleren Unternehmen informieren wollen, sie gewinnen wol len – nicht über Vorträge allgemeiner Art, sondern über kon krete Anwendungsbeispiele.

Wir wollen aber auch, dass die Forschungsinfrastruktur in Ba den-Württemberg, die anwendungsorientierte Forschung die ses Thema aufgreift. Da hat der Ministerpräsident die richti gen, die wichtigen Beispiele genannt. Das Forschungszent rum Informatik wird zu einer anwendungsorientierten Sicher heitsagentur insbesondere für den Mittelstand ausgebaut. Wir schaffen mit dem „House of IT“ eine Innovationspartnerschaft zwischen der Forschung und der IT-Branche.

All dies zeigt, dass das zweite große Thema, das den Wettbe werbsvorteil von Baden-Württemberg bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ausmacht, auch bei uns läuft. Das ist nämlich die Sicherheit, die Verschiedene von Ihnen zu Recht angesprochen haben. Es wird darum gehen, dass gera de ein Mittelständler, der seine Produktionsdaten, seine Kon struktionspläne in einer Cloud ablegt, sicher sein kann, dass nicht andere darauf zugreifen können. Andernfalls wird er es nämlich nicht machen.

Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir auf europäischer Basis solche Cloud-Lösungen erarbeiten und in entsprechende Si cherheitslösungen und Sicherheitstechnologien investieren. Dafür wurden allein aus dem Etat meines Hauses von 2011 bis 2013 etwa 25 Millionen € für den gesamten IT-Bereich ausgegeben. Dafür wollen wir über den Doppelhaushalt 2015/2016 ebenfalls allein aus dem Etat meines Hauses 33 Millionen € ausgeben. Hinzu kommen erhebliche Mittel aus dem Wissenschaftsministerium für die Forschung.

Das zeigt: Wir nehmen das Thema in der Sache ernst. Wir set zen das Thema aber auch im Haushalt entlang der Vorgaben der Schuldenbremse und unter Beachtung der notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen um.

Damit ist klar: Industrie 4.0 und Sicherheitsthemen, die ins besondere hinsichtlich der Produktion eine Rolle spielen, wer den die zentralen Elemente für eine wirtschafts- und indus triepolitische Strategie von Baden-Württemberg sein, um die Digitalisierung in der Wirtschaft voranzubringen.

Als Drittes kommt hinzu: Die Produktion wird nicht nur effi zienter, sondern es ändern sich auch die Anforderungen an die Fachkräfte maßgeblich, die Arbeitswelt ändert sich, und wir brauchen Aus- und Weiterbildung. Dafür ist das Bildungszeit gesetz gar nicht das schlechteste Instrument. Denn wir wer den im Bildungszeitgesetz die berufliche Weiterbildung mit einem sehr hohen Stellenwert verankern. Jeder Unternehmer, der seinen Beschäftigten beispielsweise ein SAP-Modul zur Schulung angedeihen lässt, hat das Bildungszeitgesetz erfüllt.

Insofern ist das, was wir vorhaben, auch ein Schwung für die berufliche Weiterbildung – gerade für die Themen, die für die Beschäftigten und die Unternehmen in Zukunft besonders wichtig sein werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deshalb haben wir neben den technologischen und den wirt schaftlichen Fragen – den Fragen der Geschäftsmodelle – die Arbeitswelt, die Qualifizierung der Beschäftigten, die Verän derungen in den Arbeitsabläufen, auch die möglichen Risiken, die dadurch entstehen können, in unsere Strategie mit einbe zogen. Deshalb sitzt bei der Allianz Industrie 4.0 eben auch die IG Metall mit am Tisch. Diese Regierung betreibt Wirt schaftspolitik auf Augenhöhe – mit den Arbeitgebern, aber auch den Arbeitnehmern in guter Sozialpartnerschaft. Denn es geht darum, das, was die Stärke unseres Landes ausmacht, nämlich die Qualifizierung der Beschäftigten, auch in die Di gitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft hineinzutragen.

Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das Land steht auch bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesell schaft gut da. Das belegen die harten Fakten, und das ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von erfolgreichen Unterneh

men, von Forschungseinrichtungen und natürlich auch des Einsatzes dieser Landesregierung.

