Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Blicken wir weiter. Landesbauordnung.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Oh! – Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: Efeu-Verordnung!)

Überdachte Fahrradstellplätze – die grüne Idee, weil die Leute ja ihre Fahrräder nicht selbst trockenhalten können. Zwangsbe grünung bzw. staatlich oktroyierter Efeubewuchs. Das ist die neue Landesbauordnung, Frau Kollegin Sitzmann. Das ist of fensichtlich die grüne Politik.

Dazu fällt mir ein schönes Zitat ein:

Wer erwachsene Menschen erziehen will, will sie in Wahr heit bevormunden und daran hindern, politisch zu han deln.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Frau Kollegin Sitzmann, wissen Sie, von wem das Zitat ist? Ich darf es wiederholen:

Wer erwachsene Menschen erziehen will, will sie in Wahr heit bevormunden und daran hindern, politisch zu han deln.

Keine Idee? Dann frage ich den Ministerpräsidenten: Wissen Sie, von wem das sein könnte? Sie sollten es wissen. Es ist von Hannah Arendt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie es nachlesen wollen: „Die Krise in der Erziehung“, ein Vortrag, den sie am 13. Mai 1958 in Bremen gehalten hat. Sie können es finden im Sammelband „Zwischen Vergangen heit und Zukunft“, München, im Jahr 2000 erschienen – üb rigens ein außerordentlich empfehlenswerter Aufsatz, der sich, wie gesagt, mit der Krise der Erziehung auseinandersetzt.

Herr Ministerpräsident, Sie haben erklärt, Hannah Arendt sei Ihr Leitstern. Ich kann Ihnen diesen Aufsatz nur ans Herz le gen. Ich darf daraus zitieren: Die „fortschrittliche Erziehung“ hat „alle bewährten Lehr- und Lernmethoden über den Hau fen geworfen“. Dadurch wurden auch „alle Regeln des gesun den Menschenverstands beiseite“ geschoben. Sagt Hannah Arendt.

Auf Seite 261: Wenn alle Kinder gleich sein sollen, werden alle Unterschiede verwischt. Dies geschieht „auf Kosten der Begabten“ und „auf Kosten der Autorität des Lehrers“. Sagt Hannah Arendt.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Dann erklärt sie: Es gibt drei ruinöse Grundüberzeugungen – Seite 262 –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

die zur Krise in der Erziehung führen: erstens wenn die Kin der „sich möglichst selbst... verwalten“ – das ist die erste ru inöse Grundüberzeugung; sagt Hannah Arendt –, zweitens die Vernachlässigung der Fachausbildung der Lehrkräfte – eine ruinöse Grundüberzeugung, sagt Hannah Arendt – und drit tens wenn man „das Lernen durch Tun und das Arbeiten durch Spielen“ ersetzt. Dadurch werden die Kinder in einer künst lichen „Kinderwelt“ belassen und nicht auf „das Erwachsen sein vorbereitet“. Sagt Hannah Arendt.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Meine Damen und Herren, entweder, Herr Ministerpräsident, müssen Sie nachher hier erklären, dass Hannah Arendt fort hin nicht mehr Ihr Leitstern sei, oder Sie müssen die 209 Ge meinschaftsschulen in Baden-Württemberg zumindest neu überdenken. Jedenfalls kann ich Ihnen nur raten, die Muße an den Weihnachtsfeiertagen zu nutzen, einmal wieder Hannah Arendt zu lesen, aber möglichst die gesamten Werke von Han nah Arendt.

Wir, meine Damen und Herren, sind aber an einem Schulfrie den in Baden-Württemberg interessiert. Das heißt, wir wollen mit Ihnen zu einer Vereinbarung kommen, die allen Schulty pen einschließlich der Gemeinschaftsschule eine Perspektive ermöglicht. Aber wir erwarten von Ihnen, dass diese Perspek tive dann auch den anderen Schulen in Baden-Württemberg ermöglicht wird.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Was sagen Sie übrigens, Herr Ministerpräsident, zur Gutach tenaffäre Ihrer Fraktion? Der Kollege Sckerl ist im Moment nicht da; er tut gut daran.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Sckerl?)

