Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

Denn als wir das Gesetz im Landtag beschlossen haben, ha ben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, den flächendeckenden Mindestlohn noch heftig bekämpft.

Für Verkehrsdienstleistungen haben wir gesonderte Bestim mungen beschlossen. Auch das entspringt keineswegs grünroter Regulierungswut, sondern war sachlich geboten. Der Verkehrsbereich ist durch EU-Recht gesondert geregelt, und genau das ist im Gesetz berücksichtigt. Daher war es möglich, dass wir von den Verkehrsunternehmen fordern, sich an einen repräsentativen Tarifvertrag in Baden-Württemberg zu halten. Es handelt sich hier nicht um eine Mindestlohnbranche, son dern die Tariflöhne liegen hier, wie Frau Lindlohr schon ge zeigt hat, viel höher.

Die Stellungnahme des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer zeigt uns, dass wir mit dem Tariftreue gesetz und den verankerten Regelungen für Verkehrsleistun gen auf dem richtigen Weg sind. Mittelständische Omnibus unternehmen brauchen den Schutz vor unlauterem Wettbe werb, der ohne Tariftreue sofort wieder einsetzen würde.

Aber die Stellungnahme des Verbands mahnt auch: Wir sind noch nicht am Ziel. Wenn Unternehmen Zuschläge erhalten, obwohl sie sich offenkundig nicht an Tarifverträge halten, müssen wir handeln. Denn dieses Verhalten schadet Arbeit nehmern, es schadet der Wirtschaft, dem Auftraggeber und letztlich auch dem Steuerzahler.

Ich möchte zusammenfassen: Die Kritik der Opposition ist vorgeschoben und in sich widersprüchlich. Das Landestarif treuegesetz wird keineswegs überflüssig. Es sorgt vielmehr für einen fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge. Wir ha ben damit den unerträglichen Zustand beendet, dass ehrliche Unternehmer die Dummen sind, wenn Städte oder das Land den Zuschlag erteilen. Wir bekämpfen die Tarifflucht, die zu lasten der Arbeitnehmer, aber auch der Unternehmen geht. Das Gesetz schafft keine überflüssige Bürokratie, sondern ist für die Betroffenen mit überschaubarem Aufwand handhab bar.

Es gibt also keinen vernünftigen Grund, das Tariftreuegesetz abzuschaffen. Daher werden wir den Gesetzentwurf der FDP/ DVP ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Regierung er teile ich das Wort Herrn Wirtschafts- und Finanzminister Dr. Schmid.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Argu mentation der FDP/DVP kann man kurz zusammenfassen. Die FDP/DVP glaubt zu wissen, dass das Tariftreue- und Mindest lohngesetz ein Bürokratiemonster wäre; deswegen müsse es weg.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Unter ande rem!)

Sie finden: Es gibt einen gesetzlichen Mindestlohn, deswegen weg mit diesem Tariftreue- und Mindestlohngesetz. Sie haben auch das Urteil des EuGH gelesen, zu lesen versucht, wonach ein vergabespezifischer Mindestlohn unter bestimmten Um ständen nicht EU-rechtskonform sei. Deshalb fordern Sie: Weg mit diesem Gesetz! So viel zu Ihrer Wahrnehmung.

Die Wahrheit, die Realität ist leider etwas komplexer. Dafür hätten Sie im Übrigen auch nur alle Stellungnahmen zu Ihrem famosen Gesetzentwurf lesen müssen.

Meine Damen und Herren, am 1. Juli 2013 trat das Tariftreue- und Mindestlohngesetz in Kraft. Unser Ziel war, für fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu sorgen, und dies mit einem schlanken Gesetz ohne viel bürokratischen Aufwand.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich habe übrigens selten ein Gesetz erlebt, das in der Umset zung so unproblematisch und so unbürokratisch war. Das ist auch ein Verdienst der guten Arbeit der Servicestelle beim Re gierungspräsidium Stuttgart. Seit Inkrafttreten des Gesetzes gingen keine Beschwerden über einen hohen bürokratischen

Aufwand ein, weder in meinem Haus noch bei der Service stelle des Regierungspräsidiums Stuttgart. Nichts Konkretes liegt vor. So viel zum angeblichen Bürokratiemonster.

