Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Schmiedel.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es geht gleich hoch her hier im Land tag in Ihrer ersten Sitzung als Fraktionsvorsitzender, Herr Kol lege Wolf. Sie haben mit Ihrer Wahl versprochen, dass Sie Kri tik an der Koalition und an der Regierung mit Maß und Mit te üben wollten. Aber das war jetzt wieder der alte, gewohn te Stil, der Versuch einer Frontalopposition mittels eines Dampfwälzele.

(Heiterkeit)

Deshalb will ich jetzt zur Versachlichung beitragen, es jeden falls versuchen und unterscheiden zwischen dem Sachverhalt, über den wir heute reden, sowie unserer Bewertung und ei nem möglichen Vorschlag, wie man jetzt mit dieser Situation umgeht. Dann will ich natürlich auch noch auf Ihre morali schen Vorhaltungen, Herr Kollege Pröfrock, eingehen.

Zum Sachverhalt: Die Fraktion GRÜNE hat beim Landtags direktor Mithilfe angefragt bei einer, wie es heißt, forensi schen Untersuchung, ob es unerlaubte Zugriffe auf E-MailAccounts von Mitgliedern und Mitarbeitenden der Fraktion gibt – so heißt es in dem Schreiben. Das ist der Sachverhalt.

Dies hat dann nicht stattgefunden,

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

weil es offensichtlich wenig ergiebige Daten gab.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Zu teuer!)

Was uns bei dieser Gelegenheit wundert, ist, dass wir davon aus der Zeitung erfahren. Wir haben mit gutem Grund ent schieden, dass wir unsere Daten selbst verwalten, dass wir uns nicht an eine Fremdfirma anhängen, die unsere Daten in einer Cloud verwaltet. Wir haben uns auch abgetrennt von der Re gierung und haben sozusagen unsere eigene Datenverantwor tung.

Deshalb, finde ich, wäre es dringend nötig gewesen, dass Sie, Herr Kollege Wolf, als Präsident uns im Präsidium oder in der Fraktionsvorsitzendenrunde informieren, was da angedacht ist, nämlich dass eine Fremdfirma im Auftrag einer Fraktion in das Datennetz Einblick nehmen soll. Das ist ja nicht nur ei ne technische Frage. Wir haben doch alle gelernt, welchen po litischen Stellenwert ein technischer Vorgang wie eine Daten kopie, die aus Sicherungsgründen gefertigt wurde, plötzlich in einem anderen, in einem politischen Kontext bekommen kann. Deshalb hat uns das gewundert, und deshalb wollen wir hoffen, dass das künftig anders gehandhabt wird.

Wie gehen wir jetzt mit der Situation um? Wenn es Bedenken gibt, dass unsere EDV, die wir alle nutzen, mangelnde Sicher heiten aufweist, dann müssen wir das zum Gegenstand einer Diskussion im Präsidium machen und fragen: Sind die Ab stände für die Sicherheitskontrollen zu groß bemessen? Ist die Untersuchung der Sicherheit tief genug? Haben wir einen ITSicherheitsbeauftragten? Es würde mich wundern, wenn wir keinen hätten. Beispielsweise braucht jede Hochschule einen IT-Sicherheitsbeauftragten, und wenn sie diesen nicht hat, dann wird sie gerügt. Das müssen wir dann also miteinander diskutieren, denn es gibt ja jetzt keine speziellen Sicherheits wünsche von einzelnen Abgeordneten der Grünen, sondern es gibt ein allgemeines Bedürfnis nach Sicherheit, die wir her stellen müssen. Deshalb ist mein Vorschlag, dass wir mitein ander besprechen, wie wir das Sicherheitsthema behandeln.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Dass den Abgeordneten in diesem Zusammenhang Einwilli gungserklärungen vorgelegt wurden oder zumindest ein For mular existiert – ich weiß nicht, ob es letztlich wirklich unter schrieben wurde oder nicht, aber ein Exemplar dieser Einwil ligungserklärung existiert –, das bewerten wir – das ist aber unsere Bewertung – als bedenklich,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP/DVP)

weil wir nicht wollen, dass auch nur der Anschein entstehen kann, dass es möglich ist, E-Mail- und SMS-Verkehr zu un tersuchen. Es geht nicht nur um unsere eigenen Daten. Es geht auch darum, dass uns natürlich Bürger und auch Kollegen ver trauliche Sachverhalte mitteilen und sich darauf verlassen, dass diese zu 100 % geschützt sind. Deshalb wollen wir, dass es, auch wenn eine Einwilligung rechtlich möglich ist, in die sem Parlament nicht möglich wird, dass – weder von der Par tei noch von der Landtagsverwaltung noch von der Fraktion – irgendwelche Einwilligungen eingeholt werden, die den Ein druck erwecken könnten, dass die Unabhängigkeit der Abge ordneten, die Verfassungsrang hat, tangiert wird.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb wollen wir im Präsidium auch darüber reden, dass wir uns auf solche Spielregeln verständigen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Jetzt zu der moralischen Keule, zu der Sie wieder einmal ge griffen haben, Herr Kollege Pröfrock. Ich lasse einmal das ganze Beiwerk weg,

