Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

Wirtschaftspolitik aus dem Hobbykeller.

Noch eine Bemerkung zur Tariftreue, insbesondere deshalb, weil dies die Verkehrsbetriebe betrifft, die ja vom Rüffert-Ur teil des EuGH nicht erfasst werden. Der Verband Baden-Würt tembergischer Omnibusunternehmer beklagt, dass Tariftreue regelungen vorgelegt, aber nicht überprüft werden. Preisdum ping im öffentlichen Personennahverkehr sei leider gängige Praxis, weil die öffentliche Verwaltung ihrer Verantwortung nicht gerecht wird und den billigsten Anbieter nimmt.

Ist die Tariftreue Gesslers Hut? Dann kann man es gleich blei ben lassen. Ohnehin gibt es verfassungsrechtlich eine positi ve und eine negative Koalitionsfreiheit. Niemand muss sich tariflich binden. Deshalb darf die öffentliche Hand keinen Ver trag verweigern, nur weil der Anbieter nicht nach einem Ta rifvertrag bezahlt.

Noch eine Randbemerkung: Selbst die Ihnen nicht feindlich gesinnte Hans-Böckler-Stiftung bescheinigt: Das Tariftreue gesetz bleibt inhaltlich „deutlich hinter den Anforderungen an ein modernes und nachhaltiges Vergabegesetz zurück“. Das sehe ich auch so.

Diese Regierung tut, was sie kann. Das, meine Damen und Herren, ist das Problem.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Helen Heberer SPD: Überwältigender Applaus! – Abg. Claus Schmie del SPD: Löffler tut, was er kann! Das ist das Prob lem!)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Lindlohr.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Einlassungen des Kollegen Rül ke zur Begründung des von der FDP/DVP eingebrachten Ge setzentwurfs waren vor allem äußerst oberflächlich, was die Kenntnis des Vergaberechts betrifft.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das heißt, Sie haben es nicht verstanden!)

Möglicherweise hat er solche Kenntnisse, will sie uns aber nicht mitteilen.

Herr Kollege Rülke, wir machen uns keine Sorgen, wenn dies die Grundlage für Ihren Anspruch sein soll, in der Bevölke rung als Instanz wahrgenommen zu werden, um über die Wirt schaftskompetenz anderer zu befinden. Das wird nicht der Fall sein; eine solche Instanz sind Sie nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Claus Schmiedel SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sagen Sie auch noch etwas Inhaltliches?)

Das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz ist eine verga berechtliche Regelung, die wir in Baden-Württemberg be schlossen haben, um innerhalb des europarechtlich möglichen Rahmens einen Beitrag zu leisten. Dieser Anspruch wird er füllt. Es leistet im Rahmen des europarechtlich Möglichen ei nen Beitrag zu einem fairen Wettbewerb für die Unternehmen und zu guter Arbeit in den Unternehmen, die sich in BadenWürttemberg um einen öffentlichen Auftrag bemühen. Daher werden wir das Gesetz beibehalten und werden Ihrem Aufhe bungsgesetz nicht zustimmen.

Im Landestariftreue- und Mindestlohngesetz haben wir drei Regelungsbereiche. Dies sind zum einen die Bereiche, die vom Entsendegesetz erfasst sind, beispielsweise die Gebäu dereinigung. Da gilt weiterhin das, was wir bei der Beratung des hierzu von uns vorgelegten Gesetzentwurfs festgestellt ha ben: Hier bringt das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz insofern einen Fortschritt, als auch die Nachunternehmen voll erfasst sind. Wir verhindern damit also ein Lohndumping bei den Unternehmen, die vom Entsendegesetz erfasst sind. Denn zu einem Lohndumping könnte es kommen, wenn General unternehmer Aufträge an Subunternehmen weitergeben, die von ihrer Bezahlung her unter der Branchenlohngrenze lie gen.

Die gesetzliche Regelung gilt weiterhin. Die FDP ist dagegen; wir sind dafür. Dies bleibt.

Der zweite Bereich sind die Verkehrsdienstleistungen. Diese stellen europarechtlich gesehen einen eigenen Bereich dar. Im Moment liegen sie sozusagen in einem mittleren Bereich. Es gab keine vollständige Ausschreibungspflicht. Die Ausschrei bungspflicht wird nun aber vollständig kommen; ab 2019 wird beispielsweise im öffentlichen Omnibusverkehr voll ausge schrieben werden müssen.

