Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Herr Glück, genau das habe ich vorhin ja gesagt: Bislang geht die Berechnung von dem Zeit punkt aus, zu dem das Fahrzeug ausrückt. Ich halte es jedoch für richtig und sachgerecht, die Frist dann beginnen zu lassen, wenn der Anruf eingeht.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Das ist falsch, Herr Filius! – Weitere Zurufe von der CDU, u. a. des Abg. Dieter Hillebrand)

Aber das ist noch nicht so. – Das bestreite ich ja nicht; das ist ja so. Aber das ist eine Forderung, und an dieser Forderung halte ich fest.

Hier geht es noch um einen weiteren Bereich, und zwar müs sen wir auch sehen, wie sich die Verzahnung mit den Kom munen gestaltet.

Häufig kommt es dort auch mit dem DRK in der Nähe – ich möchte es einmal so sagen – zu Vernetzungen, bei denen man Transparenz herstellen sollte. Aus meiner Sicht ist es wichtig und gut, dass die Kommunen in dieser Frage eine stärkere Ver antwortung übernehmen, wenn man solche Überlegungen an stellt. Dann muss eine Inkompatibilität festgestellt werden, um zu vermeiden, dass der eine oder andere in Verbindung zu einander steht, ohne dass es Transparenz in diesen Bereichen gibt.

Nun zu der immer wieder aufgeworfenen Frage, ob es sinn voll war, dass die Zuständigkeit für den Rettungsdienst zum Innenministerium gekommen ist. Ja, das ist sinnvoll, weil es ansonsten Doppelstrukturen geben würde. Denn auch die Zu ständigkeit für die Feuerwehr ist im Innenministerium ange siedelt. Zur Vermeidung von Doppelstrukturen ist es richtig, die Dienste zur täglichen Gefahrenabwehr zu bündeln und ef fizient zu machen.

Herr Hillebrand, von Ihnen wurde gesagt, das Bessere sei des Guten Feind. Deshalb müssen wir auch im Rettungsdienst weiterarbeiten. Auch die Technik – Stichwort Digitalfunk – muss vorangebracht werden. Aus unserer Sicht ist auch das Konzept der Integrierten Leitstellen richtig. Auch hier müs sen wir weiter voranschreiten.

Vom Ministerium sind zunächst nur bestimmte Informationen an die Presse hinausgegangen, ohne dass schon ein Eckpunk tepapier oder etwas anderes vorliegen würde. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die ganzen geäußerten Überlegungen Berücksichtigung finden werden. Wenn hier das gesamte Par lament an einem Strang zieht, um Lösungen im Sinne der Menschen in Baden-Württemberg zu finden, dann würde mich das sehr freuen. Dass die Rettungskräfte in Baden-Württem berg einen guten Job machen, habe ich schon gesagt.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Da sind wir einer Mei nung!)

Mit diesen Worten darf ich schließen. Wenn Herr Hillebrand sagt: „Da sind wir einer Meinung“, dann ist das auch einmal schön.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Funk.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Nach dem einen oder anderen etwas aufgeregten Presseartikel war ich geneigt, der FDP/DVP schon fast dankbar zu sein, dass sie dieses Thema auf die Ta gesordnung gesetzt hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das kann nie schaden!)

Aber eben nur fast, Herr Kollege Bullinger. – Wenn ich dem Kollegen Hillebrand uneingeschränkt zustimme, dass dieses Thema viel zu ernst ist, um daraus einen parteipolitischen Vor teil zu schlagen, und wenn es angebracht ist, den Gesetzent wurf abzuwarten, dann muss ich mir allerdings schon die Fra ge stellen, welchen aktuellen Bezug der Vorstoß der FDP/DVP zu diesem Thema hat. Aus meiner Sicht ist das nicht mehr als das Stochern im Nebel.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn der Vorwurf wahr wäre, dass diese Landesregierung plante, allein an der Hilfsfrist schraube zu drehen und bei den Hilfsfristen womöglich eine Verschlechterung vorzusehen, dann könnte man darüber noch ernsthaft diskutieren. Ich kenne dafür jedoch keinen ernsthaf ten Beleg, wie auch alle bisher veröffentlichten Zahlen reich lich vage geblieben sind.

