Protokoll der Sitzung vom 04.02.2015

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Ich und meine Fraktion halten auch ehrenamtliche Bewäh rungshelfer für unverzichtbar. Es ist doch völlig richtig, dass hier eine Rückkopplung stattfindet, dass hier eine enge An bindung an die Gesellschaft erfolgt, dass man sich mit der Thematik eines sozial abweichenden Verhaltens auseinander setzt und dass die ehrenamtlich tätigen Bewährungshelfer und -helferinnen Vorbilder für die Klienten sein können. Ich kann da nur sagen: Das ist ein Bereich, den man durchaus zu hono rieren hat.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Die Betreuungsquoten sind weiter nach unten gegangen. Frü her waren es 95 Klienten, jetzt liegen wir in einem Bereich von 70. Das ist natürlich ein Punkt. Auch Fortbildung und an dere Maßnahmen sind hier sicherlich wichtig. Die geschaffe nen Strukturen wollen wir vom Prinzip her in keiner Weise umgestalten und auf den vorherigen Zustand zurückführen. – Aber jetzt – –

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Bis zum „Aber“ applaudiere ich!)

Aber jetzt zur eigentlichen Frage: Der Vertrag zwischen dem Land und NEUSTART läuft Ende 2016 aus. Es muss die Ent scheidung getroffen werden, ob er neu ausgeschrieben wird oder ob es hier zu anderen Bewertungen kommt. Jetzt brau chen die Beschäftigten eine klare und verlässliche Entschei dung im Interesse aller.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Das muss man wirklich definitiv festhalten.

Aber – das wurde jetzt ein bisschen als Petitesse abgetan – da zu gibt es eine Entscheidung, die beim Bundesverwaltungs gericht am 28. November letzten Jahres ergangen ist. Jetzt darf ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hieraus zitieren. Was steht da denn drin? Da heißt es:

Beamtete Bewährungs- und Gerichtshelfer in Baden-Würt temberg unterliegen nicht den Weisungen des privaten Trägers, dem derzeit vom Land die Aufgabe der Bewäh rungs- und Gerichtshilfe übertragen ist. Bis längstens En de 2016 ist allerdings die bisherige Praxis im Wesentli chen hinzunehmen, um eine wirksame Erfüllung der Auf gabe sicherzustellen.

Jetzt weiter zum Gesetz. Das, was ich zitiert habe, war nur die Pressemitteilung. Wir haben immer noch nicht die Urteilsbe gründung vorliegen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Eben!)

Zur Erteilung von Weisungen aus Sicht des freien Trägers heißt es dort weiter:

Dem genügen die Bestimmungen des Landesgesetzes nicht. Sie sind unklar, unvollständig und in sich widersprüch lich; diese Widersprüche sind auch nicht auflösbar: Un

klar ist schon die Person des Weisungsbefugten; das Lan desgesetz nennt insoweit einerseits den „Vorstand“ des freien Trägers, an anderer Stelle den „freien Träger“ als solchen.

Da muss ich sagen: Herr Goll, es ist relativ mutig, dass Sie für heute eine Aktuelle Debatte zu diesem Thema beantragt ha ben, wenn Sie einen solchen Verriss für Ihr damaliges Gesetz von der Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts bekom men haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Nochmals: Wir wollen eine klare Linie.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wollen Sie dann das Gesetz anpassen?)

Halt! An dieser Stelle wollen wir erst einmal die Urteils gründe hören.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! Ohne Ur teilsbegründung kann man gar nichts machen!)

Die liegen uns noch gar nicht vor.

(Abg. Wolfgang Drexler und Abg. Sascha Binder SPD zur CDU: So habt ihr regiert!)

Was ich aber für meine Fraktion klipp und klar sagen kann, ist: Eine Doppelstruktur werden wir nicht machen. Eine Struk tur nach dem Prinzip „Verbeamtete Mitarbeiter beim Justiz ministerium, und Angestellte sind dann draußen“ macht über haupt keinen Sinn. Das wird es nicht in dieser Wertigkeit ge ben.

Bislang ist aus dem genannten Urteil nicht ersichtlich – die Gründe liegen, wie gesagt, nicht vor –, ob überhaupt eine Aus schreibungsmöglichkeit gegeben ist. Es kann sein, dass das Bundesverwaltungsgericht hierzu sagt, dass das so nicht geht. Wir müssen berücksichtigen, dass Baden-Württemberg das einzige aller 16 Bundesländer ist, das diese Lösung gewählt hat. Das muss man jetzt in Ruhe abwarten.

Eine Ausschreibung im klassischen Sinn bedeutet auch nicht, dass es in dieser Konstellation automatisch so weitergeht, so dass es bei NEUSTART bleibt. Das geht ja nicht; denn das wi derspricht in jedem Fall dem Gedanken einer Ausschreibung.