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Also!)

die ganzen Unterstellungen, und bleibe bei diesem Sachver halt. Wenn sich der Kollege Wolf als Präsident der Bewertung des Sachverhalts durch die Grünen anschließt, dies sogar öf fentlich macht, die Fraktion, der er dann vorsitzt, aber zu ei ner genau umgekehrten Bewertung kommt – nämlich alle die Unterstellungen, die Sie gemacht haben –, dann nenne ich das Doppelmoral.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Matthias Pröfrock CDU)

Das ist Bewertung nach Taktik.

Herr Wolf hatte als Präsident keinen Anlass, den Grünen ei nen hineinzudrücken, sondern er hat sich sachlich mit dem auseinandergesetzt, was die Grünen begehrt haben.

Das, was jetzt stattfindet – in der Verantwortung des Frakti onsvorsitzenden Wolf –, ist eine genau umgekehrte Bewer tung. Das ist doch eine doppelte Moral, die da angelegt wird. Sie drehen die Dinge so, wie es Ihnen passt.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das, finde ich, sollte nicht sein. Wenn Sie wollen – wenn Sie so generelle Maßstäbe anlegen, wie Sie das gerade wieder ge tan haben: die ganze Regierung hält’s nicht mit dem Daten schutz, weder das Staatsministerium noch das Integrationsmi nisterium; lauter Unterstellungen –, können wir das Spiel mit der doppelten Moral und anderen Sachverhalten natürlich gern fortsetzen. Wir haben sehr sorgfältig beobachtet, was gestern in Ihrer Fraktion geschah,

(Zurufe von der CDU: Was denn? – Waren Sie da bei?)

und haben eigentlich erwartet, dass da jetzt ein Zeichen kommt. Wenn man als Flagge – wo ist die Generalsekretärin? sie hat sich versteckt –

(Heiterkeit bei den Grünen)

„Frauen im Fokus“ vor sich herträgt, wenn man sagt: „Wir ha ben unser frauenpolitisches Defizit erkannt, und jetzt wollen wir dagegen angehen“,

(Zurufe von der CDU)

doch dann nicht nur bei der Europawahl – das habe ich Ihnen schon unter die Nase gerieben –

(Zurufe von der CDU)

unter den ersten elf Kandidaten eine Frau war – das war auch die Antwort auf „Frauen im Fokus“ –, sondern man auch bei der Wahl, bei der es jetzt darum geht, eines der drei Ämter,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

die bei der CDU noch eine herausragende Bedeutung haben – Parteivorsitz, Fraktionsvorsitz, Präsident –, zu besetzen, das Angebot einer profilierten Kandidatin ausschlägt, spricht das Bände. Das spricht Bände. Das ist auch ein Stück doppelte Moral, „Wir tun etwas für die Frauen“ vor sich herzutragen, und die Frauen dann, wenn es darauf ankommt, abzuservie ren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf von der CDU: Wie viele weibliche Vorsitzende haben Sie? Frau Vogt lässt grüßen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

(Zurufe von der CDU, u. a.: Oi, oi! – Glocke der Prä sidentin)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Grünen und die doppelte Moral, das wird allmählich eine unendliche Geschichte. Lieber Herr Schmiedel, ich darf jetzt wieder klarstellen, wo die Doppel moral liegt und wo sie nicht liegt.

Wir sind allmählich dieses Muster gewohnt, das immer so ein bisschen im Hintergrund hat, anderen Wasser zur predigen, sich selbst aber am Wein zu laben,

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

anderen Vorschriften zu machen, möglichst mit moralischem Zeigefinger, und sich selbst Dinge herauszunehmen, die sich halt andere nie herausnehmen würden.

Es mag sein, dass es ärgerliche Indiskretionen gibt – jeder von uns hat schon erlebt, dass er sich über Indiskretionen richtig ärgert –, aber die Mittel, mit denen Sie versucht haben, die sen Indiskretionen, dem Leck, nachzugehen, sind nicht die Mittel einer Rechtsstaatspartei, sondern es sind die Mittel ei ner reinen Machtpartei.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Wider spruch der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Was den ganzen Sack voller Ausreden betrifft: Damit haben wir natürlich gerechnet – logischerweise. Lieber Kollege Schwarz, ich schließe nicht einmal aus, dass manche Leute gutgläubig sind, aber ich persönlich bin ganz sicher, dass hier viele hin ters Licht geführt wurden, einschließlich des Landtagspräsi denten.

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Arme! Er hat es nicht durch schaut!)

Ich sage Ihnen hier ganz deutlich – Sie mögen den Gegenbe weis antreten –: Ich halte es für ein Märchen, dass es nur da rum ging, Eingriffe von außen abzuwehren.