Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

(Lachen bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Geradezu mantraartig haben wir an die Qualitätsverbesserun gen erinnert, die auch Grün-Rot im Koalitionsvertrag verspro chen hatte – und übrigens noch viel mehr. Wir haben versucht, klarzumachen, dass die grün-rote Rechnung nicht stimmen kann. Allenfalls rund die Hälfte der Lehrerstellen hätten viel leicht längerfristig eingespart werden können. Aber um das verlässlich sagen zu können, müsste man erst einmal fundiert den Bedarf erheben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nach zwei Jahren unter dem Damoklesschwert der Zahl 11 600 und den ersten schmerzhaften Kürzungen, z. B. beim Entlastungskontingent, setzte die SPD die Verbannung der magischen Zahl durch. Der Sieg der SPD war aber so über wältigend, dass es nun überhaupt keine Sparziele mehr gibt – ein Kurs von einem Extrem ins andere. Auf eine Bedarfser hebung verzichten Sie nach wie vor, und Ihr Bedarfsdeckungs

konzept heißt jetzt: Wir fahren auf Sicht. So findet sich bei spielsweise für Inklusion nichts im Haushalt,

(Zuruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE)

obwohl der Kultusminister 2015/2016 mit dem Inklusions konzept starten will.

(Abg. Georg Wacker CDU: Das kostet ja auch nichts!)

Jetzt wird sich der eine oder andere fragen: Warum kämpft denn der Timm Kern weiter für ein Bedarfsdeckungskonzept? Der ist doch Bildungspolitiker,

(Zurufe von der SPD)

und Bildungspolitiker wollen doch immer so wenig wie mög lich sparen – anders als Finanzpolitiker, denen es beim Spa ren nie weit genug gehen kann. Aber genau an dieser Stelle liegt doch Ihr Problem: Die einen haben die Bedarfe des Bil dungswesens im Blick und die anderen die Notwendigkeit, das Geld zusammenzuhalten. Das dadurch entstehende stän dige Gezerre schafft Unsicherheit und mangelnde Verlässlich keit bei den am Bildungswesen Beteiligten vor Ort. Aber ge rade Verlässlichkeit für Schüler, Eltern, Lehrer, Schulleitun gen und Schulträger sollte im Zentrum der Bemühungen von Bildungs- wie Finanzpolitikern stehen.

Deshalb haben wir, die FDP/DVP-Landtagsfraktion, in unse rem Schulfriedenskonzept einen Vorschlag zur fairen und transparenten Berechnung der Ressourcenzuweisung an die Schulen gemacht. Deshalb haben wir zur heutigen Sitzung er neut ein Bedarfsdeckungskonzept unter Berücksichtigung von Verbesserungen bei der Unterrichtsversorgung, des Ganztags ausbaus und von Inklusionsangeboten beantragt. Das ist der Versuch, die ordnungspolitische Orientierung in zukünftige Kultushaushalte zu bringen, die der grün-roten Bildungspoli tik bislang völlig abgeht.

Die fehlende ordnungspolitische Orientierung der Koalition zeigt sich auch beim Umgang mit den Privatschulen. Gerade weil Sie keine Vision für die Schulen in freier Trägerschaft haben, wurden die Privatschulvertreter unter Ihrer Regierung vom Verhandlungstisch an den Katzentisch gesetzt.

(Lachen der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Zuschusserhöhungen wurden an Bedingungen geknüpft. Da mit ist keine Verhandlung auf Augenhöhe mehr möglich, was aus zwei Gründen bitter ist:

Erstens bringt die Versorgungsabgabe für verbeamtete Lehr kräfte im Privatschuldienst zahlreiche freie Schulen mittel fristig in Existenznöte. Beispiel: Ein kirchliches Gymnasium, an dem typischerweise die meisten Lehrer verbeamtet sind, profitiert von der jetzigen Erhöhung auf 78,7 % nur unwesent lich. Den 67 € mehr pro Schüler und Jahr steht eine Versor gungsabgabe von zukünftig rund 12 000 € pro Lehrer und Jahr gegenüber.

