Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

(Zuruf von den Grünen: Das ist großzügig!)

Aber zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie für diese Schulart noch nicht einmal einen Qualitätsnachweis erbracht oder den päd agogischen Mehrwert bewiesen haben,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

muss ich diese Ausgaben als Steuerverschwendung pur be zeichnen. Das ist ungerecht.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Aber auch der Vergleich zu den Werkrealschulen ist interes sant. Die Ausgaben pro Schüler an der Gemeinschaftsschule betragen 7 000 €, pro Schüler an der Haupt- bzw. Werkreal schule 3 000 €,

(Zuruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

obwohl die Schülerzusammensetzung dort mit der an der Ge meinschaftsschule sicher noch am ehesten vergleichbar ist. Jetzt sagen Sie wahrscheinlich: „Ja, klar, die Gemeinschafts schule ist eine besondere Schulart; sie ist eine inklusive Schu le, sie ist eine Ganztagsschule.“ Nur, meine Damen und Her ren, so viele Sonderpädagogen

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

haben Sie an der Gemeinschaftsschule nicht, um diese Aus gaben zu rechtfertigen. Außerdem ist mittlerweile jede zwei te Werkrealschule im Land eine gebundene Ganztagsschule. Insofern lässt sich dieses Argument nicht heranziehen.

Sie erbringen keinen positiven Qualitätsnachweis für Ihre Bil dungspolitik, Sie erbringen einen negativen Qualitätsnach weis für Ihre Bildungspolitik. Man sieht es an der Zahl der Sitzenbleiber. Im Schuljahr 2011/2012 sind nur 0,7 % der Fünftklässler an unseren Schulen sitzengeblieben. Wir waren damit deutschlandweit Spitzenreiter. Mittlerweile hat sich die se Zahl vervierfacht bzw. verfünffacht. Wenn wir jetzt den Ländervergleich heranziehen, erkennen wir, dass Sie, Herr Minister, auf dem besten Weg sind, in diesem Bereich die ro te Laterne unter allen Bundesländern zu übernehmen. Von ei nem Spitzenplatz zum letzten Platz im Ländervergleich, das ist ein erstes Qualitätszeugnis Ihrer Bildungspolitik in BadenWürttemberg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dann folgen Sie dem Kurs einer Verschleierung. Ihr Partei vorsitzender Nils Schmid hat in einem Schreiben an die Par teivorsitzenden in Baden-Württemberg den Realschulen eine Existenz- und Entwicklungsperspektive zugewiesen. Das ist zunächst einmal positiv.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Als Gemeinschafts schule, ja!)

Aber gleichzeitig sagt Ihr grüner Koalitionspartner nach wie vor, dass wir eine Zweisäuligkeit im Bildungssystem brau chen. Unter Zweisäuligkeit verstehen Sie Gymnasium und in tegrative Schule, nämlich die Gemeinschaftsschule. Wenn ich aber Ihren Finanz- und Wirtschaftsminister höre, spricht der plötzlich von einer Drei- oder sogar einer Viergliedrigkeit – Gymnasium, Werkrealschule, Gemeinschaftsschule und Re alschule.

Meine Damen und Herren, was passiert denn nach Ihrem Wil len tatsächlich mit der Realschule? Wir sagen in aller Deut lichkeit: Wir haben Ihnen ein Konzept auf den Tisch gelegt, das sich in den wesentlichen Inhalten von dem unterscheidet, was Sie jetzt vorgelegt haben, wenn auch auf den ersten Blick der Eindruck entsteht, dass es durchaus auch Ähnlichkeiten gebe. Was die Fassade Ihres Konzepts betrifft, gibt es Ähn lichkeiten. Aber bei den Inhalten stellen wir deutliche Unter schiede fest. Wir fordern die Ermöglichung einer Leistungs differenzierung

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

ab Jahrgangsstufe 5. Das lassen Sie in Ihrem Konzept nicht zu. Aber gerade dort brauchen die Schülerinnen und Schüler einen leistungsdifferenzierten Unterricht.

Wir sagen, ab Jahrgangsstufe 7 brauchen wir einen leistungs differenzierten Unterricht an der Realschule, um auf den Haupt schulabschluss und den Realschulabschluss vorzubereiten, in Deutsch, Mathematik, Fremdsprache und Naturwissenschaften in Form eines durchgehenden Bildungsgangs. Sie lassen jetzt lediglich je zwei Stunden in Deutsch und Mathematik zu.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Ausnahmsweise“, heißt es!)

Das war es dann auch schon. Von einem durchgängigen Bil dungsangebot sprechen Sie nicht mehr, erst ab Jahrgangsstu fe 9. Das käme dann einem unverantwortlichen Paukkurs gleich, hat aber mit einem vernünftigen Bildungsweg über haupt nichts zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig, überhaupt nichts!)

Sie wollen die Gemeinschaftsschule durch die Hintertür ein führen und dafür die Realschule instrumentalisieren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wir bekommen in diesen Tagen sehr viele besorgniserregen de Briefe von Realschulpädagogen zur Kenntnis. Ich möchte Ihnen nur ein Schreiben eines Junglehrers gern zur Kenntnis geben und daraus zitieren:

Als Student – ich stehe inzwischen in meinem sechsten Be rufsjahr – habe ich sogar geglüht für die Ideen der Ge meinschaftsschule und Co. Das waren die Zeiten des Ide alismus. Heute ist der Realismus eingekehrt. Die Reali tät sieht aber so aus: In meinem Klassenzimmer befinden sich zwischen 27 und 31 Schüler. Das heißt für mich, je homogener die Leistungsstruktur, desto erfolgreicher mei ne Arbeit und die Klasse. Da wir kleinere Lerngruppen nicht schaffen, ist – aus der Praxis argumentiert – das Credo Leistungsdifferenzierung, und wir werden weiter hin in der Masse erfolgreich sein und den Wirtschafts standort Baden-Württemberg erhalten.

