Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Herr Minister, Sie haben das Ent wicklungsprogramm Ländlicher Raum angesprochen. Sie bie ten hier die Möglichkeit, Schwerpunktgemeinden zu entwi ckeln, um dann entsprechende Förderanträge stellen zu kön nen. Wie konnte es dazu kommen, dass Sie im „Staatsanzei ger“ am 24. Juli 2014 das Programm ausschreiben, im Pro gramm entsprechende Bürgerbeteiligungsprozesse notwendig sind und die Anträge dann in der ersten Tranche bis zum 31. August des gleichen Jahres eingereicht sein müssen?

(Heiterkeit des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Ich bitte Sie dazu um Auskunft. Gut angesetzt, schlecht ge macht.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Alle im Ur laub!)

Es gibt mindestens eine Gemeinde in Ih rem Wahlkreis, Herr Abg. Locherer, die sich über Ihre Frage wundert,

(Abg. Paul Locherer CDU: Ja, ja!)

weil sie nämlich als Schwerpunktgemeinde zum Zuge gekom men ist. Das bedeutet: Der Wahlkreisabgeordnete Locherer beweist, dass die getroffene Regelung funktioniert. Denn es gibt neun Gemeinden in Baden-Württemberg, die zum Zuge gekommen sind und die genau diese Kriterien erfüllt haben. Insofern hoffe ich, dass Sie Ihre Frage in ihrer Konsequenz nicht ernst meinen. Dies hätte nämlich bedeutet, dass eine Ge meinde Ihres Wahlkreises

(Abg. Paul Locherer CDU: Nein, nein!)

nicht in den Genuss der Förderung gekommen wäre.

(Beifall bei den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine noch malige Zwischenfrage des Herrn Abg. Locherer?

Aber gern.

Bitte, Herr Locherer.

Wir können jetzt jede Gemeinde im Wahl kreis durchgehen.

Herr Minister, früher war ich Mi nistrant. Ich weiß, wie Bittprozessionen funktionieren.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Zu meiner zweiten Frage: Ich anerkenne das Ergebnis ja. Aber das Prozedere war schwierig. Nur neun Gemeinden sind zum Zuge gekommen. Gibt es für die Gemeinden die Möglichkeit, aus der beschriebenen Situation heraus im laufenden Jahr Nachfolgeanträge zu stellen?

(Zuruf von der SPD: Im laufenden Jahr 2014?)

Ja, selbstverständlich. Es gibt überhaupt keinen abgeschlossenen Zeitraum für den Antrag, Schwer punktgemeinde zu werden. Es gibt immer eine bestimmte Frist zur jährlichen Entscheidung im Rahmen des Entwicklungs programms Ländlicher Raum. Bis zu einem bestimmten Zeit punkt muss eine Gemeinde als Schwerpunktgemeinde aner kannt werden, damit dann in den entsprechenden Auswahl verfahren – – Sie kennen die Situation: zunächst die Priori sierung im Landkreis, dann die entsprechende Priorisierung auf Regierungsebene. Das heißt, bevor dieser Prozess beginnt, muss klar sein, welche Gemeinden den Status Schwerpunkt gemeinde haben. Aber bis zum nächsten Stichtag ist hier je derzeit eine Antragstellung möglich. Dann wird entschieden, welche neuen Gemeinden in diesen fünf Jahren zu Schwer punktgemeinden werden.

Aber ich glaube, es war richtig, nicht bis zum nächsten Jahr zuzuwarten, sondern Gemeinden, die im Rahmen des Ent wicklungskonzepts schon weit gediehen waren, diese Mög lichkeiten zu geben. Ich kenne mindestens acht weitere Wahl kreisabgeordnete, die wie Sie, Herr Abg. Locherer, der Auf fassung sein müssten, dass es richtig war, genau so zu ent scheiden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger?

Aber gern.

(Abg. Martin Hahn GRÜNE: Da kriegen wir gar kei nen Feierabend, wenn wir so weitermachen!)

Herr Minister, wir wollen wieder dort weitermachen, wo Sie vorhin aufgehört haben, nämlich beim Thema Breitbandinfrastruktur. Ich habe diese in meiner Rede in der letzten Debatte als Aorta des länd lichen Raums bezeichnet. Bis zur flächendeckenden Versor gung mit Strom, Wasser und Verkehrsinfrastruktur hat es 50 Jahre gedauert. Im Bereich der Breitbandversorgung muss dies schneller geschehen. Da müssen wir klotzen.