Im Gegenteil, diese Landesregierung ist daran interessiert, dass das hervorragende Rettungsdienstsystem in Baden-Würt temberg so leistungsfähig bleibt, wie es ist. Sie packt die He rausforderungen an, damit dies auch in Zukunft gewährleis tet ist. Ich hätte mir schon gewünscht, dass bei einer solchen Debatte auch die Gelegenheit genutzt worden wäre, einmal darauf hinzuweisen, welche Anstrengungen dazu bereits in der Vergangenheit unternommen worden sind. Bezeichnen derweise hat gerade Professor Goll wenig dazu gesagt.

Das fängt beim Aufbau des landesweiten Qualitätsmanage ments an, das man auf den Weg gebracht hat, um mehr Trans parenz ins System zu bringen, Stärken zu stärken und Poten ziale zu entwickeln. Dazu gehört auch das GPS-gestützte Flot tenmanagement, das mit dazu führen soll, die Effizienz im

Rettungswesen zu steigern. Ebenso gehören dazu die ange strebte Abkehr von der Mehrzweckfahrzeug-Strategie oder die zahlreichen Verbesserungen, die es allein in diesem und im vergangenen Jahr durch eine erhebliche Förderung der Luftrettung gegeben hat. Alles dies dient dem Wohl des Pati enten und trägt dazu bei, dass er schnell versorgt werden kann.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Warum sollten wir darüber jetzt nicht sprechen?)

Wir sprechen darüber auch, weil im Unterton suggeriert wird, das Rettungswesen in Baden-Württemberg wäre auf keinem guten Weg. Es war die Rede davon, dass Baden-Württemberg keinen Spitzenplatz mehr belegen würde. Da muss ich aber schon sagen: Das System, das wir hier praktizieren, ist in der Bundesrepublik einzigartig und kann schon deshalb nur be dingt mit anderen Bundesländern verglichen werden. Wenn Sie sagen, wir würden hier weit hinten liegen und das System wäre nicht mehr gut, dann kann ich nur sagen: Es ist schließ lich Ihr System. Es ist das System, das zuletzt im Rahmen der Änderung des Rettungsdienstgesetzes 2009 noch einmal un termauert wurde. Wenn Sie hier Missstände kritisieren, muss ich sagen: Sie hätten Zeit und Gelegenheit gehabt, dafür sub stanzielle Verbesserungsvorschläge einzubringen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Ihr regiert seit drei Jahren! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Vier Jahre!)

Aus den Reihen des Deutschen Roten Kreuzes heißt es: „Ei ne Regelung, die die Notfallrettung für die Bürger verschlech tert, lehnen wir entschieden ab.“ Dazu kann ich nur sagen: Dieses Zitat unterstreicht die SPD-Fraktion voll und ganz. Wir befinden uns hier auch an der Seite des Roten Kreuzes. Unser Ziel ist es, auch im Rettungsdienst schneller und besser zu werden.

Ich will darauf hinweisen, dass es sich bei den Hilfsfristen le diglich um eine Planungsgröße für den Aufbau der rettungs dienstlichen Strukturen handelt. Gerichte gehen in der Regel davon aus, dass diese Planungsgröße bereits bei 80 % erfüllt ist. Die Bereichsausschüsse haben sich eine strengere Vorga be gegeben. Für diese ist die Planungsgröße erst dann erfüllt, wenn im gesamten Rettungsdienst 95 % aller Einsätze im Ka lenderjahr innerhalb der vorgegebenen Frist geleistet werden. Das gilt sowohl für den Rettungswagen als auch für den Not arzt, der spätestens nach 15 Minuten vor Ort sein soll.