Für uns steht die Qualität der Bewährungshilfe im Vorder grund. Das wollen wir erreichen. Die Frage der Struktur, ob in staatlicher oder in freier Trägerschaft, muss im Lichte der Entscheidung bewertet werden. Das ist für uns aber auch nicht maßgeblich, sondern es geht um die Qualität. Dass wir daran nicht rütteln wollen, habe ich bereits dargelegt.

Selbstverständlich sind auch die Kosten zu berücksichtigen, die sich in diesem Bereich ergeben, sollte das Gericht eine staatliche Lösung vorgeben. Wir wollen aber – das ist für mich das Wichtigste – keinerlei Unsicherheit für die Beschäftigten. Es soll entsprechend weitergehen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wenn Sie dieses Argument bei der Ausschreibung bringen, hätten Sie es halt immer wieder, nämlich alle zehn Jahre wie

der. Das möchte ich jetzt aber gar nicht sagen. Die Menschen leisten vor Ort eine gute Arbeit, und zwar unabhängig von der Struktur, egal, ob es notwendigerweise staatlich erfolgt oder ob es in freier Trägerschaft erfolgt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Binder das Wort.

Herr Präsident! Auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch. Sie haben mich allerdings vor hin kurz irritiert mit dem Hinweis, dass Sie in Zukunft nicht mehr darauf hinweisen, dass bei Aktuellen Debatten eine freie Rede erwartet wird. Ich hoffe, ich muss in Zukunft meine Re de nicht ablesen, sondern wir können in der Aktuellen Debat te weiterhin in freier Rede diskutieren.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist ja fast rügefähig! – Zuruf von der CDU: Jeder darf, wie er will!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Professor Goll, Sie ha ben begonnen – –

(Zuruf)

Das steht so in der Geschäftsordnung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er hat eine Ergän zung dazu gemacht!)

Herr Professor Goll, Sie haben versucht, eine geschichtliche Aufarbeitung der Bewährungshilfe vorzutragen. Dabei haben Sie aber ein paar Aspekte ausgelassen. Sie haben z. B. ausge lassen, dass dieses Gesetz damals vom Staatsgerichtshof als formell verfassungswidrig erachtet worden ist.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Sie haben damals gedacht, diese Regelung zur Bewährungs hilfe sei ein Fall des Notbewilligungsrechts. Das war es aber eben nicht. Deshalb ist Ihr Gesetz bereits formell nicht rich tig durch den Landtag gegangen, meine Damen und Herren. Das haben Sie in Ihren Ausführungen vergessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Schon wieder verfas sungswidrig!)

Auch materiell ist dies problematisch. Hierzu möchte ich aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zitieren:

Der Versuch, dem privaten Rechtsträger Weisungsrechte gegenüber den beamteten Bewährungshelfern einzuräu men, ist angesichts dieser in sich widersprüchlichen und auch mit den Mitteln richterlicher Gesetzesauslegung nicht auflösbaren Rechtskonstruktion gescheitert.

Ihr Gesetz war formell und materiell falsch, und das ist Ihnen von zwei Gerichten gesagt worden, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Herr Professor Goll, darüber hinaus haben Sie damals ange kündigt – auf das Thema Ehrenamtliche komme ich nachher noch zurück –, dass Sie eine Effizienzrendite von 10 % bis 15 % erwarten. Das ist ein weiterer Aspekt, den Sie bei Ihrer geschichtlichen Aufarbeitung wohlweislich vergessen haben. Diese Erwartung haben wir damals schon bestritten. Wer die Bewährungshilfe wirklich verbessern will – von der Aus gangssituation 2007 –, kann nicht gleichzeitig erwarten, 10 % bis 15 % einzusparen. Der Rechnungshof hat Ihnen gesagt, dass Sie dieses Ziel nicht erreicht haben. Das ist ein weiteres Ziel, das Sie zwar angekündigt, aber nicht erreicht haben, Herr Professor Goll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Nun zur inhaltlichen Bewertung der Bewährungshilfe. Ohne Frage ist die Bewährungshilfe 2007 und in den Jahren zuvor in einer solchen Situation gewesen, dass wir in Baden-Würt temberg nicht stolz sein konnten auf die Bewährungshilfe. Deshalb, Herr Professor Goll – das ist ein Aspekt, den Sie ebenfalls nicht erwähnt haben –, ist damals im Justizministe rium eine Kommission eingesetzt worden, die sich darüber Gedanken machen sollte, wie die Strukturen in staatlicher Form in Zukunft gestaltet werden sollten. Sie haben querbeet über die Justiz und über die Sozialarbeit Leute beauftragt, sich Gedanken zu machen.