sondern wir müssen auch fragen: Wie können wir pädagogisch besser auf die Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schü ler reagieren? Wie können wir die Schülerinnen und Schüler an der Schule, an der sie sind, bestmöglich fördern? Das ist die entscheidende Frage.
Um einige Fakten zu benennen: Eines der Länder, die sich auch dazu entschieden haben, die Verbindlichkeit der Grund schulempfehlung abzuschaffen, ist das Saarland. Dort wurde unter einer CDU-geführten Regierung die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung aufgehoben. Auch dort ist die Wie derholerquote zunächst angestiegen; der Anstieg hat sich in zwischen jedoch wieder abgeschwächt. Das heißt, wir gehen davon aus, dass sich auch hier in Baden-Württemberg die Fra ge, wie die Eltern mit diesem Recht umgehen, in den nächs ten Jahren einpendeln und relativieren wird.
Immer noch fast 80 % der Eltern tun genau das, was in der Grundschulempfehlung steht; sie halten sich also daran. Da muss ich sagen: Wir müssen das Beratungskonzept in der Grundschule immer wieder evaluieren und müssen betrach ten, ob es auch wirklich funktioniert und die Eltern die rich tigen Schlüsse daraus ziehen. Deswegen ist es auch kein Wi derspruch, die Verbindlichkeit aufzuheben und die Verantwor tung der Eltern zu stärken und gleichzeitig zu sagen, dass sich
die Eltern doch an die von Pädagogen erstellte Grundschul empfehlung halten sollten, weil die Pädagogen diese nicht oh ne Grund machen. Auch dies ist kein Widerspruch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie einmal an die Grundschulen gehen, werden Sie sehr schnell merken, dass sich die Diskussion dort versachlicht hat.
An dieser Stelle bringe ich immer gern eine Zahl zum Aus druck. Die Situation an den Grundschulen war eine aufgereg te und emotionale, wenn es um die Frage des Übergangs an die weiterführende Schule ging. Herr Kollege Kern, Sie wer den mir wahrscheinlich auch nicht erklären können – ich kann es Ihnen wahrscheinlich erklären –, warum denn der Anteil der Kinder mit einer Gymnasialempfehlung in Klasse 4 im letzten Jahr der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung bei 50,3 % gelegen hat, während er ein Jahr später, im ersten Jahr der nicht verbindlichen Grundschulempfehlung, bei 45,6 % lag. Das weist doch darauf hin, dass die Grundschulempfeh lung eine Näherung ist und dass in der Zeit der Verbindlich keit ein erheblicher Druck auch aus der Elternschaft auf Leh rerinnen und Lehrer an den Schulen bestanden hat, dass die Empfehlung herauskam, die man sich für sein Kind erhofft hatte.
Deswegen sollten Sie die Grundschulempfehlung nicht in ei nen Absolutheitsstatus heben, den diese nie haben konnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über die Frage sprechen, ob die Grundschulempfehlung an der weiterführenden Schule vor gezeigt werden sollte, spielt auch eine Rolle, dass das auch ein rechtliches Problem ist, nämlich in Bezug auf den Daten schutz.
Das ist so. Das können Sie gern auch in der Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz nachlesen.
Die Daten, die erforderlich sind, um den entsprechenden Zweck zu erreichen, können von einer öffentlichen Einrichtung oder Stelle weitergegeben werden. Ich glaube, dass die Aussage kraft eines Kreuzchens – Kollege Kleinböck hat Ihnen das Formular vorhin einmal vorgehalten – relativ eingeschränkt ist.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir wollen nicht nur das Kreuzchen, wir wollen Informationen! Auf das Kreuzchen können wir verzichten!)
