Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir jetzt ohnehin seit dem 1. Januar 2015 dieses allgemeine Mindestlohngesetz auf Bundesebene haben.
In der Vergangenheit hat die SPD in ihren Oppositionszeiten immer erklärt, man brauche dieses Gesetz, um beispielswei se dem Handwerk zu helfen, um das Handwerk beispielswei se vor Billigkonkurrenz aus dem Osten, vor Dumpinglöhnen zu schützen. Nun schreibt aber der Baden-Württembergische Handwerkstag – also der Dachverband derjenigen, für die Sie das Gesetz gemacht haben –, dieses Gesetz müsse weg. Der Baden-Württembergische Handwerkstag sagt, die Evaluation, etwa in Brandenburg, habe ergeben, dass solche Gesetze nichts taugen; es sei ein Flickenteppich entstanden, und vor allem habe das Urteil des EuGH vom 18. September 2014 in sehr klarer Form deutlich gemacht, dass dieses Gesetz auch europarechtswidrig ist.
Derselben Auffassung ist die Landesvereinigung der Bauwirt schaft. Sie sagt auch: Dieses Gesetz muss weg, weil im Grun de durch das EuGH-Urteil vom September 2014 deutlich ge worden ist, dass dieses Gesetz nicht zu halten ist. Im Übrigen sieht sich auch die Bauwirtschaft durch dieses Gesetz büro kratisch belastet.
So sieht es übrigens auch der Landkreistag. Der Landkreistag äußert, das Tariftreuegesetz führe – ich darf wörtlich zitieren –
Sowohl die Wirtschaft als auch die Kommunen stellen also fest: Dieses Gesetz hat sich nicht bewährt. Die Ziele, die mit diesem Gesetz erreicht werden sollten, sind nicht erreicht, und das Einzige, was wir damit geschaffen haben, ist zusätzliche Bürokratie. Die Ziele dieses Gesetzes werden im Übrigen auch durch das Mindestlohngesetz verfolgt.
Was haben wir also erreicht? Wir haben jetzt zwei gesetzliche Regelungen, die parallel gelten, und in der Praxis bedeutet das doppelte Dokumentationspflichten für viele Wirtschaftsberei che.
Ich darf an den Neujahrsempfang des Hotel- und Gaststätten verbands am vergangenen Montag in Stuttgart erinnern – Mi nister Gall war ja anwesend –, bei dem deutlich geworden ist, dass eben genau diese gesetzlichen Regelungen zu Bürokra tie führen. Der Kollege Gall hat dem Hotel- und Gaststätten gewerbe zugesagt – –
Die Vertreter haben gesagt, sie hätten kein Problem mit ei nem Lohn von 8,50 €. Damit habe ich auch kein Problem. Sie haben aber Probleme mit der Bürokratie. Das haben sie doch gesagt, Herr Gall.
Und Sie haben zugesichert, dass man sich die Dinge anschaut und, wenn man feststellt, dass eine Überbürokratisierung, die nicht zu rechtfertigen ist, eingetreten ist, überlegen muss, sol che Regelungen wieder zurückzunehmen. Das haben Sie zu gesagt.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! Gall ist halt ein Praktiker!)
Hier haben Sie jetzt die Gelegenheit dazu, meine Damen und Herren, etwas gegen die Überbürokratisierung zu tun.
Sie haben auch die Gelegenheit, Rechtssicherheit herzustel len. Die Landesregierung reagiert auf das EuGH-Urteil so, dass sie sagt: „Wir ziehen jetzt nicht die vom EuGH gewoll te Konsequenz, das Gesetz abzuschaffen, sondern wir wollen es künftig europarechtskonform auslegen.“ Aber was heißt denn das, meine Damen und Herren? Da zeichnet sich doch schon ab, dass Rechtsunsicherheit entsteht und dass eine prak tische Anwendung nicht möglich sein wird.
Es geht um ein altes Anliegen der SPD – das sehe ich ein –, und es entstehen ja emotionale Bindungen zu Kindern, die man hegt und pflegt. Aber wenn man feststellt, dass so etwas keinen Sinn hat, dann muss man auch mal loslassen können und ein solches Gesetz dann wieder abschaffen.
Es würde mich auch interessieren, wie die Grünen dazu ste hen. Der Ministerpräsident geriert sich ja neuerdings als Wirt schaftsversteher
und erklärt der Wirtschaft landauf, landab – das bekommt man zu hören, wenn man mit Unternehmern oder Verbandsfunkti onären redet –, er sei eigentlich als Ministerpräsident wirt schaftsfreundlich, aber er habe halt die wirtschaftsfeindliche SPD als Koalitionspartner, deshalb sei es seine Aufgabe als Ministerpräsident, das Schlimmste zu verhindern.
Gut, dann wollen wir mal sehen, wie sich die Grünen zu die sem Gesetzesvorschlag, zu dieser Initiative stellen. Hier kön nen Sie wirklich einmal wirtschaftsfreundliche Politik ma chen, hier können Sie wirklich einmal den Ministerpräsiden ten als Wirtschaftsversteher präsentieren, wenn Sie für die Ab schaffung dieses Gesetzes stimmen.
