Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Finanzpolitische Luftschlösser, die Sie hier letztendlich ge habt haben,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

greifen, wenn man in dieser Situation steht, nicht. Man hat zu nächst einmal die rechtlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen zu überprüfen; Sie ha ben ja insbesondere den Justizvollzug in Baden-Württemberg angesprochen.

(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Karl Zim mermann CDU)

Man muss auch sagen, dass der sächliche und personelle Mehrbedarf, sollte er festgestellt werden, gegebenenfalls in einem Nachtragshaushalt zu berücksichtigen ist. Deswegen haben wir einen entsprechenden Entschließungsantrag einge bracht, der zeigt, dass man erst untersuchen muss, und wenn die Untersuchungen zu einem entsprechenden Ergebnis kom men, muss man dann nachjustieren, damit gegebenenfalls der entsprechende sächliche und personelle Mehrbedarf gedeckt wird.

Das ist eine vernünftige Politik, aber doch nicht das, was Sie machen: ein schnelles Wunschkonzert auflegen und dann zu sagen: Wir haben es gefordert, und ihr lehnt es in dieser Sa che ab. Es gibt keinen Gegenfinanzierungsvorschlag von Ih nen, und wir gehen hier sachgerecht vor. Das ist eine anstän dige Politik – auch gegenüber der Justiz –, die wir hier um setzen wollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das Thema Haftplatzentwicklungsprogramm wollen wir wei terhin umgesetzt sehen. Wir wollen die kleinen, veralteten Jus tizvollzugsanstalten schließen. Ein moderner Strafvollzug ist dort nicht mehr möglich. Aus meiner Sicht ist es bedauerlich, dass der Bürgerentscheid in Tuningen gescheitert ist – es war ein richtiger Standort, es war eine Konversionsfläche direkt an der A 81 –, aber wir sind weiterhin sicher, dass nur eine kurzfristige Verzögerung entstanden ist. Wir streben nach wie vor an, endlich einen geeigneten Standort im südbadischen Bereich zu finden,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

um dann auch eine entsprechende Bewertung zu treffen.

Trotz dieser angespannten finanziellen Rahmenbedingungen – das alles muss man auch sehen – haben wir auch noch Maß nahmen für eine moderne Justiz umsetzen können, und zwar im Sinne eines guten und familienfreundlichen Arbeitgebers. Hierfür sind bestimmte Positionen umgesetzt worden. Im Doppelhaushalt sind jetzt 50 000 € für eine Supervision für Regelvollzugsanstalten enthalten, ferner gibt es Mittel für die Behandlung straffällig gewordener junger Menschen, für ei ne bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Justiz – darauf habe ich zuvor hingewiesen – sowie 100 000 € für die Kinderbetreuung in der Justiz. Das sind alles Maßnahmen, die greifen, und wir haben eine entsprechend positive Rück meldung in der Weise erfahren, dass gesagt wird: Das sind auch wichtige Positionen.

Das flächendeckende Angebot für psychosoziale Prozessbe gleitung für Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg, die durch sexuelle, körperliche Gewalt verletzt worden sind, wird ebenfalls noch entsprechend zu berücksichtigen sein.

Jetzt zu dem, mit dem Sie nochmals angefangen haben, ins besondere zum Vorfall in der JVA Bruchsal. Ich denke, wir sind uns in diesem Haus alle einig, dass ein so schrecklicher und bedauerlicher und nicht hinzunehmender Vorfall nicht mehr vorkommen darf.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Günther-Martin Pauli CDU)

Aber wenn Sie die Behauptung aufstellen, Herr Kollege Hitz ler, der Justizminister habe das alles nicht im Griff, er habe das Haus nicht im Griff, so muss ich doch feststellen: Der Jus tizminister hat doch sofort reagiert, indem er, als diese Vor fälle bekannt geworden sind, eine vorläufige Suspendierung des Anstaltsleiters ausgesprochen hat. Disziplinarverfahren sind eingeleitet worden; da gilt aber natürlich die Unschulds vermutung, das ist doch klar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch, in dieser Frage sind Gutachten eingeholt worden, um dann abschließend den Vorgang bewerten zu können und dann die entsprechenden Schritte einzuleiten. Das muss man doch sehen.