Im Einzelplan des Kultusministeriums findet sich im Übrigen nichts zur Versorgungsabgabe, obwohl das doch zu einer transparenten Einnahme- und Ausgabenrechnung dazugehört. Honi soit qui mal y pense – ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

(Oh-Rufe von der SPD und den Grünen)

Zweitens konnten die freien Schulen vom Katzentisch aus ih re Anliegen nicht mehr einbringen. Sie fordern zu Recht eine faire Beteiligung an den Aufwendungen des Landes für Ganz tagsbetreuung, für Schulsozialarbeit sowie perspektivisch für die Inklusion. Diese Bereiche waren bisher von der Förderung ausgeklammert. Wenn man aber alle entstehenden Kosten auf der Landesseite wie auf der Schulseite verrechnen will, kann man diese Bereiche nicht weiter ausklammern.

Die Koalition hat jedoch den Antrag der FDP/DVP-Fraktion zur fairen Berücksichtigung der freien Schulen abgelehnt. Grüne und SPD verabschieden sich damit vom baden-würt tembergischen Modell einer freien Schule in sozialer Verant wortung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Denn die freien Schulen haben es nun zunehmend schwerer, mit einem moderaten Schulgeld auszukommen. Dabei sagt sogar das Grundgesetz, dass niemand aufgrund der wirtschaft lichen Situation vom Besuch einer Privatschule abgehalten werden darf.

Auch der Umgang mit den internationalen Schulen macht den geringen Stellenwert nicht staatlich-kommunal getragener Schulen bei Grün-Rot deutlich. So wurde der Europäischen Schule Karlsruhe im Haushaltsplan ab 2016 der Zuschuss ge strichen. Erst nachdem die FDP/DVP angekündigt hat, im Par lament eine namentliche Abstimmung über die Rücknahme der Streichung durchzuführen,

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Quatsch!)

lenkte die grün-rote Koalition gezwungenermaßen ein, ob wohl sie die guten Argumente der FDP/DVP noch im Finanz ausschuss nicht gelten ließ.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Diese wankelmütige Politik der Koalition trägt nun wirklich nicht dazu bei, dass die Verantwortlichen vor Ort Planungssi cherheit haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aus unserer Sicht stellt der – relativ geringe – Landeszuschuss sicher, dass auch Kinder aus Karlsruhe und Umgebung die ansonsten von der EU getragene und finanzierte Schule besuchen können. In dieser Gefechtslage verbietet sich eine unzuverlässige Politik nach Kassenlage in besonderer Weise.

Ein wenig Anlass zur Hoffnung hätte das Realschulkonzept des Kultusministers geben können, für das übrigens auch nichts in den aktuellen Haushalt eingestellt ist. Allerdings ist fraglich, ob damit eine echte Stärkung der Realschulen beab sichtigt ist oder nicht vielmehr eine Einführung der Gemein schaftsschule durch die Hintertür.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nichts an deres! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Das ist für uns, die FDP/DVP-Fraktion, die entscheidende, die Gretchenfrage. Der Verband Bildung und Erziehung spricht von einem Trojaner. Die wie üblich äußerst gereizte Reakti on des Kultusministers ist wohl als Zeichen dafür zu werten, dass ihn der VBE bei seinem schlechten Gewissen ertappt hat.

Überhaupt ist der Kultusminister überfordert, wenn es um den Umgang mit Kritik geht.

(Lachen der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Es perlte nicht nur die Problemanzeige der Direktorenverei nigung zur gestiegenen Sitzenbleiberquote an ihm ab, sondern sein SPD-Vorsitzender setzte noch einen drauf: Bei den mor gen stattfindenden Schulfriedensgesprächen soll ein dauerhaf ter Verzicht auf eine verbindliche Grundschulempfehlung ver einbart werden. Dieser Vorschlag zeigt ein verbissenes Un vermögen, auf auftretende Probleme im Bildungsbereich sach lich angemessen zu reagieren. Denn welchen Sinn sollte es ergeben, auf zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten zu verzich ten, wenn die Tendenz bei der Sitzenbleiberquote klar stei gend ist?