Auf jeden Fall würde dies bedeuten: Bürokratieabbau für klei ne und mittlere Unternehmen, Bürokratieabbau für die Kom munen und vor allem auch für die Vereine, meine Damen und Herren.
Denn diese ganzen Dokumentationspflichten, die jetzt über das Land rollen, treffen auch das Ehrenamt und die Vereine.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Finanz- und Wirtschaftsminister ist dünnhäutig geworden. Er „keift“ – so schreiben die Medi en –, er keift, weil es aus Sicht der CDU wieder ein eigenstän diges Wirtschaftsministerium geben soll. Aber die Unterneh men in unserem Land wollen ein Ministerium, das sie beim Wettbewerb um die globalen Märkte unterstützt. Die Unter nehmen in unserem Land wollen kein Ministerium, das die Wirtschaft nur verwaltet. Sie wollen keinen Minister, der aus Eitelkeit Doppelminister ist, um auf Augenhöhe mit dem Mi nisterpräsidenten zu sein. Sie wollen keinen Minister, der Planwirtschaft und eine Bedrohungsbürokratie wie in Kafkas Roman „Das Schloss“ betreibt. Sie wollen keinen Minister, der sich als Sachwalter gewerkschaftlicher Interessen versteht, nie eine Stempeluhr gedrückt hat, nie gelernt hat, täglich um Abschlüsse und um Märkte zu kämpfen.
Das Tariftreuegesetz, ein adipöser Amtsschimmel mit der Im munschwäche der Europarechtswidrigkeit, ist nur ein Beispiel dafür, dass die Unternehmen in unserem Land mit einem Pa ragrafendschungel kämpfen und vergabefremde Nachweise erbringen müssen. Leistung und Qualität werden zu nachran gigen Kriterien.
Mit einem vergaberechtlichen Transmissionsriemen wird ein Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde für Bau- und Dienstleis tungen verbindlich, ein Mindestlohn, den die Anbieter nach weisen und dokumentieren müssen.
Jetzt hat der Bund, auch wenn sich meine Begeisterung dar über in Grenzen hält, ein Mindestlohngesetz verabschiedet,
das seit 1. Januar dieses Jahres wirksam ist und flächende ckend für alle Arbeitnehmer einen Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde vorschreibt. Dieser Mindestlohn gilt nach § 19 des Mindestlohngesetzes auch für das Vergabeverfahren.
Eine Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums for dert zusätzliche umfangreiche Dokumentations- und Nach weispflichten für den Mindestlohn – der nächste Amtsschim mel aus dem Gestüt Nahles.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Konrad Epple und Klaus Herrmann CDU – Vereinzelt Hei terkeit)
Jetzt fordert die FDP/DVP die Aufhebung des Tariftreuege setzes. Dieses Gesetz ist nachträglich nichtig geworden und muss richtigerweise gestrichen werden. Ich will das auch be gründen.
Das Arbeitsrecht fällt in den Katalog der konkurrierenden Ge setzgebung. Dazu gehören auch die Regelungen zum Min destlohn. Der bundesrechtliche Mindestlohn gilt allumfassend, auch für das Vergaberecht, weil der Bund nach Artikel 72 Ab satz 2 des Grundgesetzes zur Herstellung gleichwertiger Le bens- und Wirtschaftsverhältnisse Gesetze erlassen darf. Der Arbeitgeber muss immer – gleich, nach welchem Recht – den Mindestlohn bezahlen. Das Land verliert damit seine Gesetz gebungskompetenz. Somit ist mit Wirksamwerden des Min destlohngesetzes der Mindestlohn nach dem Tariftreuegesetz nichtig geworden. „Bundesrecht bricht Landesrecht“, sagt Ar tikel 31, der kürzeste Artikel des Grundgesetzes.
Zudem würde ein Verstoß gegen den Mindestlohn zweimal mit Bußgeld geahndet, nämlich einmal nach dem Mindest lohngesetz und einmal nach dem Tariftreuegesetz. Das aber verletzt den Verfassungsgrundsatz „Ne bis in idem“.
Ohnehin halte ich es für kartellrechtlich problematisch, dass sich die öffentliche Hand als größte Nachfragemacht durch Gesetz Preisbestandteile – und der Lohn gehört dazu – für ih re privatrechtlichen Verträge regeln lässt. Mit sozialer Markt wirtschaft hat das wenig zu tun.
Ich habe auch immer bezweifelt, dass dieses Gesetz europa rechtskonform ist. Der Europäische Gerichtshof hat dies jetzt in einem Teilaspekt bestätigt. Zwar betraf dies das Tariftreue gesetz in NRW, doch die dort gerügte Bestimmung ist iden tisch mit unseren Regelungen – das meiste ist eh abgeschrie ben.
In NRW ging es darum, dass Subunternehmer, die im europä ischen Ausland ihre Leistungen erbringen, nicht der Mindest lohnregelung unterworfen werden müssen. In der Stellung nahme zu meinem Antrag vom 2. Oktober 2014, Drucksache 15/5815, erklärte mir das Ministerium, eine europarechtskon forme Auslegung sei geplant. Immerhin! Dennoch: Es bleibt eine faktische Diskriminierung aller baden-württembergischen Subunternehmer. Das ist eine Schande; denn wir zwingen die Unternehmen in unserem Land dazu, Leistungen ins Ausland