In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage an Sie. Wir ha ben im Finanz- und Wirtschaftsausschuss in einem Antrag die Aufstockung der Mittel für diesen Bereich um 25 Millionen € pro Jahr gefordert. Sie haben gesagt, es sei dort schon viel ge macht worden, die Mittel seien nicht vollständig abgerufen worden. Unser Antrag wurde dann in der Ausschusssitzung abgelehnt. Deshalb meine Frage: Was könnte man Ihres Er achtens noch machen, damit das, was der Herr Ministerpräsi dent vorgestern beim EU-Kommissar für Digitalwirtschaft ge fordert hat, nämlich ein eigenständiges Programm, umgesetzt werden kann? Wie diese Forderung zeigt, trifft meine Aussa ge doch zu, dass hier noch viel zu wenig geschieht und die

Entwicklung viel zu langsam ist. Welche Vorstellungen hät ten Sie, wenn Herr Oettinger tatsächlich dieses Geld hierher schicken würde, das Herr Kretschmann gern hätte?

Herzlichen Dank für die Frage. Sie gibt mir die Möglichkeit, mit meiner Rede fortzufahren. Denn ge nau an diesem Punkt bin ich.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ich wollte Sie wieder ins Geschäft bringen!)

Ich hatte ausgeführt, dass wir mit der Breitbandinitiative II im Mai 2012 einen Rahmen verändert haben und dabei vor allem auch die Landkreise mit ins Boot genommen haben, die ja vor her nicht Adressat der Förderung waren. Im Rahmen des al ten Breitbandprogramms war der Mittelabfluss schwierig. Es war orientiert an einer Übertragungsgeschwindigkeit von 1 Mbit/s, also einer – um es deutlich zu sagen – elektronischen Schneckenpost,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Abhaken!)

und war auf Ortsteilnetze ausgelegt. Wir setzen jetzt auf Hoch geschwindigkeitsnetze und haben bewusst die Landkreise mit Planungen mit ins Boot genommen. Jetzt sind wir in der gu ten Situation, dass wir mit dem 2002 gestarteten Programm heute drei Viertel der Landkreise in Baden-Württemberg, die hier in eigenen Planungen sind, durch unsere Förderung un terstützt haben.

Insofern sind wir hier auf dem Weg. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass es in diesem Bereich 700 weiße Flecken gab, bevor wir, Grün-Rot, die neue Breitbandinitiative aufge legt haben. Jetzt sind es noch 200 weiße Flecken. Das macht deutlich, dass wir hier immer noch eine große Aufgabe haben, auch wenn wir auf einem guten Weg sind.

Mit der Verdreifachung der Mittel für diesen Bereich auf 31,7 Millionen € erreichen wir eine Summe, die wir aufgrund der Kalkulation dazu, wie es im Moment in den Landkreisen und bei den kommunalen Investitionen vorangeht, als realistisch ansehen. Wir wollten hier bewusst nicht den Weg gehen, eine möglichst hohe symbolische Zahl anzusetzen, sondern haben versucht, eine Kalkulation zugrunde zu legen, die widerspie gelt, was das Land in den nächsten Jahren an schon bestehen den oder absehbaren kommunalen Projekten finanzieren kann.

Sie haben es ja im Ausschuss gehört: Der Finanzminister hat wie ich deutlich gesagt, dass wir jeden rechtlich genehmi gungsfähigen Antrag – hier bestehen durch EU-Recht und Wettbewerbsrecht Einschränkungen – auch weiter finanziell unterlegen, so, wie es bisher der Fall ist. Wir glauben, dass wir das können. Wenn nicht, muss man hier weitere Schritte gehen.

Ich will an dieser Stelle auch die hierzu gestellte Frage des Abg. Locherer beantworten. Auch ich war über den SPIEGELArtikel zum EU-Investitionsprogramm, insbesondere über die Karte, sehr erstaunt. Es handelt sich bei diesem Vorschlag of fenkundig um einen alleinigen Vorschlag des Bundesfinanz ministeriums. Das erklärt wahrscheinlich auch, weshalb sich der Bundeswirtschaftsminister in einer ersten Stellungnahme dazu auch skeptisch geäußert hat, und zwar auf eine Art und Weise, die einen Hinweis gibt, was das im Koalitionsrahmen bedeuten könnte.