Zu dieser Gutachtenaffäre will ich gar nicht das wiederholen, was Oppositionsabgeordnete gesagt haben, sondern ein ver dienstvolles Zitat des Kollegen Sakellariou aus der SPD-Frak tion vorbringen. SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou stellte gegenüber der „Südwest Presse“ gestern fest:

Ich bin erschüttert. Vergleicht man, zu welchem Zeitpunkt welche Äußerungen von Sckerl gemacht wurden, kann man nur einen Widerspruch zur Wirklichkeit konstatie ren.

Das heißt auf Deutsch: Er hat gelogen.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Wenn Sie nun gelesen haben, was die Opferanwälte zum The ma Sckerl gesagt haben, dass die Opferanwälte nun auch den Rückzug des Kollegen Sckerl aus diesem Gremium fordern, dann würde ich mir von einem Regierungschef, der hohe mo ralische Ansprüche an sich und andere anlegt, auch hierzu ei ne klare Aussage wünschen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Jawohl. – Offensicht lich scheitert auch die Energiewende in Baden-Württemberg: 13 Windräder im Jahr 2011, neun Windräder im Jahr 2012, 2013 wieder auf zwölf Windräder hochgeschnellt. 2014 bisher zwei. Aber die gute Nachricht ist – das Jahr hat noch drei Wochen –: Es kann noch ein drittes hinzukommen. Erwin Teufel wurde ja immer als jemand bezeichnet, der angeblich jedes Windrad per sönlich bekämpft. Herr Ministerpräsident, wenn ich die Ent wicklung unter der Regierung Kretschmann anschaue, muss ich sagen: Im Vergleich zu Ihnen war Erwin Teufel ein Pionier der Windkraft in Baden-Württemberg.

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP/DVP und Abgeord neten der CDU)

Wenn es in diesem Tempo weitergeht, Herr Ministerpräsident, dann müssen Sie im Amt das Alter einer Aldabra-Riesen schildkröte erreichen, um die Energiewende noch mitzuerle ben.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sollten uns auf das konzent rieren, bei dem wir in Baden-Württemberg gut sind: Energie effizienz, Speicherung und Leitungsausbau.

Zum Ende: Wenn man sich die Bilanz des Regierungshandelns dieser Koalition anschaut, möchte ich Ihnen, Herr Minister präsident, zum Abschluss selbst das Wort geben. „Stuttgarter Zeitung“ vom 2. August 2014, ein Interview mit dem Titel „Wandern ist eine Form des Denkens“.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, jetzt wirklich zum Ende zu kommen. Sie haben Ih re Redezeit bereits überschritten.

Es mag Ihnen ja un angenehm sein, aber dieses Zitat will ich Ihnen nicht erspa ren. Ich zitiere den Ministerpräsidenten:

(Zurufe, u. a.: Das ist unterhaltsam! – Unruhe – Glo cke der Präsidentin)

Ich erinnere daran, dass die alten Griechen ja im Gehen philosophiert haben.

Wenn ich allein unterwegs bin, nehme ich mir oft vor, über irgendein Problem nachzudenken und dieses einer Lösung zuzuführen. Das gelingt aber eigentlich nie. Die Gedan ken verlieren sich anders als bei den alten Griechen beim Gehen im Unbestimmten.

Genau so macht diese Regierungskoalition Politik. Deshalb ist es nötig, dass Sie 2016 abgewählt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Walter Heiler SPD: Was soll man da noch sagen? – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜ NE – Glocke der Präsidentin)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Herrn Ministerpräsidenten.

Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg, un ser Land, ist in einer hervorragenden Verfassung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Hohe Beschäftigung, niedrige Jugendarbeitslosigkeit, über haupt niedrige Arbeitslosigkeit, nirgendwo in Europa wird mehr in Forschung und Entwicklung investiert als bei uns.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das war aber vorher schon so!)

Es wird fast nirgendwo mehr erfunden als bei uns, nirgendwo investieren ausländische Firmen mehr als bei uns. Bei uns sind am wenigsten Menschen arm, und nirgendwo engagieren sich mehr Menschen ehrenamtlich als bei uns.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)