Deshalb wollen wir diesen Kurs fortsetzen und sicherstellen, dass Baden-Württemberg die Chancen der Digitalisierung ent schlossen nutzt, dass unser Land bei Industrie 4.0 Vorreiter in Europa bleibt. Denn wir wollen den digitalen Wandel gestal ten, anstatt nur zu reagieren. Wir wollen die Regierung sein, die dafür sorgt, dass die Unternehmen, die Beschäftigten in Baden-Württemberg den anderen den entscheidenden Schritt voraus sind, damit wir, das Land, auch in Zukunft vorn blei ben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Rede war vom Niveau her ein „Commodore 64“!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Wolf das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Schmid, den bemerkenswertes ten Satz, den Sie gerade gesagt haben, zitiere ich gern:

Die ganze Welt redet darüber, wir machen sie möglich.

Sie haben sich dabei auf die Bewältigung der Herausforde rungen der digitalen Revolution bezogen.

Ich muss gestehen: Mit Blick darauf, dass dies heute nach dreieinhalb Jahren die erste wirtschaftspolitische Regierungs erklärung des Ministerpräsidenten war, die auch Ihnen die Chance gegeben hat, erstmals dazu zu sprechen, fand ich die se Einschätzung etwas überheblich.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Staatssekretärs In go Rust)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich zumindest auf Nach frage korrigieren. Sie haben nämlich gesagt, von der CDUFraktion habe es keine Anfragen und keine Anträge zu diesem Thema gegeben, wir seien erst jetzt auf diesen Trichter ge kommen.

Es gibt aber nachweislich Anfragen und Anträge von uns zur digitalen Infrastruktur und zu Smart Grid. Ganz aktuell gibt es den Antrag des Kollegen Felix Schreiner mit der Über schrift „Digitale Infrastruktur in Baden-Württemberg“.

Meine Damen und Herren, so ist es, wenn man nur nach Stich worten recherchiert, ohne über notwendiges Fachwissen zu verfügen.

(Oh-Rufe von der SPD)

Das zeigt, dass neben der Befähigung zum Umgang mit dem Internet in der Bildungspolitik Bildung und Wissen unersetz lich bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Verehrter Herr Minister, selbstverständlich anerkenne und re spektiere ich die von Ihnen konkret genannten Punkte, die auf den Weg gebracht worden sind, wenngleich ich an dieser Stel le zu etwas mehr Demut raten möchte. Sie sagen wie auf

Knopfdruck, Sie hätten die Mittel verdreifacht, um dann auf Nachfrage nachlegen zu müssen: Wir planen dies für den nächsten Haushalt unter dem Vorbehalt, dass der Landtag dem zustimmen wird.

Insofern rate ich zu ein bisschen mehr Realitätssinn, ein biss chen mehr Demut sowie mehr Kraft und Engagement beim Angehen der Herausforderungen, die sich aufgrund dieser Thematik stellen. Das stünde der Landesregierung gut an.

(Beifall bei der CDU)

Verehrte Frau Kollegin Sitzmann, einen der letzten Sätze Ih rer Rede habe ich besonders gut in Erinnerung. Sie haben ge sagt:

Wir sind... gut aufgestellt. Wir werden so weiterarbeiten,...

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist eine Dro hung!)

Das klingt fast ein bisschen bedrohlich. Ich möchte darum bit ten, dass wir Anregungen, Zukunftsentwürfe, Ideen und Kon zeptionen, die über das hinausgehen, was wir heute haben, nicht immer in erster Linie als Angriff begreifen, sondern als Chance, um in diesem Land auch weiterhin Zukunft zu schreiben. Das muss die Botschaft sein.

Wenn Sie den Vorschlag im Hinblick auf die Krebsforschung stereotyp damit beantworten, wir seien in Baden-Württem berg hervorragend aufgestellt, dann kann ich nur sagen: Nur gut zu sein darf nicht unser Maßstab bleiben. Wir wollen in Baden-Württemberg bei diesen Zukunftsthemen besser wer den.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe durch die Zwischenfrage des Kollegen Dr. SchmidtEisenlohr gern zur Kenntnis genommen, dass es zumindest in der Fraktion GRÜNE Zustimmung zu der Idee geben mag, ei ne Denkfabrik zu den Folgen der Digitalisierung zu errichten.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Ich halte das für einen wertvollen Ansatz, weil das Chancen für Gemeinsamkeiten ergäbe, liebe Kollegin Lindlohr.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Mit Zuhören haben Sie es nicht so!)

Sich allein darauf zu beziehen, dass früher einmal etwas pas siert ist, was Sie vielleicht zu Recht kritisiert haben – Sie dür fen mir eine größere Kritikfähigkeit unterstellen, als Sie das gemeinhin tun –, öffnet nicht den Blick nach vorn. Das wäre die beste Basis dafür, zu sagen: Das ist ein guter Vorschlag; da machen wir mit. Gemeinsamkeit kann bei dieser großen Herausforderung der Schlüssel zum Erfolg sein.