Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, kommen wir jetzt einfach einmal zum Haushaltsplan. Bemerkenswert ist in der Tat, dass wir im Einzelplan 15 für das Jahr 2014 noch einen Haushaltsansatz von 220 Millionen € hatten und es für das Jahr 2015 340 oder 390 Millionen € sein sollen.

Bemerkenswert ist auch – das sieht man, wenn man sich die sen Einzelplan einmal genauer ansieht –, dass ein Integrati onsministerium gerade einmal 2 % der Mittel für Integration ausgibt. Die Tatsache, dass es bei der Ressortaufteilung offen sichtlich doch ein bisschen hapert und sie nicht ganz optimal zu sein scheint, zeigt sich darin, dass sich das Integrationsmi nisterium eben nicht hauptsächlich um Integration kümmern kann. Denn mit fast 300 Millionen € machen die Aufwendun gen für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen fast 90 % des Haushaltsansatzes aus.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das ist auch eine Integrationsaufgabe!)

Ich sage nicht, dass ein eigenständiges Integrationsministeri um auf gar keinen Fall funktionieren könne, ich sage nur, dass, wenn man sich ein eigenständiges Integrationsministerium leisten möchte – das wollen Sie –, auch deutlich mehr in den Bereich der Integration fließen muss. Da reicht es eben nicht, ein paar Hochglanzbroschüren zu drucken.

Ich möchte Ihnen nur einmal sagen: Berufsanerkennung, Spracherwerb oder Integration von Menschen, die bereits seit vielen, vielen Jahren hier leben, das ist eine riesengroße Auf gabe. Kollege Lasotta wird die Erfahrung teilen können: Wir erleben es z. B. im Krankenhaus regelmäßig, dass Migranten, die seit vielen Jahren hier in Deutschland leben, sich auf Deutsch schlicht nicht äußern können. Dann entsteht immer eine ganz blöde Situation, weil man jemanden im Kranken haus suchen muss, der die entsprechende Sprache spricht und dann übersetzen kann. Das ist alles andere als professionell.

Vielleicht müssen auf der einen Seite die Krankenhäuser re agieren – das ist richtig –, aber auf der anderen Seite ist es na türlich schon so, dass man von einem Migranten, der bereits viele Jahre in Deutschland lebt, auch erwarten kann, dass zu mindest gewisse Deutschkenntnisse vorhanden sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rich tig!)

Herr Kollege Lede Abal, ich möchte Ihnen, weil Sie das Be rufsanerkennungsgesetz angesprochen haben, noch eines sa gen: Wie lange hat es denn eigentlich gedauert, bis dieses Be rufsanerkennungsgesetz gekommen ist? Ich habe den Ein druck, im Bereich Integration schläft teilweise das Ministeri um viel ärger, als man das möchte. Ein Beispiel war tatsäch lich das Berufsanerkennungsgesetz. Frau Ministerin, Sie ent sinnen sich: Wie oft musste ich Sie daran erinnern? Wie oft habe ich das damals von Ihnen eingefordert?

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in die sem großen Bereich der Flüchtlingsaufnahme zeigt sich der Schlafmodus der Landesregierung immer wieder. Ein Flücht lingsaufnahmegesetz wurde damals verabschiedet, und es war genau das Gleiche: Wie oft wurde der zeitliche Verzug von der Opposition angeprangert und gefragt, wann denn endlich das Flüchtlingsaufnahmegesetz kommt?

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Zu Regie rungszeiten haben Sie es halt nicht gemacht!)

Es hat sich gezogen, gezogen und gezogen. Wir haben es da mals übrigens auch gar nicht kritisiert, als das Flüchtlingsauf nahmegesetz kam. Wir haben einiges kritisiert, aber was wir z. B. nicht kritisiert haben, war die Anhebung der Quadratme terzahl pro Flüchtling. Das haben wir damals ganz klar so for muliert.

