Protokoll der Sitzung vom 04.02.2015

Nun zur inhaltlichen Bewertung der Bewährungshilfe. Ohne Frage ist die Bewährungshilfe 2007 und in den Jahren zuvor in einer solchen Situation gewesen, dass wir in Baden-Würt temberg nicht stolz sein konnten auf die Bewährungshilfe. Deshalb, Herr Professor Goll – das ist ein Aspekt, den Sie ebenfalls nicht erwähnt haben –, ist damals im Justizministe rium eine Kommission eingesetzt worden, die sich darüber Gedanken machen sollte, wie die Strukturen in staatlicher Form in Zukunft gestaltet werden sollten. Sie haben querbeet über die Justiz und über die Sozialarbeit Leute beauftragt, sich Gedanken zu machen.

Mitten in der Arbeit dieser Kommission sind Sie dann auf die Idee gekommen, es zu vergeben. All die Vorarbeiten, die be reits getätigt worden waren, waren dann nicht mehr wichtig. Vielmehr haben Sie auf NEUSTART und eine Ausschreibung gesetzt und dabei die Fachkompetenz der eigenen Leute ein fach ignoriert, meine Damen und Herren.

Insofern ist nun die Frage, wie wir weiter vorgehen. Es gab einen deutlichen Zuwachs bei den ehrenamtlich Tätigen; rich tig. Sie, Herr Goll, aber auch Sie, Herr Kollege Zimmermann, haben vorhin so getan, als ob durch die Ausschreibung die eh renamtliche Bewährungshilfe geradezu erst erfunden worden wäre. Das ist aber mitnichten der Fall. Es gab auch vorher schon ehrenamtlich tätige Bewährungshelferinnen und Be währungshelfer. Ohne Frage: Ab 2007 gab es mehr. Es gab al lerdings auch zuvor schon Bewährungshilfevereine, die be reits ehrenamtlich tätig waren.

Herr Professor Goll, auch wenn Sie den Kopf schütteln: Sie haben damals ein Ziel in Bezug auf die Ehrenamtlichen aus gegeben: Sie haben gesagt, aufgrund der an Private gerichte ten Ausschreibung sei es möglich, bis 2011 über 1 000 Ehren amtliche zu gewinnen. Im Jahr 2011 waren es jedoch nur 511. Jetzt sind es 650 Ehrenamtliche – die jeden Tag einer tollen ehrenamtlichen Aufgabe nachkommen und denen wir dank bar sind. Ich möchte den ehrenamtlich Tätigen zurufen, dass wir sie auch in Zukunft in Baden-Württemberg für die Bewäh rungshilfe brauchen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Das Gleiche gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so wie für die Beamtinnen und Beamten, die sich in der Bewäh rungshilfe stark engagieren, die für die Probanden wichtige Kontaktpersonen auf dem Weg der Resozialisierung sind. Da für möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie

den Beamtinnen und Beamten herzlich danken und möchte ihnen zurufen: Wir brauchen Sie alle für eine weiterhin funk tionsfähige Bewährungshilfe, und zwar unabhängig von de ren Trägerschaft!

Herr Professor Goll, Sie gehen davon aus, dass bei einer Aus schreibung unter den Bedingungen einer Marktwirtschaft klar ist, wer am Ende den Zuschlag bekommt. Dem kann ich nur entgegenhalten, dass ich Ihre Argumentation zwar nachvoll ziehen kann, dass es in der Sozialarbeit gängige Praxis ist, dass man ausschreibt und an freie Träger vergibt. Das ist aber nur deshalb gängige Praxis, weil es eine Vielfalt freier Träger gibt. Machen wir uns jedoch von einem freien Träger abhän gig, dann geben wir die ganze Kompetenz in der Bewährungs hilfe an einen Träger ab.

Herr Professor Goll, das ist eine Gefahr, die ich anders bewer te, als Sie sie bewerten. Sie gehen davon aus, dass immer der Gleiche den Zuschlag bekommt. Ich gehe davon jedoch nicht aus. Eine Ausschreibung befürworten wir nur dann, wenn es eine Vielfalt der Träger gibt; denn nur dann gibt es die not wendige Kompetenzvielfalt in der Ausschreibung.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nennen Sie mir ein mal ein paar!)

Wenn wir alle zehn Jahre ausschreiben, dann stellt sich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle zehn Jahre die Frage, wie es weitergeht. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, ob es wieder staatlich wird oder privat bleibt, sondern es stellt sich auch die Frage, wer bei einer Ausschreibung den Zuschlag be kommt. Deshalb denken wir natürlich darüber nach, ob es an dere Möglichkeiten gibt, die Strukturen, die aufgebaut wor den sind, zu übernehmen und auf der anderen Seite den Mit arbeiterinnen und Mitarbeitern Sicherheit zu geben. Dies wä re beispielsweise durch eine landeseigene GmbH möglich, so dass nicht die Notwendigkeit besteht, alle zehn Jahre auszu schreiben. Dadurch würde Sicherheit geschaffen.

