Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Er hat erklärt: „Ohne TTIP droht der wirtschaftliche Abstieg.“ Wie passt das denn zusammen, meine Damen und Herren? Der Parteivorsitzende der SPD erklärt: „Ohne TTIP droht der wirtschaftliche Abstieg“, und die SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg erklärt: „Darüber redet man am bes ten gar nicht.“ Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Stimmt doch gar nicht! Unglaublich! Nicht verstanden! – Zuruf der Abg. Rita Haller-Haid SPD)

Doch, er hat gesagt – – Lesen Sie es doch im Plenarproto koll nach. Herr Drexler, immer wieder versuchen Sie, Intelli genz durch Lautstärke zu ersetzen, aber es ist so, dass er das gesagt hat. Er hat von „Unzeit“ gesprochen und von „zurück halten“.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Herr Friedrich, vielen Dank für diese Beschlüsse. Diese Be schlüsse sind mir durchaus bekannt, aber sie zeigen eben nur Bedenken.

(Minister Peter Friedrich: Nein!)

Doch. Sie haben in Ihrer Rede nur über Bedenken geredet, nicht über Chancen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was? – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich!)

Ich kann Sie beruhigen. Ich mache mir keine Sorgen, dass sich die baden-württembergische Wirtschaft bei Ihnen besser auf gehoben fühlt als bei der Opposition. Wir reden heute noch über ein paar Grausamkeiten,

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

die Sie für die baden-württembergische Wirtschaft auf Lager haben, wie beispielsweise dieses unsägliche Bildungszeitge setz. Ich bin einmal sehr gespannt, wie groß die Begeisterung der baden-württembergischen Wirtschaft dafür ist.

Sie haben zig Bedenken aufgezählt, die auch in diesen Be schlüssen hier stehen. Was ich vermisst habe, sind die Chan cen. Ich würde erwarten, dass eine baden-württembergische Landesregierung im Interesse der Wirtschaft, im Interesse des Exports der baden-württembergischen Wirtschaft mehr die Chancen von TTIP sieht und nicht nur als Bedenkenträger un terwegs ist. Wer Sie heute gehört hat, meine Damen und Her ren, muss zu dem Ergebnis kommen: Diese Landesregierung will TTIP nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD: Um Gottes willen! Nichts kapiert!)

Für die Fraktion der CDU ertei le ich das Wort Herrn Abg. Professor Dr. Reinhart.

Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Zunächst glaube ich, dass die ses Thema überhaupt nicht geeignet ist, dass man sich hier parteipolitisch keilt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gui do Wolf CDU – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Ja. – Das sage ich aus fester Überzeugung. Unsere Aufga be muss sein, dass wir informieren, um Kritik und Verdruss vorzubeugen. Das größte Problem liegt doch im Informati onsdefizit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das ist ja auch nachvollziehbar. Überlegen Sie einmal: Herr Kollege Löffler hat in der letzten Sitzung des Europaausschus ses CETA angesprochen und einen Antrag eingebracht – den Sie übrigens abgelehnt haben, was wir nicht verstehen. War um sage ich das? Das Werk hat 1 600 Seiten. Jetzt seien wir doch einmal ehrlich: Wer liest denn die 1 600 Seiten? Das heißt, wir sind doch darauf angewiesen, dass wir dieses The ma sorgsam, mit Transparenz begleiten, und zwar – da gebe ich dem Kollegen recht – im Sinne der Chancen. Denn für die baden-württembergische Wirtschaft überwiegen die Chancen gegenüber den Risiken. Das ist eindeutig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb brauchen wir das Ganze auch, und deshalb sind wir auch in diesem Punkt, glaube ich, richtig unterwegs.

Das Zweite: Natürlich ist es gut, Frau Kollegin Lindlohr, dass öffentlich auch über die Bedenken und Sorgen gesprochen wird; der Kollege von der SPD hat das auch erwähnt. Denn

wir wollen nicht, dass die kommunale Daseinsvorsorge be einträchtigt wird. Wir wollen sie geschützt behalten. Wir wol len, dass die Verbraucherrechte – auch in Bezug auf den Ge sundheitsschutz – gewahrt bleiben,

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

die Kultur geschützt bleibt und auch die Standards, die wir haben, geschützt bleiben. Das heißt, sie dürfen nicht abgebaut, sondern sie müssen geschützt und erweitert werden. Darum geht es ja auch. Deshalb ist es gut, wenn die ganze Nummer sehr transparent abläuft.

In 24 Staaten interessiert das Thema die Öffentlichkeit gar nicht. Es sind im Moment nur fünf Staaten, in denen darüber öffentlich gesprochen, diskutiert wird: Deutschland, Öster reich, die Niederlande, Luxemburg und Finnland. Das sind, glaube ich, die Staaten, in denen sehr offen darüber debattiert wird. Aber das ist auch gut so.