Wir wissen inzwischen, dass Baden-Württemberg in dem In vestitionspaket auch mit Maßnahmen aufgeführt ist, allerdings ausschließlich aus dem Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Die Länder wurden aber bei dieser Vorschlagsliste überhaupt nicht konsultiert. Insofern wird das ganze Verfahren wie auch die Liste ein Tagesordnungspunkt bei der anstehenden Minister präsidentenkonferenz sein, bei der auch die Frage der badenwürttembergischen Anteile sowie die Frage der Priorisierung seitens des Bundes, die wir nicht an jeder Stelle nachvollzie hen können, noch einmal behandelt werden.

(Beifall der Abg. Manfred Lucha und Thomas Mar wein GRÜNE – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, der ländliche Raum ist auch mit der Landwirtschaft verbunden. Der ländliche Raum hängt stark davon ab, dass Landwirtinnen und Landwirte für die All gemeinheit eine wichtige Leistung in der Lebensmittelpro duktion, aber auch zum Erhalt von Strukturen im ländlichen Raum sowie zum Erhalt von Natur- und Kulturlandschaft er bringen. Die neue Förderperiode der Europäischen Union, die mit Verspätung 2015 losgeht und bis ins Jahr 2020 andauert, bietet die Chance, die Fördergelder von EU, Bund und Land stärker als jemals zuvor an genau diesen gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft auszurichten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Burger?

Aber gern.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herr Minister, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben die Leistun gen für die Kulturlandschaft und das neue Programm FAKT, das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tier wohl, angesprochen. Dieses ist mit 740 Millionen €, verteilt auf 16 Einzelprogramme, ausgestattet. Warum treiben Sie hier einen Keil in die Landwirtschaft und fördern Öko- und Bio betriebe, die nur 7 % der landwirtschaftlichen Betriebe in un serem Land ausmachen – von 42 000 Landwirten sind 3 000 Bio- und Ökolandwirte –, mit rund 30 % der zu vergebenden Fördermittel?

Kollege Burger, ich war noch nicht beim Programm FAKT angekommen. Insofern haben Sie den vor bereiteten Fragezettel zu früh gezogen. Aber auf diese Frage komme ich im Weiteren gern noch zu sprechen.

(Zuruf von der CDU)

Der Maßnahmen- und Entwicklungsplan, den wir vorgelegt haben, der, wie auch schon in der Vergangenheit, eine Viel zahl von Programmen beinhaltet, würdigt hier zusätzliche Leistungen von Landwirtinnen und Landwirten, insbesonde re für den Erhalt von Kulturlandschaft, für Umwelt, Klima schutz und Tierwohl. Jeder, der hier zusätzliche Leistungen erbringt, profitiert. Davon können alle profitieren. Diese Leis

tungen sind mit dem neuen Förderprogramm, dem Förderpro gramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl, FAKT, auf den Weg gebracht worden.

Jetzt haben Sie nach der Finanzierung in diesem Bereich ge fragt. Zusammen mit der Landschaftspflegerichtlinie macht das Programm FAKT, also der Bereich der Agrarumweltpro gramme, in der neuen Förderperiode 973 Millionen € aus. Das Vorgängerprogramm MEKA und die Landschaftspflegericht linie haben gemeinsam 902 Millionen € ausgemacht. Das heißt, in der neuen Förderperiode stehen für Agrarumwelt maßnahmen 70 Millionen € – also pro Jahr der siebenjähri gen Förderperiode 10 Millionen € – mehr zur Verfügung. Ich glaube, das macht klar, dass wir hier einen deutlichen Schritt gemacht haben.

Es ist eine Mär, dass nur Biobetriebe davon profitieren. Im Gegenteil, jeder, der zusätzliche Leistungen in diesen Berei chen erbringt, kann über die Programme zusätzliche Leistun gen bekommen. Das war uns wichtig. Die Behauptung, die immer im Raum steht, weise ich zurück. Das ist ein Pro gramm, über das alle, die bereit sind, mehr gesellschaftliche Leistungen auf dem Hof zu erbringen, entsprechende Mög lichkeiten finden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)