Wir haben das, was wir regeln können, weitgehend geregelt, um tariftreue Unternehmen in Baden-Württemberg zu unter stützen. Dazu haben wir festgelegt, dass einer der in BadenWürttemberg in dieser Branche geltenden und repräsentati ven Tarifverträge angewandt werden muss. Der Wettbewerb für die Omnibusunternehmen ist hart, und er wird durch die Ausschreibungspflicht noch härter. Wir wollen auch weiter hin, dass der öffentliche Verkehr in unserem Land von Bus fahrerinnen und Busfahrern geleistet wird, die Löhne bekom men, von denen sie in Baden-Württemberg leben können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Löffler will das nicht! Löffler ist für Hungerlöhne! – Gegenruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Red kein Blech!)

Das ist ganz konkret: Im Bereich des Tarifvertrags des WBO, des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunterneh mer, liegt der Mindeststundenlohn für Busfahrerinnen und Busfahrer derzeit bei 14,47 €. Sie wollen durch eine Abschaf fung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes dafür sor gen, dass die Entlohnung in diesem ganzen Bereich im Zuge der öffentlichen Ausschreibungen auf 8,50 € pro Stunde zu rückfallen kann. Sie wollen zur Senkung dieses Niveaus bei tragen. Wir wollen, dass die tariftreuen Unternehmen in un serem Land weiterhin Chancen bei öffentlichen Aufträgen ha ben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf: Ganz genau!)

Der dritte Bereich ist der vergabespezifische Mindestlohn. Das ist nur ein kleiner Bereich, für den dieses Gesetz gilt; es ist ei ne Rückfalllinie. Derzeit sind meines Wissens beispielsweise Kleintransporte als Dienstleistungen umfasst. Vielleicht kön nen wir bei dieser Gelegenheit noch eine detailliertere Aus kunft dazu bekommen, was derzeit unter diese Regelung fällt. Jedenfalls ist dies nicht viel.

Sie haben recht: Es gibt – Sie haben es gar nicht richtig erläu tert – für diesen Bereich – vergabespezifischer Mindestlohn für Branchen, die nicht vom Entsendegesetz umfasst sind und keine Verkehrsdienstleistungen darstellen – eine gesetzlich vorgeschriebene Kommission, in der die Tarifpartner beraten und an das Sozialministerium ihre Empfehlungen dazu her antragen sollen, ob dieser vergabespezifische Mindestlohn von 8,50 € bleibt oder ob er erhöht werden soll.

Zu diesem Thema gibt es europarechtlich weiteren Klärungs bedarf; dies wird derzeit vom EuGH geklärt. Es geht dabei um die Frage: Gibt es dabei einen Zusammenhang zwischen dem Mindestlohn, wie er nun arbeitsrechtlich bundesweit gilt, und kann man den vergabespezifischen Mindestlohn sozusa gen daran koppeln, oder nicht? Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn es hier zu einer Parallelität kommt. Dies wäre für die Unternehmen in unserem Land sicherlich eine klarere Aus gangslage. Richtig ist aber auch, dass wir hierüber nun so lan ge nicht entscheiden, bis dies vom EuGH geklärt ist. Wir kön nen in diesem Jahr gut noch abwarten, und das sollten wir auch tun.

Auch dies ist der FDP aber natürlich egal. Da sie ohnehin ge gen den bundesweiten arbeitsrechtlichen Mindestlohn ist, ist sie auch in diesem Punkt dagegen. Wir sind nicht gegen den Mindestlohn, sondern wir sind dafür, und deswegen werden wir die Entwicklung nun abwarten und dies dann klären.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Gesetz gilt inzwischen. In der ersten und der zweiten Le sung des entsprechenden Gesetzentwurfs hatten wir, beispiels weise vom Kollegen Löffler, noch große Horrorszenarien da zu gehört, mit welch riesiger Bürokratie dies verbunden sei. Wie wir vom Regierungspräsidium Stuttgart vernehmen, das hier zuständig ist, ist dies in keiner Weise der Fall. Denn wie wir wissen, haben wir ein schlankes Gesetz beschlossen – ein schlankes Gesetz, bei dem nur stichprobenhaft kontrolliert wird. Die Unternehmen versichern im Wesentlichen über ei ne Verpflichtungserklärung, dass ihre Angebote dem Tarif treue- und Mindestlohngesetz entsprechen.

Die Bürokratie, die vom Kollegen Löffler gerade eben „Be drohungsbürokratie“ genannt wurde, existiert schlichtweg nicht. Es hat sich erwiesen, dass das Gesetz schlank ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Regierungspräsidium Stuttgart arbeiten offensichtlich gut, und offensichtlich arbei ten sie in ihrer beratenden Funktion auch sehr gut mit den Un ternehmen zusammen, sodass es hier nicht zu Schwierigkei ten gekommen ist.