Sie haben darauf hingewiesen, dass das eine schwierige, um nicht zu sagen: eine schwammige Formulierung ist. Wir ha ben zwar zehn bis 15 Minuten, aber in allen mir bekannten Erfolgsstatistiken wird in der Regel immer von den 15 Minu ten ausgegangen. Kaum jemand legt die zehn Minuten zugrun de. Davon unabhängig ist zu berücksichtigen, dass diese Frist in Ballungszentren und städtischen Räumen eine ganz ande re Rolle spielt als auf dem Land –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau um das Land geht es!)

Kollege Filius hat darauf schon hingewiesen –; denn es ist klar, dass wir in Städten und Ballungszentren diese Vorgabe sehr viel eher einhalten, als es in der Fläche des Landes der

Fall ist. Ich rate deswegen dringend dazu, auch bei der Frage der Hilfsfristen ehrlich vorzugehen. Schon jetzt gehen wir in der Regel nur von den 15 Minuten aus.

Wenn wir das einmal zugrunde legen, müssen wir natürlich auch die Frage stellen: Was ist denn eine gebotene Hilfsfrist? Wenn es darum geht, Leben zu retten, eine Reanimation vor zunehmen, dann würden wir vielleicht nur über drei bis fünf Minuten reden. Sie sind sicher mit mir der Meinung, dass so etwas in der Praxis völlig unrealistisch, im Übrigen auch un bezahlbar wäre.

Jetzt steht eine kritische Überprüfung dieser schwammigen Formulierung im Rettungsdienstgesetz an, um eine Verbesse rung nach vorn zu erreichen und dem Anspruch auf zehn Mi nuten so nahe wie möglich zu kommen. Das erste Rettungs mittel soll möglichst nach zehn Minuten und nicht erst nach 15 Minuten vor Ort sein. Ob das am Ende nach zwölf, 13, 14 oder bestenfalls nach zehn Minuten der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Wenn wir nach ersten Arbeitspapieren wirklich einmal einen konkreten Gesetzentwurf haben, können wir da rüber auch verlässlich reden.

Baden-Württemberg hat als einziges Bundesland gegenüber allen anderen Bundesländern die absolute Besonderheit der doppelten Hilfsfrist. Deswegen halte ich es für gut und rich tig, dass das Innenministerium eine sinnvolle Neuregelung er wägt. Ich sage es aber noch einmal: Konkrete Zahlen sind mir bis zur Stunde nicht bekannt. Hier steht man noch im Dialog mit denen, die es betrifft.

Es geht darum, die Istsituation zu verbessern. Ich sage noch einmal: 15 Minuten sieht in aller Regel in allen anderen Bun desländern die dort getroffene Regelung vor, und die bezieht sich auf das Eintreffen des ersten Rettungsmittels. Falls der Notarzt nicht das erste Rettungsmittel sein kann, kann er des wegen natürlich auch etwas später eintreffen. Man macht al so aus der doppelten eine differenzierte Hilfsfrist.

Warum ist das so? Von Vorrednern wurde zu Recht darauf hin gewiesen, dass wir mit der Einführung des Notfallsanitäter gesetzes einen ganz neuen Weg beschreiten. Ihnen ist natür lich bekannt, dass der Notfallsanitäter aufgrund seiner Aus bildung eine deutlich andere Befugnis hat als bisher der Ret tungsassistent, dass er nämlich Tätigkeiten vornehmen kann, die bislang nur dem Notarzt vorbehalten waren. Deshalb ist es zur Aufrechterhaltung wichtiger Vitalfunktionen eine Ver besserung, wenn mit einem Notfallsanitäter das erste Ret tungsmittel nach zwölf oder 13 Minuten eintrifft.

(Beifall des Abg. Jürgen Filius GRÜNE)

Dann ist es auch nicht so entscheidend, wenn der Notarzt ge gebenenfalls ein paar Minuten später dran sein sollte.