Unabhängig davon ist jetzt das Wiedervorlagesystem zur Über prüfung der Einzelhaftanordnungen neu umgesetzt worden, eine Verwaltungsvorschrift wird erarbeitet. Eine neue Vor schrift zur Einzelhaft insgesamt wird ausgearbeitet. Dabei wird berücksichtigt, welche Prüfungskriterien zugrunde ge legt werden können. Bereits am kommenden Montag trifft sich die Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffäl ligen Gefangenen.

Wo liegen hier also Versäumnisse vor? Hier hat man schnell reagiert. Das muss man doch einfach einmal konstatieren. Man hat das doch nicht einfach laufen lassen. Ganz im Ge genteil, der Justizminister hat gehandelt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Außerdem greifen Sie die Notariats- und Grundbuchamtsre form an.

(Abg. Bernd Hitzler CDU: Die Umsetzung! – Gegen ruf des Abg. Sascha Binder SPD: Das habt ihr ver gessen!)

Sie wissen, dass die Notariats- und Grundbuchamtsreform ih ren Ursprung in der Zeit der Vorgängerregierung hat. Gehen wir diesen Punkt einmal an. Wenn es zu Rücktritten beim Württembergischen Notarverein gekommen ist, dann ist zu sagen: Das ist das gute Recht der Betroffenen, doch dadurch wird die gesamte Angelegenheit natürlich erschwert, weil gar kein richtiger Ansprechpartner mehr zur Verfügung steht, um Vereinbarungen zu treffen und Weiteres zu besprechen.

Eines wollen wir aber doch konstatieren: Die Sonderlaufbahn der Bezirksnotare gibt es auch in Zukunft. Außerdem beste hen Beförderungschancen für Bereichsrichter über 2018 hin aus. Viele haben sich auf die freien Stellen bei den Notariaten beworben. Da geht es voran. Das Verfahren bedeutet natür lich für alle eine große Umstellung, wenn es um den Wechsel vom staatlichen Bereich in den freien Bereich geht. Für vie le, die sich damals bewusst für das Berufsbeamtentum ent schieden haben, ist das eine schwierige Situation. Das wurde uns aber letztendlich vorgegeben. Ich denke, wir haben in der gegebenen Situation einen sozial verträglichen Weg beschrit ten.

Im Gegensatz zum Rechnungshof, der gefordert hat, die Zahl der Servicekräfte bereits derzeit abzubauen, wollen wir noch keinen Personalabbau, weil das Notariat in staatlicher Form bis 2017 gehalten werden muss. Es muss natürlich auch ent sprechend leistungsfähig sein.

Ferner haben Sie die Grundbuchämter angesprochen. Auch das ist vor dem Regierungswechsel auf den Weg gebracht wor den. Herr Kollege Hitzler, vielleicht erinnern Sie sich daran, dass es eine der ersten Maßnahmen der neuen Regierung war, die Anzahl der zentralen Grundbuchämter zu erhöhen, und zwar um zwei: in Ravensburg und in Mannheim. Das waren ganz wichtige Punkte. Es war eine Forderung aus der Justiz heraus, an dieser Stelle nachzubessern. Deshalb gehen wir die sen Weg weiter.

Es gibt viele Baustellen. Das ist gar keine Frage. NEUSTART ist 2006 auf den Weg gebracht worden. 2016 läuft der Vertrag über die Übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe aus. Der vorgelegte Evaluationsbericht ist ein gutes Zeugnis und belegt, dass die mit der Landesgeschäftsstelle, den Geschäfts stellen und den Außenstellen geschaffenen Strukturen sinn voll waren. Keiner der Beteiligten möchte zurück zu einer ir gendwie gearteten Bewährungshilfe, wie es vor 2006 der Fall war.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das war jetzt Ihr bes ter Satz!)

Zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. No vember liegt uns bislang nur eine Pressemitteilung vor. Dabei geht es im Wesentlichen darum, dass ein privater Träger kei ne Weisungsbefugnis gegenüber beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern in Baden-Württemberg hat, wenn ein Priva ter eine staatliche Aufgabe erfüllt. Man muss sehen, was sich daraus ergibt, welche Schlüsse zu ziehen sind, ob im Ergeb nis überhaupt noch eine neue Ausschreibung möglich oder sinnvoll ist.

Diesen Weg werden wir – Grün-Rot – gemeinsam mit dem Justizministerium beschreiten. Wir werden einen Weg finden, um die Qualität der Bewährungshilfe aufrechtzuerhalten. Kei ne Bewährungshelferin und kein Bewährungshelfer soll mehr als 70 Probanden betreuen.