Zum Schluss darf ich Ihnen noch einmal aus einer schriftli chen Stellungnahme des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer vom 19. Februar 2013 im Rahmen der Anhörung zum Ursprungsgesetz zitieren – wir wissen, dass der WBO diese Position noch immer vertritt –:

Als Berufs- und Arbeitgeberverband unterstützen wir da her nachdrücklich die Einführung einer Tariftreuever pflichtung bei öffentlichen Vergaben von Nahverkehrsleis tungen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, Herr Löffler? – Gegenruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Da mit habe ich kein Problem!)

Die FDP will wichtige Branchen in Baden-Württemberg im Stich lassen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Und die CDU!)

Wir wollen das nicht. Wir treten weiter für einen fairen Wett bewerb ein. Das könnten Sie auch tun.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Storz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir von einer Fünftagewoche ausgehen, ist heute der 20. Arbeitstag des Jahres. 20 Tage also ist der ge setzliche Mindestlohn in Kraft. Davon profitieren in Deutsch land 3,7 Millionen Menschen, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Dennoch besteht kein Grund, sich zurückzulehnen. In mei nem Wahlkreis haben die Gewerkschaften Alarm geschlagen. Sie haben auf die Tricks aufmerksam gemacht, mit denen – das betone ich – nur einzelne Arbeitgeber versuchen, den Min destlohn zu umgehen. Unsere wichtigste Aufgabe ist also: Wir müssen den Mindestlohn nicht nur als Gesetz, sondern in der Praxis durchsetzen.

Wenn Sie, Herr Löffler und Herr Rülke, hier das Monster der Bürokratie anprangern, dass man nämlich die Arbeitszeiten klar dokumentieren muss, dann möchte ich Ihnen entgegen halten: Wenn ich mit den Arbeitgebern bei uns im Gespräch bin, dann sagen diese mir deutlich, sie müssten das sowieso machen, um ihre Lohnbuchung hinzubekommen. Von Mons ter kann hier also überhaupt nicht die Rede sein, sondern das gehört fast zum Alltagsgeschäft.

Die Diskussion über den Gesetzentwurf von Ihnen, meine Herren von der FDP/DVP, wird aber zeigen, auf wen sich denn die Bürger in unserem Land verlassen können, wenn es um faire Bezahlung und gute Arbeit geht. Sie werden sehen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land pro fitieren davon, wenn die SPD in Bund und Land mitregiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Die Begründung von Ihnen, Herr Rülke, kann man kurz zu sammenfassen: Weil es einen bundesweiten, flächendecken den Mindestlohn gibt, braucht es das Landestariftreuegesetz nicht mehr. Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend, ist aber in Wirklichkeit falsch. Denn unser Tariftreuegesetz ist

kein zweites und damit überflüssig gewordenes Mindestlohn gesetz, sondern das Tariftreuegesetz sorgt dafür, dass nur die Unternehmen öffentliche Aufträge erhalten, die ihre Mitarbei ter anständig bezahlen und angemessene, faire Arbeitsbedin gungen bieten. Das ist im Interesse des Landes. Das nützt den Arbeitnehmern, und das dient der Wirtschaft, meine Damen und Herren.

Die Mehrheit der Unternehmen in unserem Land weiß: In ei ner Zeit, in der Fachkräfte Mangelware sind, muss man, um Fachkräfte zu gewinnen und sie auch im Betrieb halten zu können, gute Löhne bezahlen, und Niedriglöhne gehen hier gar nicht.

Das Tariftreuegesetz ergänzt wirksam bundesrechtliche Re gelungen wie das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Wir Sozial demokraten sind der Überzeugung: Wer seine Mitarbeiter aus beutet und schlecht bezahlt, sollte dafür nicht mit Aufträgen des Landes belohnt werden. Daher müssen alle Firmen ver bindlich erklären, dass sie sich an repräsentative Tarifverträ ge halten, wenn sie bei einem öffentlichen Auftrag mitbieten. Wer Subunternehmer beschäftigt, muss erklären, dass diese sich ebenfalls an diese Regeln halten. Das ist kein bürokrati sches Monster, sondern, wie Frau Lindlohr schon deutlich ge macht hat, eine einfache Erklärung.

Auf diesem Grundprinzip baut das Tariftreuegesetz auf. Es ist ein wirtschaftsfreundliches Gesetz, weil es dem fairen Wett bewerb dient. Wettbewerb ist die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft. Ich kann bis heute nicht verstehen, warum CDU und FDP als selbst ernannte Unternehmerparteien etwas gegen den Wettbewerb haben.

Aber was sagt unser Tariftreue- und Mindestlohngesetz im Einzelnen? Gibt es in einer Branche keinen gültigen repräsen tativen Tarifvertrag, greift die Mindestlohnklausel. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Auffangregelung, die wir aus gutem Grund aufgenommen haben.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Was wollen Sie auf fangen?)

Denn als wir das Gesetz im Landtag beschlossen haben, ha ben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, den flächendeckenden Mindestlohn noch heftig bekämpft.