Was die strukturellen Änderungen angeht, die Sie mit Ihrer Debatte aufwerfen, stellt sich mir die Frage, was Sie damit ei gentlich konkret meinen, wenn Sie nicht gezielt auf das The ma „Kommunalisierung im Rettungswesen“ hinauswollen.

Ich habe es schon erwähnt: Alle bisher bestehenden Regelun gen – auch die eine oder andere von Ihnen kritisierte Rege lung – stammen aus Ihrer Regierungszeit, aus dem Jahr 2009. Auch das Problem mit den Hilfsfristen besteht weiß Gott nicht

erst seit gestern. Deswegen bin ich sehr gespannt, inwieweit Sie sich im Gesetzgebungsverfahren noch konkret mit ein bringen und Vorschläge machen. Denn das Rettungsdienstge setz ist ja noch nicht geschrieben.

Ich stelle für die SPD-Fraktion fest: Die Weichen im Rettungs dienst werden in Baden-Württemberg nicht falsch gestellt. Im Gegenteil: Die Landesregierung macht sich auf allen Feldern ernsthafte Gedanken, wie sie den Istzustand verbessern kann. Deswegen: Nein, die Hilfsfristen für Einsatzkräfte werden nicht verlängert, allenfalls präzisiert.

Neue Vorschläge für strukturelle Veränderungen waren heute von FDP/DVP und CDU noch nicht zu hören; sie sind in der Diskussion aber durchaus erwünscht.

Ich danke der Landesregierung dafür, dass sie daran arbeitet, die Neuregelung des Rettungsdienstwesens voranzubringen. Ich danke namens der Fraktion den Einsatzkräften, die täglich für eine gute Versorgung im Land ihr Bestes geben.

Lassen Sie diese Landesregierung in Ruhe ihre Arbeit tun. Das ist allemal besser, als die Öffentlichkeit zu verunsichern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das könnte euch so passen!)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Ich will, Herr Hillebrand, eine Ihrer Bemerkungen zu Beginn einmal aufgreifen. Sie ha ben gesagt, dass dieses Thema nun wirklich nicht für politi sche Scharmützel taugt, sondern man sich ernsthaft damit aus einandersetzen sollte. Das haben wir gerade bei diesem The ma immer wieder unter Beweis gestellt – Jahre zurück unter Ihrer Verantwortung, heute unter der unsrigen. Wie gesagt, da mals gab es – jedenfalls im Kern des Bemühens – keinen Dis sens, dass wir um die Verbesserung der Versorgung und der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land be müht sind.

Aber wenn man dies ernst meint, sollte man bei solchen De batten auch nicht ansatzweise, nicht schon einmal zu Beginn einer solchen Diskussion versuchen

(Zuruf von der CDU)

da meine ich jetzt nicht Sie –, den Eindruck zu erwecken, irgendjemand erwäge eine Verschlechterung des Systems. Denn es gibt Handlungsbedarf, und dem stellen wir uns. Das ist doch völlig klar. Deshalb wird entsprechend diskutiert.

Meine Damen, meine Herren, eine solche Debatte sollte auch nicht den Eindruck erwecken – jedenfalls meines Erachtens nicht –, dass es um unser System in Baden-Württemberg nicht gut bestellt wäre. Gestatten Sie mir deshalb einfach – gerade auch, weil öffentlich darüber berichtet wird –, noch ein paar Be merkungen dazu zu machen, was heute dieses System prägt, was es ausmacht und worauf wir – das heißt, alle, die daran beteiligt sind – meines Erachtens nach wie vor stolz sein dür fen.

Wir, die Landesregierung, haben uns bisher zu eigen gemacht – ich sehe keinen Grund, dies zu ändern; das will ich aus drücklich sagen –, dass wir die Notfallrettung durch vertrag liche Vereinbarungen nicht staatlichen Rettungsorganisatio nen als gesetzlichen Leistungserbringern und -trägern über tragen. Das hat sich im Kern bewährt,