Ich sage aber, dass zu einem Zeitpunkt, als bereits sichtbar war, dass diese Flüchtlingswelle auf uns zukommen würde, die Landesregierung und das Integrationsministerium das Pro blem noch nicht ausreichend auf der Pfanne hatten. Herr Kol lege Lede Abal, ich sage Ihnen ganz klar: Wenn das Land schon zweimal die Prognosen erhöht hat, dass mehr Flücht linge kommen, dann kann ich doch schon auf die Idee kom men, dass sich die Zahlen möglicherweise ein drittes, viertes und fünftes Mal erhöhen werden. Ich muss mich wundern, wenn Sie hier vorn sagen: „Ja, das hat wirklich niemand ge wusst.“ Denn im Ausschuss hat eigentlich Einigkeit darüber geherrscht; es wurde gesagt: Das BAMF wird weiterhin die Zahlen erhöhen müssen.

Es hätte Ihnen klar sein müssen, dass Sie, wenn Sie dann auch noch in dem FlüAG größere Unterbringungsstandards etab lieren möchten und fordern, die Kommunen vor große Her ausforderungen stellen. Wenn das politisch gewollt ist, kann man natürlich schon beides machen. Dann kann man mehr Flüchtlinge besser unterbringen. Aber dann ist es Ihre Aufga be – Aufgabe Ihres Ministeriums und der Regierungsfraktio nen –, zu entscheiden, wie Sie das finanzieren wollen, und dann müssen Sie vielleicht an anderer Stelle, möglicherwei se sogar in einem anderen Ressort, schlicht Mittel einsparen.

Eine Einsparmöglichkeit wäre z. B., sich endlich einmal auf den Weg zu machen, um zu schnelleren Asylverfahren zu kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das wäre der Faktor, bei dem wir wirklich versuchen könnten, kosten günstiger zu fahren. Aber es geht nicht nur um das Finanziel le, wenn wir schnellere Verfahren fordern, sondern es hat auch etwas mit Humanität zu tun.

(Unruhe)

Das sage ich Ihnen ganz klar: Es ist doch völlig unzumutbar, wenn Familien nach teilweise jahrelanger Unsicherheit, ob sie hierbleiben können oder nicht, letztlich doch rückgeführt wer den. Ich sage ganz klar: Natürlich muss man in manchen Fäl len Rückführungen andenken, aber das kann nicht erst nach vielen Jahren der Fall sein, sondern letztlich muss das Ziel sein,

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

wenn es zu einer Rückführung kommt, eine rasche Rückfüh rung vorzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal zu den finanziellen Mitteln, die die Kommunen jetzt erhalten. Sie las sen sich jetzt Ihr Mäntelchen des Gutmenschentums, nämlich die Verbesserung der Bedingungen,

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

von unseren Städten und Kreisen bezahlen.

(Zuruf von der SPD: Das ist unwahr!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen nach her zu den Beispielen. Ich kann Ihnen das nachher an drei Bei spielen ganz klar ausführen. Es ist ganz klar: Das Asylrecht in unserem Land hat eine zentrale Rolle; das Asylrecht ist ein Teil des Landes, in dem ich leben möchte. Ich möchte, dass in dem Land, in dem ich lebe, Menschen, die systematischer Verfolgung ausgesetzt sind, Zuflucht finden können.

Wenn man das haben möchte, gehört aber auch dazu, dass man die Bereitschaft der Bevölkerung in Baden-Württemberg nicht verspielt, auch weiterhin Flüchtlinge gut, nett und freundlich aufnehmen zu wollen. Dazu gehört auch, dass wir beim The ma Finanzierung unsere Kreise und Städte nicht alleinlassen und im Regen stehen lassen – aber das tun Sie, meine sehr ge ehrten Damen und Herren. Wir haben fast überall in unseren Dörfern und Städten eine tolle Aufnahmekultur, und trotzdem lassen Sie jetzt die Kommunen weitgehend auf dem Trocke nen sitzen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Oh!)