Das ist eine vernünftige pädagogische Einstellung, die viele Pädagogen an unseren Realschulen haben. Meine Damen und Herren, verantwortungsvolle Bildungspolitik heißt, genau die sem Anliegen Rechnung zu tragen. Schließen Sie sich endlich unserem Konzept an, Herr Minister, und zwar nicht nur bei dem, was die Fassade betrifft, sondern bei dem, was insge samt das Konzept betrifft. Dann, glaube ich, ist ein wichtiger, wegweisender Schritt zu einer besseren Bildungspolitik in Ba den-Württemberg getan.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Zum Abschluss noch einige wenige Sätze zur größten Bau stelle, die Sie überhaupt noch nicht in Angriff genommen ha ben. Das ist das Thema Inklusion.

(Widerspruch des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Da sind wir auch etwas verwundert. Plötzlich soll Inklusion quasi zum Nulltarif gehen. In allen Ländern wird über Mehr kosten im Bereich der Inklusion geklagt, nur in Baden-Würt temberg nicht. Im Haushalt finden wir hierzu keine Position. Die Schulen fragen: Wie sollen wir das bewerkstelligen? Wel che Unterstützung bekommen wir seitens des Landes? Wie sieht es mit der sonderpädagogischen Unterstützung an den allgemeinbildenden Schulen aus? Wie viele Kinder mit Be hinderung sollen wir aufnehmen? Welche Kinder mit Behin derung sollen wir aufnehmen? Wer entscheidet darüber, wel che Kinder wir an den Schulen aufnehmen sollen?

Die Verunsicherung ist groß. Man macht sich größte Sorgen, was die Möglichkeit betrifft, überhaupt noch einen guten Un terricht für alle Kinder erteilen zu können. Sie ziehen sich ins Schneckenhaus zurück, kündigen lediglich von Jahr zu Jahr an, dass Sie in diesem Bereich etwas tun wollen. Zuletzt ha ben Sie angekündigt, noch vor Weihnachten 2014 einen Ge setzentwurf vorzulegen. Wir sehen keinen Gesetzentwurf.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das hat ja auch noch zwei Wochen Zeit!)

Wir haben größte Sorge, ob dieses Thema überhaupt noch in dieser Legislaturperiode in Angriff genommen werden kann.

Ich darf Ihnen sagen, Herr Minister: Das ist absolut unver ständlich. Denn im Mai dieses Jahres sprachen Sie davon, dass man für diesen Bereich etwa 4 000 Stellen brauche, und jetzt sprechen Sie von überschaubaren Aufwendungen. Dieser Kurs hat mit Haushaltsklarheit, mit Haushaltswahrheit überhaupt nichts zu tun. Die Schulen brauchen jetzt Klarheit über die Anforderungen und vor allem auch die notwendige Unterstüt zung bei dem, was sie in diesem Bereich tatsächlich leisten können – zum Wohle der Kinder mit und ohne Behinderun gen.

Meine Damen und Herren, das, was Sie in diesem Bereich machen, ist verantwortungslos. Das ist die größte Baustelle. Daran werden wir Sie in den nächsten Monaten in besonde rem Maße messen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht die Kollegin Boser.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Planst du für ein Jahr, so säe Korn, planst du für ein Jahr zehnt, so pflanze Bäume, planst du für ein Leben, so bil de Menschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Landesregie rung plant die Zukunft dieses Landes, und wir investieren in die Bildung wie keine andere Landesregierung zuvor.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir haben bereits in den vergangenen drei Jahren die Bil dungsausgaben für die Schülerinnen und Schüler pro Kopf um 18 % steigern können. Mit diesem Haushalt gehen wir einen weiteren Schritt voran.

Für uns, sehr geehrter Herr Wacker, sind Bildungsausgaben in keinem Fall Steuerverschwendung pur. Wir sehen Bildungs ausgaben als eine wichtige Investition für dieses Land. Hier von Steuerverschwendung zu sprechen ist wirklich etwas, was ich noch nie gehört habe.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Das zeigt auch: Die Priorität unseres Haushalts liegt eindeu tig in der Bildungspolitik. Wir denken Bildungspolitik nicht nur in Einzelbestandteilen, sondern wir denken Bildungspo litik vom Kleinkind bis zum Senior. Wir haben daher auch in diesem Haushalt alle Bereiche der Bildung in den Blick ge nommen und in alle Bereiche investiert.

Wir haben nochmals in die Kleinkindbetreuung investiert. Seit dem Pakt mit den Kommunen haben wir den Anteil der Plät ze im Land von 17 % auf 27 % steigern können. Das war et was, das diese Landesregierung geschafft hat. Das war nicht etwas, was Sie in irgendeiner Form vorbereitet hätten. Das zeigt, dass sich dieser Pakt auszahlt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir schaffen damit die wichtige Voraussetzung, dass die Ver einbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert wird und dass es ein sehr gutes Angebot für die Kleinsten im Land gibt. Wir haben daher in diesen Haushalt noch einmal 50 Millio nen € eingestellt, damit am Ende tatsächlich auch 68 % der Betriebskosten bei den Kommunen im Land ankommen, und wir haben den Anteil der Elternbeiträge angepasst.

Wir haben ein Lückenschlussprogramm für die Investitionen im Kleinkindbereich in Höhe von 50 Millionen € aufgelegt, um die auslaufenden Bundesmittel aufzufangen und die In vestitionen der Kommunen weiter unterstützen zu können. Damit schaffen wir Planungssicherheit für die Kommunen und sichern die Unterstützung für den Bau von Kitas.