Jetzt argumentieren Sie von der FDP/DVP, es gebe ja in der Zwischenzeit einen bundesweiten Mindestlohn, und das Ta riftreue- und Mindestlohngesetz habe deswegen ausgedient. Ich muss schon sagen: Es gehört viel Scheinheiligkeit dazu, dass ausgerechnet die Partei, die bis heute gegen den gesetz lichen Mindestlohn kämpft, ihn jetzt als Vorwand nimmt, um das Tariftreuegesetz hier im Land auszuhebeln.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

So einfach, wie Sie es darstellen, ist es eben auch nicht. Es geht erstens um zwei verschiedene Rechtsbereiche. Das Ta riftreue- und Mindestlohngesetz klärt eben keine arbeitsrecht lichen Fragen wie das vom Bund erlassene Mindestlohnge setz. Es handelt sich um ein Vergabegesetz. Wir, das Land, wären übrigens für das Arbeitsrecht auch gar nicht zuständig. Das Tariftreue- und Mindestlohngesetz findet damit als sol ches neben dem bundeseinheitlichen Mindestlohn Anwen dung.

Zweitens ist der Vorschlag der FDP/DVP auch inhaltlich zu kurz gedacht. Das Mindestlohngesetz enthält eben gerade kei ne Regelungen hinsichtlich des Bereichs der Tariftreue, und damit entfällt auch der Regelungszweck des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes nicht. Denn es ist und bleibt notwendig, um Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu verhindern.

Nehmen wir den Verkehrsbereich. Da sprechen wir eben nicht von einer Mindestlohnbranche. Bei öffentlichen Vergaben kommt daher die Tariftreueregelung des Tariftreue- und Min destlohngesetzes hier in Baden-Württemberg zum Tragen. Nur so können wir soziale Leitplanken einziehen, um den Wettbe werb in sinnvolle Bahnen zu lenken. Denn Preisdumping im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs geht zulasten des Fahrpersonals. Es geht zulasten der Qualität und der Si cherheit der Menschen in unserem Land.

Ich glaube, dass bei CDU und FDP/DVP auch ein seltsames Verständnis von guter Wirtschaftspolitik vorherrscht. Gute Wirtschaftspolitik heißt eben nicht, dass man einseitig Partei ergreift für vermeintliche Unternehmensinteressen, sondern gute Wirtschaftspolitik muss für die Unternehmen und für die Beschäftigten Ergebnisse bringen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Es ist ty pisch für Ihre Wirtschaftspolitik, dass Sie das als Ge gensatz betrachten!)

Deshalb verfolge ich den Ansatz, dialogorientierte Wirt schaftspolitik mit allen zu führen. Deshalb ist es richtig, dass wir im Unterschied zu Ihren Wirtschaftsministern auch die Gewerkschaften in die dialogorientierte Wirtschaftspolitik ein beziehen, weil es um das Wohl des Landes geht. Es geht um das Wohl von allen und nicht von Einzelnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich bin ja dankbar, dass Sie bei der Debatte über Ihren eige nen Gesetzentwurf inzwischen nicht mehr den Pressespiegel lesen und aufgewacht sind, Herr Rülke.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Sie verkennen das Erfolgsgeheimnis von Baden-Württemberg, nämlich dass wirtschaftliche Stärke und sozialer Ausgleich zwei Seiten einer Medaille sind.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Erfolgsgeheimnis der baden-württembergischen Wirt schaft ist die gute Sozialpartnerschaft.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Die Sozialpartnerschaft in Deutschland und in Baden-Würt temberg beruht auf Tarifpartnerschaft. Gerade weil die Tarif partnerschaft geschwächt worden ist, weil immer mehr Tarif verträge durchlässig geworden sind – insbesondere im Osten Deutschlands, aber leider auch im Westen –, war es notwen dig, ergänzend diesen gesetzlichen Mindestlohn zugunsten der Beschäftigten einzuführen. Deshalb ist der Mindestlohn ein Beitrag zur sozialen Marktwirtschaft in Deutschland.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Gerade weil Tarifpartnerschaft ein hohes Gut ist, haben wir uns in der Großen Koalition in Berlin nicht nur darauf ver ständigt, den gesetzlichen Mindestlohn einzuführen – übri gens mit einer Übergangsklausel, die gerade auch Rücksicht auf Tarifverträge nimmt. Vielmehr bereiten wir auch ein Ge setz zur Stärkung der Tarifeinheit vor. Denn wir sind eben überzeugt, dass Tarifpartnerschaft und Sozialpartnerschaft in Deutschland gerade deshalb funktionieren, weil wir leistungs fähige Gewerkschaften haben. Das darf nicht zerfasern. Des halb ist alles, was wir vonseiten der SPD tun – im Land wie im Bund –, darauf ausgerichtet, Arbeitnehmer- und Arbeitge berinteressen im Rahmen der Tarifautonomie zu einem ge rechten Ausgleich zu führen und gleichzeitig das System der deutschen Sozialpartnerschaft zu stärken. Das ist ein Wettbe werbsvorteil gerade in der globalisierten Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Schließlich zu Ihrem letzten Punkt: Der Europäische Gerichts hof hat in der Tat im September 2014 entschieden, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines vergabespezifischen Mindest lohns in ganz bestimmten Fällen der Dienstleistungsfreiheit widerspricht. Aber auch deswegen müssen wir das Gesetz nicht einfach gleich abschaffen. Wie in anderen Bundeslän dern auch, wird das Tariftreue- und Mindestlohngesetz nun einfach entsprechend diesen Vorgaben europarechtskonform ausgelegt. Das ist ein durchaus üblicher Vorgang in solchen Fällen. Darüber wurden die Vergabestellen im Land entspre chend informiert.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt für die Landesregierung: Wir halten am Tariftreue- und Mindestlohn gesetz fest, denn es ist nach wie vor notwendig für fairen Wett bewerb und gute Arbeit hier in Baden-Württemberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Gibt es Wortmeldun gen? – Keine. Dann ist die Aussprache damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/6098 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen und Wirt schaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Punkt 3 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Bevor ich Punkt 4 der Tagesordnung aufrufen, gilt es jetzt ei nen Kollegen zu verabschieden, der trotz seines recht jungen Alters schon auf eine fast zwölfjährige Amtszeit als Abgeord neter zurückblicken kann. Die Rede ist von Herrn Staatsse kretär Ingo Rust, der bei seinem Eintritt in den Landtag im Mai 2003 der jüngste Abgeordnete des Landtags der 13. Wahl periode war.