Im Übrigen würde damit auch dem Sorge getragen, dass wir beim Direktionsrecht, was bei der Frage, welche Aufgaben zuweisungen, welche Dinge nahe an der Justiz durchgebro chen werden müssen – – Das muss geregelt sein.

Herr Professor Zimmermann – –

(Oh-Rufe – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Er nimmt alles an! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich höre Ihre Ehrfurcht!)

Insofern ehrenhalber. Das ist der große Respekt.

Herr Kollege Zimmermann, wenn Sie sagen, das mit dem Bundesverwaltungsgericht bekommen Sie schon irgendwie hin,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Mit gutem Willen!)

dann frage ich Sie: Wer hat es denn nicht hinbekommen? Nicht wir haben es nicht hinbekommen, sondern Sie haben es nicht hinbekommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir wollen eine hundertprozentige Sicherheit, dass das Direk tionsrecht durchgreift und dass es auch rechtlich funktioniert.

Die Widerspruchsquote, Herr Kollege Zimmermann.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hervorragend!)

Hervorragend. Das bestreitet niemand.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber!)

Haben Sie sich einmal die Mühe gemacht, das zu lesen, was Professor Dölling zur Evaluation geschrieben hat?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein! Zimmermann liest nie Dölling! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Nein!)

Das haben Sie wahrscheinlich nicht. Herr Professor Dölling schreibt nämlich, dass die Widerspruchsquote nichts

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

über die Qualität der Bewährungshilfe aussagt. Das ist die Aussage von Professor Dölling. Deshalb ist das kein Kriteri um für die Qualitätsmerkmale der Bewährungshilfe in BadenWürttemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Er ist ein schlimme rer Professor als ich! Widersprüchlich!)

Die Frage ist auch, ob bei einer Bewährungshilfe in der Ver antwortung des Landes so hohe Werbeausgaben notwendig sind, wie das augenblicklich der Fall ist. Auch das könnte man mittels einer Ausschreibung regeln. Aber die eigentliche Fra ge ist: Warum müssen wir etwas ausschreiben, wenn wir es selbst qualitativ genauso hinbekommen? Diese Frage müssen wir uns stellen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Landeseigene GmbH!)

Diese Frage werden wir uns vor allem vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts stellen.

Wenn Sie bereits aufgrund einer Pressemitteilung wissen, wie Sie es lösen, dann viel Spaß. So haben Sie Gesetze gemacht. Wir warten, bis die Begründung vorliegt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)

In diesem Sinn herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stickelberger das Wort.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Mal sehen, ob ich da mehr verstehe!)

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung wird in den nächsten Wochen über die Zukunft der Bewäh rungshilfe entscheiden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das haben wir letz tes Jahr auch schon gehört!)

Dabei sind für uns zwei Gesichtspunkte wichtig: die Siche rung der Qualität der Bewährungshilfe und die rechtmäßige Ausgestaltung der Bewährungshilfe.

Herr Kollege Zimmermann, wenn Sie jetzt,

(Zuruf von den Grünen: Professor Zimmermann!)

was den Zeitplan angeht, einwerfen, wir hätten letztes Jahr schon Ankündigungen gemacht: Gott sei Dank haben wir noch keine Festlegungen getroffen – Gott sei Dank.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Stellen Sie sich vor, das vernichtende Urteil des Bundesver waltungsgerichts wäre ergangen, nachdem wir bereits eine neue Struktur, eine Ausschreibung gemacht hätten – das wür de alles wie eine Seifenblase zerplatzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Bevor ich auf die beiden Gesichtspunkte eingehe, doch drei Vorbemerkungen.

Erstens: Wie stellt sich die „Gefechtslage“ dar? Vielfach wird in der Öffentlichkeit diskutiert, ob die Bewährungshilfe in staatliche Regie zurückgenommen wird oder ob NEUSTART die Bewährungshilfe weiterführt. Das ist nicht die Frage – auch wenn es häufig so gesehen wird. Die Frage ist: Schaffen wir eine Bewährungshilfe weiterhin mit einem privaten Be treiber, oder nehmen wir sie in staatliche Regie? Wenn wir sie mit einem privaten Betreiber fortführen wollen, müssen wir neu ausschreiben, und zwar europaweit. Das wäre ein riesi ges Unterfangen, das dann entsprechenden Aufwand erfor dern würde. – Das nur zur Klarstellung, weil häufig so getan wird, als wäre ein Konflikt zwischen einer Lösung mit NEU START und einer staatlichen Lösung im Raum. Das ist gera de nicht der Fall.

Zweitens: Herr Kollege Professor Dr. Goll, wenn Sie sagen, wir hätten gerade jetzt eine Reform bekommen: Richtig ist, wir hatten früher – Kollege Binder hat das auch ausgeführt – keine geordnete Struktur. Es gab viele Einzelkämpfer, die sich Mühe gegeben haben. Aber es gab keine organisierte Struk tur, kein Controlling, keine Standards, kein Berichtswesen und, und, und. Diese Struktur ist aufgebaut worden,