Wir Liberalen schlagen vor, zunächst der aufnehmenden Schu le ein Informationsrecht hinsichtlich der Grundschulempfeh lung zu geben und Stützkurse einzurichten. Wenn dann trotz aller Anstrengungen die Sitzenbleiberquote nicht sinkt, darf eine Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfeh lung nicht tabu sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Meine Damen und Herren, wenn man auf Sicht fährt und zu sätzlich noch ideologische Scheuklappen trägt, wird der Ho rizont sehr eng. Gerade die morgen anstehenden Schulfrie densgespräche verlangen aber Offenheit, Klarheit und Sach bezogenheit, wenn sie Erfolg haben wollen. Vonseiten der FDP gehen wir offen und ohne Vorbedingungen, aber mit sehr klaren Vorstellungen in die Gespräche.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Unsere Vorstellungen haben wir in unserem Schulfriedens konzept am 1. Oktober vorgelegt – übrigens bislang als ein zige politische Kraft. Der Haushalt des Kultusministeriums lässt eine ordnungspolitische Orientierung vollständig vermis sen. Deshalb taugt er nicht als Basis für einen Schulfrieden, wie wir Liberalen ihn uns vorstellen: faire Wettbewerbsbedin gungen für alle Schularten, Verzicht auf Privilegierungen und die Freiheit der Verantwortlichen vor Ort, über ihr Schulan gebot selbst zu entscheiden.

So, wie diese Regierung wenig mit den freien Schulen anfan gen kann,

(Zurufe der Abg. Beate Böhlen und Manfred Lucha GRÜNE)

fehlt ihr ganz offensichtlich auch das grundsätzliche Verständ nis für die Bedeutung des ehrenamtlich organisierten Sports. Die ehrenamtliche Tätigkeit Tausender Menschen ist für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft unentbehrlich. Mit ho hem persönlichen Engagement schaffen Ehrenamtler Mög lichkeiten für gemeinsames Erleben, Gestalten und Lernen, stehen sie Hilfsbedürftigen bei. Engagement im Sport dient zusätzlich der Gesundheit und reduziert so die Kosten des Ge sundheitswesens. Dieses Engagement muss der Staat fördern, auch finanziell.

Schauen Sie sich nun aber einmal die Sportstätten in unserem Land an. Viele drohen zu verkommen. Hier muss mehr getan werden.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Angesichts der erheblichen Steuermehreinnahmen der letzten Jahre hätte Grün-Rot auch ohne eine Neuverschuldung an die ser Stelle sinnvoll mehr Geld einsetzen können, statt es für grün-rote Prestigeobjekte auszugeben.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Dr. Kern, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fritz?

Am Ende sehr gern. – Die 88 000 €, mit denen Sie beispielsweise eine Radmodenschau mit 600 Gästen finanzierten, hätten schon dem ersten Sport platz um die Ecke deutlich besser getan.

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dem Schulsport gehe es unter Grün-Rot gut. Beispielsweise hat die Landesre gierung mit dem Sport eine eigene Rahmenvereinbarung zur Kooperation von Schulen und Sportvereinen geschlossen. Dass die Schulen die Hälfte der ihnen zugewiesenen Perso nalressourcen in Geldmitteln z. B. für die Anstellung von Übungsleitern aus einem Verein verwenden können, begrü ßen wir Liberalen ausdrücklich.

Aber bei der Ganztagsschule insgesamt hat Grün-Rot aus un serer Sicht die Weichen falsch gestellt. Das grün-rote Gesetz schreibt allen Ganztagsschulen Rhythmisierung vor; das heißt, Unterricht und offene Angebote wechseln sich den Tag über ab. Ein Vormittagsangebot ist aber für ehrenamtlich Tätige un ter Umständen sehr viel schwieriger zu organisieren als ein Nachmittagsangebot. Leider verweigert sich die Landesregie rung bisher dem Vorschlag der FDP/DVP, auch die offene Ganztagsschule – mit Unterricht am Vormittag und offenen Angeboten am Nachmittag – ins Schulgesetz aufzunehmen. Das würde echte Wahlfreiheit für die Eltern bedeuten, etwa wenn sie einmal ein außerschulisches Angebot des Sportver eins annehmen möchten und dafür lieber auf die Angebote der Schule verzichten.

(Minister Andreas Stoch schüttelt den Kopf.)

Zusätzlich die offene Form der Ganztagsschule ins Schulge setz zu bringen – auch das wollen wir in die morgigen Schul friedensgespräche einbringen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.