Nach seiner Wahl zum Finanzbürgermeister der Stadt Esslin gen am Neckar hat Herr Kollege Rust mit Schreiben vom 12. Januar 2015 mitgeteilt, dass er sein Landtagsmandat mit Ablauf des 31. Januar 2015 niederlegen wird.

Sicherlich wird Herr Kollege Rust in den nächsten Tagen sei ne Zeit im Landtag noch einmal Revue passieren lassen.

Gleich nach seinem Eintritt in den Landtag am 1. Mai 2003 gehörte Herr Abg. Rust dem Finanzausschuss und ab Novem ber 2005 dem Ständigen Ausschuss an. Aufgrund seines be sonderen Engagements im Finanzausschuss wurde er schon mit 27 Jahren am 20. Oktober 2005 zum Finanzausschussvor sitzenden gewählt. Dieses Amt hatte er bis 2011 inne. In die ser Funktion erwarb er sich große Verdienste und viel Respekt bei Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen. Von Vertre tern der früheren Landesregierungen wurde er als Finanzaus schussvorsitzender ebenfalls sehr geschätzt.

In der 14. Wahlperiode wirkte der Kollege Rust bis Juni 2008 auch im Europaausschuss mit, und während der 13. und der 14. Wahlperiode gehörte er als Stellvertreter vielen weiteren Gremien an, z. B. dem Ständigen Ausschuss, dem Wirt schafts-, dem Wissenschafts- und dem Petitionsausschuss.

Zu Beginn der 15. Wahlperiode wurde Herr Kollege Rust zum politischen Staatssekretär im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft berufen. Auch dieses Amt füllte Herr Kollege Rust engagiert aus.

Mit dem Kollegen Rust verlässt den Landtag ein Abgeordne ter, der sich stets für die Anliegen der Bürgerinnen und Bür ger eingesetzt hat und dessen Herz für die Finanz- und Wirt schaftspolitik schlägt. Im Übrigen: Gestern Abend hat das ge samte Landtagspräsidium Herrn Staatssekretär Rust für sein Engagement und seine qualifizierte Arbeit bei der Sanierung des alten Landtagsgebäudes und dem geplanten Neubau des Bürger- und Medienzentrums herzlich gedankt.

Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Abgeordneter, im Namen des ganzen Landtags für Ihr Wirken als Abgeordneter und Staatssekretär und wünsche Ihnen persönlich und für Ihre be rufliche Zukunft alles Gute sowie am 1. Februar 2015 einen guten Start bei Ihrer neuen, verantwortungsvollen Aufgabe im kommunalpolitischen Bereich. Herzlichen Dank für Ihre Ar beit!