Protokoll der Sitzung vom 27.07.2011

ein bisschen Medizin muss sein –, Magenschleimhauter krankungen, chronische Diarrhö, Darmerkrankungen, Krebs geschwüre, chronische Schlafstörungen, depressive Erschöp fungssymptome und Depressionen, die bis hin zum Suizid führen können. Ich finde es nicht zum Lachen, dass unsere Beamtinnen und Beamten diese Symptome mit sich tragen und sich mit diesen Krankheitsbildern herumschlagen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Statt die enorme Belastung zu reduzieren, hat die bisherige Landesregierung jedoch immer noch draufgesattelt. Die Le bensarbeitszeit der Polizeibeamtinnen und -beamten wurde verlängert, die Polizeistärke wurde massiv gekürzt, und sozi ale Leistungen im Bereich der Heilfürsorge wurden gestri chen. Von der mit der Dienstrechtsreform angekündigten Ge sundheitsreform ist bei den Dienststellen bislang noch nichts angekommen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Die freie Heilfürsorge wurde nicht gestrichen! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir haben dafür gesorgt, dass sie erhalten bleibt!)

Bislang ist es der hohen Motivation der Polizei zu verdanken, dass die Sicherheit hier im Land Tag und Nacht meist rei bungslos gewährleistet ist. Dies geschieht, weil Polizistinnen und Polizisten zusätzliche freiwillige Nachtdienste leisten, weil zusätzliche Ermittlungsgruppen der Kripo eingerichtet werden und massiv Überstunden erbracht werden.

Doch auch die Ressource „Freiwilligkeit“ ist endlich. Darum setzt die grün-rote Landesregierung alles daran, die entstan denen Belastungen möglichst rasch abzubauen. So soll der Stellenabbau gestoppt werden. Der doppelte Abiturjahrgang 2012 wird genutzt; es werden 1 200 Polizeianwärter aufge nommen, auch um der anrollenden Pensionierungswelle an gemessen zu begegnen.

Ich möchte kurz anfügen: Ich habe mich als Bürgerin immer wieder gefragt, warum es so schwer ist, eine Statistik zu le sen, warum die Politik das nicht hinbekommt. Man weiß doch,

wann man wen in welchem Alter einstellt und wann der Mann/ die Frau wieder sein/ihr Amt und seinen/ihren Beruf verlässt und dann in Pension geht. Es rollt doch gerade eine Pensio nierungswelle an, gegen die nie etwas getan worden ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Deswegen haben wir den Einstellungs korridor geschaffen! Aus genau diesem Grund!)

Nur mit motivierten Polizistinnen und Polizisten können wir das Leitbild einer bürgernahen Polizei weiterentwickeln. Da zu benötigt der Polizeiapparat eine ausreichende personelle Ausstattung, eine moderne Informationstechnik sowie den Ausbau leistungsfähiger Strukturen.

Zur Ausstattung: Es ist vorhin belächelt worden, was gesagt worden ist. Aus der Dienststelle, bei der ich heute Morgen war, ganz frisch die Zahlen von einer Gruppe, die gemeinsam Dienst tut: Fünf Leute müssen sich einen PC teilen. Ich frage mich, wie die Beamten ihre Arbeit in der Zeit, in der sie da sind, machen sollen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mit der schrittweisen Einführung der zweigeteilten Laufbahn wird dann endlich die anspruchsvolle Polizeiarbeit angemes sen vergütet.

Fazit: Die Motivation unserer Polizistinnen und Polizisten ist sehr hoch. Aber sie ist kein Perpetuum mobile. Sie muss ge nährt werden. Ansonsten droht sie bei zunehmender Belas tung zu verkümmern.

Unser Ziel ist es, die große Motivation unserer Polizistinnen und Polizisten zu erhalten und bei Bürgerinnen und Bürgern Anerkennung, Verständnis und Begeisterung für diesen ver antwortungsvollen Beruf zu wecken. Denn wir brauchen auch in Zukunft junge motivierte Menschen, die diesen Berufsweg einschlagen und unser gesellschaftliches Zusammenleben und den Rechtsstaat schützen. Es geht um Sicherheit und Freiheit. Ausgebrannte, frustrierte Polizistinnen und Polizisten sind kein Garant für Ordnung und Sicherheit und auch keine Wer bung für diesen Beruf.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zur Fortsetzung der Aktuellen De batte erteile ich nun dem Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, Herrn Abg. Dr. Goll, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich ist es jederzeit gut, ei ne Debatte über die Motivation und die Lage der Polizei zu führen. Auf der anderen Seite sieht man natürlich, dass es nicht zwingend einen Bezug zum 27. Juli 2011 gibt. Also ha be ich mich gefragt: Was ist der Hintergrund für diese Debat te?

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das haben auch wir uns gefragt!)

Ich muss Ihnen sagen: Mir ist spontan der Begriff „schlech tes Gewissen“ eingefallen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Die Zeit, als die Demonstranten die Polizei offen als eine Art Kampftruppe für das Unrecht dargestellt haben, liegt bekannt lich noch nicht lange zurück. Wer hat ihnen eigentlich gehol fen? Ich erinnere an die Protokolle des Untersuchungsaus schusses, an das, was da gesagt wurde, und vor allem, was nicht gesagt wurde. Klar ist, dass von grüner Seite keine Un terstützung für die Polizei kam, die ich hätte wahrnehmen können. Das war auch klar.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Sie wollten ja auf der Welle des Protests surfen. Aber man muss sagen: Auch von der SPD kam bitter wenig. Das wurde vorhin von Herrn Kollegen Blenke auch angesprochen.