Ich sage Ihnen aber, was unsere Antwort darauf ist, wie wir den Lehrkräften an den aufnehmenden Schulen einen besse ren Start ermöglichen wollen. Ich bin viel an den Schulen. Herr Kollege Zimmermann, Sie sollten tunlichst Behauptun gen unterlassen, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ich bin nämlich bei weiterführenden Schulen aller Schularten zu Gast, insbesondere auch an Realschulen, beispielsweise auch mor gen Abend wieder. Ich möchte, dass wir in den kommenden Jahren eine Systematik haben, mit der sich die Lehrerinnen
und Lehrer an den aufnehmenden Schulen durch eine zu Be ginn der Klasse 5 durchgeführte Lernstandserhebung das Leis tungsniveau ihrer Schülerinnen und Schüler selbst erschlie ßen können.
Wenn ich heute an den Schulen bin, dann sagen mir Lehrkräf te: „Spätestens nach zwei, drei Wochen weiß ich, wo der ein zelne Schüler in den einzelnen Fächern seine Schwächen und seinen besonderen Förderbedarf hat.“
Deswegen ist es doch nur eine Scheinlösung, wenn wir jetzt die Weitergabe der Grundschulempfehlung versprechen.
Das, was wir vorhaben, nämlich eine konkrete Lernstandser hebung durchzuführen, ist der eigentliche Ansatz für Förder maßnahmen, die an den weiterführenden Schulen ergriffen werden müssen. Deswegen hat die Landesregierung darauf reagiert; zum kommenden Schuljahr wird die Lernstandser hebung in Klasse 5 verpflichtend eingeführt.
Wir haben – ich habe es vorhin bereits gesagt – auch den Aus bau der Beratungsangebote an Grundschulen in den Blick ge nommen und zusätzliche Ressourcen an die weiterführenden Schulen gegeben. Wir haben in diesem Sinn, während Sie der zunehmenden Heterogenität jahrelang tatenlos zugeschaut ha ben, umgehend gehandelt und die Schulen in die Lage ver setzt, besser auf die Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler zu reagieren.
Wir waren es, die an Realschulen erstmals Poolstunden zur individuellen Förderung eingeführt und deren Zahl an den Gymnasien erhöht haben. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass wir an den betroffenen Schularten ein Gesamtvolumen von mehr als 200 Deputaten investiert haben, um beispiels weise an den Gymnasien die Rahmenbedingungen für das Pro gramm „Gut ankommen am Gymnasium“ weiter zu verbes sern und individuelle Förder- und Differenzierungsmaßnah men gerade in den Klassen 5 und 6 zu unterstützen.
Wir wollen die Eltern durch eine gute Beratungssystematik, die wir, wie gesagt, laufend überprüfen, dabei unterstützen, die richtige Schulwahl für ihr Kind zu treffen. Deswegen ha ben wir das Beratungsverfahren an den Grundschulen ausge baut und den Lehrerinnen und Lehrern an den Grundschulen spezielle Fortbildungen hierfür ermöglicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen – das ist meine Überzeugung; ich habe es vorhin deutlich gesagt – El tern und ihren Kindern die Zeit geben, herauszufinden, wel cher Bildungsabschluss individuell der richtige ist. Sie schei nen dem Irrglauben anzuhängen, es müsse möglichst früh ent schieden werden, welcher Schulabschluss für eine Schülerin oder einen Schüler der richtige ist.
Wir hingegen haben u. a. mit der Gemeinschaftsschule die Möglichkeit geschaffen, Kindern und Jugendlichen Raum für
eine individuelle Lernentwicklung zu geben. Deswegen steht für mich außer Frage, dass der Weg auch für die anderen Schularten – auch für das Gymnasium, auch für die Realschu le – dahin gehen muss, sich auf die Unterschiedlichkeit ihrer Schüler im Sinne eines binnendifferenzierten Herangehens in ihrer pädagogischen Arbeit einzustellen und dies gelingen zu lassen. Mit dem kürzlich vorgestellten Konzept zur Weiter entwicklung der Realschulen wollen wir genau das ermögli chen.