Das waren nur einige Schlaglichter, die ich in meiner Rede zeit aufleuchten lassen konnte.

Zusammenfassend ist festzustellen: Auch in Zeiten, in denen notwendige Einsparungen vorgenommen werden müssen,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

wird ein gutes Ergebnis für den Justizhaushalt zur Abstim mung gestellt. Ich danke im Namen meiner Fraktion dem Jus tizministerium und insbesondere dem Justizminister für die geleistete Arbeit.

Ich möchte zum Schluss auf das zurückkommen, was Sie, Herr Hitzler, vorhin erwähnt haben. Der Ministerpräsident hat vor wenigen Tagen hier gesagt, sein Justizminister habe sein volles Vertrauen. Er hat auch unser volles Vertrauen.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Gute Rede, Jür gen!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Binder das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Zimmermann, vielleicht können wir uns auf etwas einigen. Die CDU-Fraktion hat noch sieben Minu ten Redezeit. Vielleicht gibt sie Ihnen ein bisschen Redezeit. Ansonsten würde ich Ihnen zwei Minuten meiner Redezeit abgeben, wenn ich im Gegenzug die Möglichkeit erhalte, in den nächsten zehn Minuten meine Rede in Ruhe vortragen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zim mermann CDU: Wenn Sie unseren Anträgen zustim men, dann ja!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich bei der heutigen Debatte zum Jus tizhaushalt zunächst das entscheidende Thema der vergange nen Wochen aufgreifen. Die Ereignisse im baden-württember gischen Justizvollzug haben uns alle sehr betroffen gemacht und uns aufgezeigt, dass der Strafvollzug vor enormen und auch neuen Herausforderungen steht.

Zwar sinken die Gefangenenzahlen. Allerdings haben wir es bei einer geringeren Anzahl von Häftlingen immer häufiger

mit sehr schwierigen Persönlichkeitsstrukturen zu tun. Des halb stelle ich hier ausdrücklich klar, dass mich die einfache Formel „geringere Gefangenenzahlen gleich sinkender Perso nalbedarf“ nicht überzeugt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Richtig!)

Die steigende Gewalt gegen Justizvollzugsbeamte, wie sie seit einiger Zeit auch gegenüber Polizeibeamten zu beobachten ist, macht mir und meiner Fraktion große Sorgen. Der früher auch im Strafvollzug grundsätzlich vorhandene Respekt ge genüber dem Staat und seinen handelnden Personen nimmt kontinuierlich ab. Aus meiner Sicht ist dieses gesamtgesell schaftliche Phänomen eine der großen Herausforderungen der Politik, auf die wir alle gemeinsam Antworten finden müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Derjenige, der Antworten auf diese Phänomene hat, sitzt hier. Das ist der Justizminister des Landes Baden-Württemberg. Während andere nur kritisieren, ist er derjenige, der die Ant worten auf diese Herausforderungen hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Nach den Vorfällen sowohl in Bruchsal als auch in Adelsheim hat er reagiert. Adelsheim spielt bei der Opposition im Übri gen kaum mehr eine Rolle. Adelsheim sollte aber eigentlich auch in den parlamentarischen Beratungen eine Rolle spielen, so die Ankündigung des Kollegen Lasotta im Sommer. Da ist aber alles geregelt. Dabei geht es um Gewalt gegen Justizvoll zugsbeamte. Das scheint bei der Opposition aber nicht von besonderem Interesse zu sein.

Wir haben uns die Situation vor Ort in Adelsheim angeschaut. Wir haben uns die Situation der Justizvollzugsbeamten ange schaut, die unmittelbar angegriffen wurden. Aber auch dieje nigen, die an dem betreffenden Tag keinen Dienst getan ha ben, sind durch dieses Ereignis schwer belastet. Darum müs sen wir uns kümmern. Darum hat sich dieser Justizminister gekümmert.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion hingegen, der 500 m Luft linie entfernt von dieser Justizvollzugsanstalt wohnt, hat sich dort kein einziges Mal blicken lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Aha! – Abg. Wal ter Heiler SPD: Ganz schwach!)

Der Justizminister setzt eine Kommission ein. Herr Zimmer mann, Sie haben eine persönliche Einladung erhalten. Viel leicht dürfen Sie als Justizvollzugsbeauftragter jetzt wieder aktiv in die Politik der Justizvollzugsanstalten eingreifen.