Ich nenne Ihnen drei Beispiele. Das ist erstens das Flüchtlings aufnahmegesetz. Dazu hatten wir einen Änderungsantrag ein gebracht, in dem wir eine Kostenevaluation der kompletten Flüchtlingsunterbringung gefordert haben, nicht nur im Be reich Wohnen, sondern gerade auch im Bereich der Sozialar beit und der Gesundheit. Unserem Änderungsantrag haben Sie damals nicht zugestimmt; den haben Sie hier im Rahmen der Beratung des FlüAG abgelehnt.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Erst als der Druck von außen so groß wurde, haben Sie letzt lich doch eine Evaluierung sämtlicher Bereiche eingeführt. Aber Sie haben erst einmal unseren Änderungsantrag abge lehnt.

Zweites Beispiel: Die Landesregierung kann – das ist das, was Kollege Kleinböck vorher sagte – im Rahmen dieser Kosten evaluierung bis heute nicht sagen, wie groß der Betrag ist, der im Jahr 2013 zu wenig an die Kommunen, die Kreise und Ge meinden, bezahlt wurde. Das hat er auch vorhin gesagt: „Lei der ist die Evaluierung noch nicht da, deswegen kann man es nicht sagen.“ Bemerkenswert ist aber doch, dass die Kreise und Gemeinden bereits beim Flüchtlingsgipfel im Oktober nicht nur die Zahlen für 2013 nennen konnten, sondern be reits ziemlich genau die Zahlen zu dem, was zu wenig bezahlt wird, für 2014 aufrechnen konnten. Meine sehr geehrten Da men und Herren, entweder können die Mitarbeiter in den Rat häusern oder auf den Landratsämtern viel schneller rechnen als die im Ministerium, oder wir haben es schon wieder mit einer Verzögerungstaktik der Landesregierung zu tun.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Oje! – Zu ruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Das dritte Beispiel, das ich Ihnen gern nennen möchte, betrifft den heutigen Tag. Wir haben heute einen Entschließungsan trag eingebracht, der drei Punkte beinhaltet. Interessanterwei se sind es genau die Punkte, die der Ministerpräsident vorhin selbst angesprochen hat. Er sagte, er stehe dafür, dass die Städ te und Kreise das Geld bekommen, das ihnen für die Flücht lingsaufnahme zusteht. Genau das, was der Ministerpräsident gesagt hat, ist das, was wir auch wollen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das glaube ich nicht!)

Deswegen haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, der drei Punkte umfasst. Diese drei Punkte möchte ich Ihnen jetzt nennen.

Punkt 1 ist, dass den Stadt- und Landkreisen – –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das wird doch ge macht!)

Gut, in Ordnung. Aber, Herr Vizepräsident, wenn es sowie so gemacht wird, dann können Sie doch ohne Probleme zu stimmen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Warum soll sich das Parlament noch damit befassen?)

Warum wird dann so etwas im Ausschuss abgelehnt? Das ver stehe ich beim besten Willen nicht.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Noch einmal: Punkt 1 ist, dass den Stadt- und Landkreisen ei ne vollständige Deckung der entstehenden Kosten garantiert wird. Das ist nichts anderes als das Konnexitätsprinzip.

Zweitens: Das starre System der Einmalpauschalen soll durch differenzierte, angemessene Lösungen ersetzt werden.

Drittens: Den Stadt- und Landkreisen soll in Entsprechung dessen, was seit dem 1. Januar 2014 zu wenig für die Flücht lingsunterbringung bezahlt wurde, ein Ausgleich geschaffen

werden. Das ist wiederum nichts anderes als das Konnexitäts prinzip. Sie haben das im Ausschuss abgelehnt, und darüber muss ich mich schon wundern, weil es letztlich nichts ande res ist als das, was der Ministerpräsident vorhin selbst gesagt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Stimmen Sie diesem Entschließungsantrag ganz einfach zu. Ganz offensichtlich fehlt der Landesregierung bei der Frage der Kostenerstattung ein richtiger und weitsichtiger Plan. Wir sind überzeugt: Unser Entschließungsantrag könnte Teil die ses Plans sein, der Ihnen fehlt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Öney.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg zwei Dinge: Zunächst einmal meinen Glückwunsch zum Er folg beim Mitgliederentscheid. Herr Wolf, Sie haben mich überrascht, aber offenbar nicht nur mich.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ich möchte mich trotzdem herzlich für die Glückwünsche bedanken.