Das, was vorhin von Ihnen kam, Herr Kollege Wacker, lässt nur einen Schluss zu: Wenn wir bisher an der Realschule – so sehen es manche Vertreter dieser Schulart noch – „nur“ das mittlere Bildungsniveau anbieten, das heißt den Weg zur mitt leren Reife, dann bedeutet das ja, dass Schülerinnen und Schü ler, die das nicht schaffen, keinen Platz an dieser Schule ha ben können. Wenn Sie – das ist der Streit, den Sie für sich ein mal klären müssen – sagen: „Letztlich werden wir um ein zweigliedriges Schulsystem nicht herumkommen“, dann stellt sich doch die Frage: Welches Angebot bekommen diese Schü lerinnen und Schüler?
Ich glaube, es ist richtig – dieses Konzept ist übrigens nicht über die Köpfe der Realschulen hinweg, sondern u. a. mit der Arbeitsgemeinschaft der Realschulrektoren und auch der GEW ausgearbeitet worden –, diesen Schülerinnen und Schülern mit der Möglichkeit, einen Hauptschulabschluss an der Schule zu absolvieren, einen Weg aufzuzeigen, der den Lehrkräften gleichzeitig die Möglichkeit gibt, die Schüler entsprechend ihrem jeweiligen Leistungsniveau zu fördern.
Findet das mit Mitteln der äußeren oder der inneren Differen zierung statt? Darüber können wir uns gern mit Pädagogin nen und Pädagogen unterhalten.
Es gibt hervorragende Beispiele dafür, dass es nicht zwingend notwendig ist, äußere Differenzierungsmaßnahmen durchzu führen, sondern hier bestehen sehr viele Möglichkeiten im Be reich der Binnendifferenzierung und auch des kooperativen Lernens.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns nicht im Sinne von Pseudolösungen über Elemente wie z. B. die Bekanntgabe der Grundschulempfehlungen an den weiterfüh renden Schulen reden, sondern lassen Sie uns über ein Ge samtkonzept reden, das den Schulen wirklich hilft. Die Lern standsdiagnose in Klasse 5 wird hier ein wichtiger Schritt sein. Eine hervorragende Beratung durch die Grundschulen wird ein weiterer wichtiger Baustein sein, um insbesondere den El tern die Angst vor einer falschen Bildungswegentscheidung zu nehmen. Das ist das wesentliche Element. Wir müssen es schaffen, dass die Eltern mit großem Vertrauen eine Schule
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich muss beim Thema Realschulen bleiben. Sie haben eben noch einmal Ihr Realschulkonzept angepriesen. Ein zentrales Element, das Sie den Realschulen auf der Jahrestagung der AG der Realschul rektoren in Filderstadt vor Wochen genannt haben, ist: Für zu sätzliche äußere Differenzierungsmaßnahmen gibt es 500 Un terrichtsdeputate zusätzlich.
Herr Minister, jetzt sind wir an einem ganz entscheidenden Punkt. Wir haben immer gesagt, dass 500 Deputate ein Schritt in die richtige Richtung sind. Sie haben aber nichts dazu ge sagt, was in der „Schwäbischen Zeitung“ stand, nämlich dass Sie für den Nachtragshaushalt nur 350 Deputate anbieten. In Filderstadt haben Sie etwas anderes erklärt.
Die Realschulrektoren gehen natürlich davon aus, dass eine Tranche für das Schuljahr 2015 zur Verfügung steht und die andere Tranche für das Schuljahr 2016, damit die äußeren Dif ferenzierungsmöglichkeiten, wenn auch in sehr geringem Um fang, überhaupt angeboten werden können. Wenn Sie jetzt nur 350 Deputate anbieten, Herr Minister, dann haben Sie die Re alschulen schlicht und einfach angelogen. Sie haben eben nicht gesagt, ob Sie den Realschulen letztlich 500 Deputate zur Verfügung stellen oder ob es bei 350 bleibt. Das ist der entscheidende Punkt. Diese Frage haben Sie nicht beantwor tet.
Ich bitte Sie, eines zur Kenntnis zu nehmen: Sie tun so, als ob Sie sehr viel mit den Realschulen sprächen. Sie wissen ganz genau, dass Ihnen die AG der Realschulrektoren ein Konzept vorgelegt hat, das sehr nah an dem war, was die CDU-Frakti on bereits im letzten Jahr verkündet hat.