Jetzt möchte ich eines erwähnen, weil die Kollegen bei dem Thema „Schiedsvereinbarung beim EnBW-Kauf“ – – Das geht ja nicht, Frau Kollegin. Sie können nicht sagen, Sie seien ge gen Schiedsgerichte, weil Sie dort kein objektives Urteil er warten würden. Das würde ja bedeuten, dass Sie in dem Ver fahren das Schiedsgericht anrufen und gleichzeitig sagen, dort erwarten Sie kein objektives Urteil.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das sollten wir hier schon ausräumen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Lindlohr?

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Eine Kurzinterven tion!)

Herr Kollege Reinhart, vie len Dank für die Zulassung der Kurzintervention. Wir haben uns da ganz missverstanden. Das Wort „objektiv“ habe ich gar nicht verwendet; das war nicht mein Urteil. Ich habe darauf Bezug genommen, dass der Kollege Rülke in seiner Rede an gemerkt hat, Grün-Rot würde Schiedsverfahren ja wohl ganz besonders lieben. Da habe ich auf die Ursache des aktuellen Schiedsverfahrens, nämlich den Passus im entsprechenden EnBW-Kaufvertrag, hingewiesen.

Gut, vielen Dank. – Ich kann nur sagen: Ich denke, diese Thematik, die zu Recht lei denschaftlich diskutiert wurde, ist nach der jetzigen Tendenz in Brüssel und auch bei der Bundesregierung wahrscheinlich ohnehin erledigt. Ich erachte den Vorschlag mit transparenten Verfahren mit Berufsrichtern und Berufungsinstanzen für sinnvoll. Mit der Umsetzung dieses Vorschlags ist das Prob lem erledigt und gelöst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Das muss man einfach auch sehen.

Aber wir müssen auch als Parlamentarier aufpassen. Da wird ein Regulationsrat vorgeschlagen. Ich will nicht, dass die Par lamente entmachtet werden. Ich finde, auch das ist unser In teresse. Wir, die Parlamente, wollen dort, wo wir zuständig sind, auch weiterhin beteiligt werden. Deshalb ist es gut, wenn man das offen diskutiert und bespricht. Ich glaube, darum muss es auch gehen.

Ich will abschließend, weil meine Redezeit abläuft,

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Genau!)

noch auf Folgendes hinweisen: In Deutschland sind die Sozi alstandards im Vergleich zu denen in allen anderen Mitglieds staaten der EU sehr hoch, Herr Kollege. Das führt dazu, dass in der EU im Moment bei einem Anteil von 7 % an der Welt bevölkerung und von 75 % an der Wirtschaftskraft in der Welt 50 % der Sozialausgaben getätigt werden.

Meine Damen und Herren, das ist die Realität. Wir haben ei ne rasche, schnelle Veränderung überall. Wenn wir weiter ei nen Schutz wollen, müssen wir uns dieser Veränderung auch anpassen. Das heißt, wir müssen sehen, dass Wohlstandsge winne für alle zustande kommen. Es liegt im deutschen, im europäischen, aber vor allem im baden-württembergischen In teresse, dass ein solches Freihandelsabkommen zustande kommt, denn Maschinenbau, Fahrzeugbau, auch Mittelstand – sie wurden zu Recht erwähnt – sind unsere Flaggschiffe.

Deshalb müssen wir darauf drängen, dass es ein rasches Er gebnis gibt. Ich habe die Sorge, dass Ende 2015 das Ergebnis, das die Kanzlerin will, nicht erzielt wird. Dann wird in Ame rika der Präsident gewählt. Insofern kann es sein, dass noch viel Zeit ins Land geht, bis man überhaupt zu Ergebnissen kommt.

Nun zu den Verbänden, Frau Kollegin: Alle Wirtschaftsver bände in Deutschland und in Baden-Württemberg wollen die ses Wirtschaftsabkommen. Das ist auch in unserem Interesse, nämlich im Interesse der Arbeitnehmer, aber auch der Arbeit geber in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich dem Kollegen Frey das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin wirklich dankbar, dass wir heute diese Dis kussion führen, weil sie zwei wichtige Fazite zulässt.

Herr Kollege Reinhart, wenn Sie die 1 600 Seiten nicht lesen und letztlich dennoch die Risiken und Chancen genau kennen, dann beglückwünsche ich Sie. Wenn man so Politik macht und Chancen und Risiken abwägen kann, ohne Vorlagen ge lesen zu haben, dann ist das eine erstklassige Sache.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Haben Sie es gelesen? – Gegen ruf des Abg. Walter Heiler SPD: Er hat es nicht gele sen, er hat es geschrieben!)

Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass wir im nächsten Jahr dieses Land weiter regieren müssen, weil Sie nämlich auf grund dieser Analysen Ihre Entscheidungen treffen.

(Beifall bei den Grünen)