Deshalb habe ich den Eindruck, dass Sie jetzt sozusagen ein paar Ausgleichsmaßnahmen planen. Das ist an sich nicht schlecht, aber man darf nicht vergessen, was erst vor kurzer Zeit noch geschehen ist.

Nun, da Sie vorhaben, etwas für die Polizei zu tun, erstaunt es nicht, dass Sie zunächst wieder einmal ein völlig schiefes Bild von der Lage im Land erzeugen. Das war zu erwarten.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das tun sie noch im mer!)

Immerhin haben alle darauf hingewiesen, dass wir im Land die geringste Anzahl von Delikten haben. Komisch eigentlich, merkwürdig. Bei uns gibt es die wenigsten Delikte.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wenn man die SPD hört, entsteht ein anderer Eindruck!)

Wir haben angeblich alles falsch gemacht, und jetzt haben wir auf einmal, gleichauf mit Bayern, die wenigsten Delikte. Aber diese Argumentation kenne ich aus meinem früheren Amt. Da wurde ich immer wieder darauf hingewiesen, dass wir bun desweit die wenigsten Richter, die geringste Richterdichte ha ben. Auch das stimmt. Aber meist ist nicht dazugesagt wor den, dass in Baden-Württemberg auch am wenigsten gestrit ten wird. Wir haben auch die wenigsten Fälle in Baden-Würt temberg.

Wir haben interessanterweise tatsächlich die wenigsten Poli zeibeamten und die wenigsten Delikte.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Und sind das sichers te Land!)

Und Baden-Württemberg ist das sicherste Land. Das liegt natürlich an einer hervorragenden Polizeiarbeit, aber man darf ruhig auch laut sagen: Das liegt beispielsweise auch an der Tatsache, dass wir eine Jugendarbeitslosenquote von nur 2 % haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das liegt natürlich auch daran, dass man es hier in Jahren ge schafft hat, der Kriminalität systematisch die Grundlage zu entziehen, und zwar durch eine richtige Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ich kann nur sagen: Wir hoffen, dass diese guten Werte in Zu kunft erhalten bleiben. Denn Sicherheit ist gerade auch für Li

berale ein zentraler Wert, weil es ohne Sicherheit keine Frei heit gibt, die etwas wert ist. Damit die Freiheit etwas wert ist, braucht man Sicherheit. Deswegen sollten wir diesen Zustand der Sicherheit in Baden-Württemberg pflegen und weiterent wickeln.

Jetzt wollen Sie etwas dafür tun. Das begrüßen wir außeror dentlich. Aber bei dem, was im Moment geschieht, habe ich kein gutes Gefühl. Wenn man von links bis rechts schaut, was Sie in der neuen Regierung machen, dann hat man den Ein druck, dass Sie mit der Kreditkarte herumlaufen und zu jedem sagen: Ihr könnt euch jetzt etwas aussuchen; jeder darf sich jetzt einmal ein Geschenk aussuchen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Thomas Blen ke CDU: Das ist die neue Nachhaltigkeit!)

Sie haben wahrscheinlich zu wenig Erfahrung – das dürfen wir Ihnen zugestehen –, um zu wissen, wie schnell sich so et was in kurzer Zeit addiert und wie schnell wir auf einem Weg sind, der zu einer Situation wie in Griechenland führt. Denn dort endet das Ganze.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Wider spruch bei der SPD – Lachen der Abg. Andrea Lind lohr GRÜNE)

Ja! – Lesen Sie übrigens einmal Veröffentlichungen über die Hilfsprogramme für Griechenland. In den Artikeln darüber finden Sie in jeder dritten Zeile den Begriff „Privatisierung“. Haben Sie darüber einmal in der Zeitung gelesen? Ich will heute nicht über Privatisierung reden, aber dafür umso deut licher sagen:

(Unruhe bei der SPD – Zurufe: Thema verfehlt! – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Ist das Ihre Wert schätzung für die Polizei?)

Wenn Sie so weitermachen, führen Sie uns auf den Weg nach Griechenland.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Karl Rombach CDU: Richtig! – Weitere Zurufe von der CDU, den Grünen und der SPD – Unruhe)

Es ist richtig und wichtig, etwas für die Polizei zu tun. Des wegen haben wir in den letzten 15 Jahren gerade die Aufga ben von Polizei und Strafvollzug – die klassischen Staatsauf gaben – gehegt und gepflegt. Das kann niemand in Zweifel ziehen. Es ist richtig und wichtig, für die Polizei etwas zu tun. Aber, meine Damen und Herren, man muss glaubwürdig blei ben, glaubwürdig bei zwei Punkten:

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und mora lisch dahinterstehen!)

Erstens muss man wirklich den Eindruck erwecken, dass man hinter der Sache steht und nicht doch ganz woanders.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Zweitens sollte man nicht den Eindruck erwecken, als ginge alles, als hätte man für alles beliebig viel Geld zur Verfügung.