Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Die Beitragsdebatte hat weitere medienpolitische Themen her vorgebracht, zu denen die Landesregierung – wie zu den meis ten der gerade gestellten Fragen – bisher jede Antwort oder jede eigene Positionierung vermissen lässt. Welche notwen dige Strukturveränderung des öffentlich-rechtlichen Rund funksystems mit derzeit elf Anstalten in Deutschland sieht die Landesregierung? Was hält die Landesregierung von der so genannten Medienstiftung, die ebenfalls von Nordrhein-West falen in die Diskussion gebracht wurde und zuletzt von Pro fessoren der Zeppelin Universität in Friedrichshafen konzep tionell ausgefüllt und mit einem sagenhaften Finanzbedarf in Verbindung gebracht wurde?

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sprechen Sie jetzt für die Landesregierung?)

Ist diese Idee nicht in Wirklichkeit ordnungsrechtlich ein An schlag auf die Vielfalt der Medienlandschaft? Die Ministerin hat – bis heute – in vier Jahren leider nicht ein einziges Mal ihre medienpolitischen Vorhaben im Parlament dargelegt. Bis auf den SWR-Staatsvertrag hat sie wohl auch keine. Sonst würde jetzt nicht Sachsen-Anhalt den Staatsvertrag zum digi talen Jugendangebot der Öffentlich-Rechtlichen koordinieren, sondern Baden-Württemberg,

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

dessen Sender dieses Angebot entwickelt und verantwortet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Oder hat die Landesregierung den Ball der letzten Minister präsidentenkonferenz zur Öffnung der Spielregeln im Netz aufgegriffen und sich Gedanken zur Zukunft des Dreistufen tests gemacht, der abgeschafft gehört? Das Netz ist ein gleich berechtigter und für eine Reihe von Zielgruppen wichtigerer Ausspielweg geworden. Dann kann man nicht altmodische Regeln für die Aufhebung der Netzpräsenz auf Dauer akzep tieren. Für das Jugendangebot im Netz hat man schon einmal Ausnahmen festgelegt. Das ist ein Türöffner. Haben Sie die Klinke schon in der Hand? Wohl eher nicht.

Die MPK hat im Oktober beschlossen, dass eine Bund-Län der-Kommission einen Staatsvertrag oder vergleichbar ver bindliche Regelungen zur digitalen Medienordnung erarbei

ten soll, bei dem bzw. denen es zusätzlich der Abstimmung mit den europäischen Institutionen bedarf. Von Ihnen war auch dazu bisher kein Wort zu vernehmen – eine spärliche Bilanz.

Verfolgt die Landesregierung die Idee eines Rundfunkstaats vertrags, der die regionale Werbung den regionalen Sendern vorbehält, die dringend darauf angewiesen sind? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie weit ist sie damit gekommen?

(Glocke des Präsidenten)

Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. – Ihr Projekt des Staats vertrags endete erst einmal damit, dass Sie dem Parlament ei nen verfassungswidrigen Entwurf zur Abstimmung vorgelegt und der Regierungsmehrheit zugemutet haben, diesen auch noch zu beschließen. Unsere Warnungen haben Sie damals in den Wind geschlagen.

(Abg. Tobias Wald CDU: Peinlich, sehr peinlich!)

Also: Auch wenn wir heute einen angenehmen Beschluss zu fassen haben, so müssen wir in dieser Debatte doch feststel len, dass die Landesregierung medienpolitisch nicht stattfin det, im Konzert der Länder keine Rolle spielt und sich bisher an keiner der hier angerissenen Debatten auch nur öffentlich beteiligt hat.

(Abg. Tobias Wald CDU: Hört, hört!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Salomon das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Werter Kollege Rau, Ihre Vorhaltungen, die Sie Frau Ministerin Krebs gerade eben gemacht haben, sind mei nes Erachtens nicht aufrechtzuerhalten und zeugen davon, dass Sie und Ihre Fraktion medienpolitisch vier Jahre im Tief schlaf waren, weil wir natürlich über das Landesmedienge setz gesprochen haben. Wir haben über den SWR-Staatsver trag gesprochen, wir haben über andere landesmedienpoliti sche Themen gesprochen. Auch die Ministerin hat im Ständi gen Ausschuss weitere Themen angesprochen. Daher kann es nur so sein, dass Sie sich im Tiefschlaf befinden oder nicht wahrhaben wollen, dass diese Landesregierung, diese Minis terin und auch der Ministerpräsident sich darum bemühen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch in die Moderne, in die Zukunft zu führen. Das ist doch das Entscheidende.

Was machen Ihre CDU- und CSU-Ministerpräsidenten? Sie nehmen die Medienpolitik als Spielball. Das Thema Medien wird irgendwo unter Paketen noch hineinverhandelt. Dann machen sie ein bisschen Medienpolitik, anstatt sich wirklich zu fragen, wie wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Zukunft gestalten können, und sich entsprechend zu be mühen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Sie hätten auch einmal darüber reden können, was Ihr Minis terpräsident Seehofer beim Jugendkanal gemacht hat.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das ist nicht unser Ministerpräsident!)

Anstatt dass er sich darum bemüht, dass auch Rundfunkbei tragsgelder dafür eingesetzt werden, dass wir beim Thema „Jugend im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ in die Moderne kommen, schickt er seinen Kabinettskollegen Söder auf eine Werbetour in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks. Das ist nach Ihrem Empfinden öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Nach Ihrem Empfinden ist das Ihr Werbekanal, nicht jedoch ein Meinungsbildungsorgan, was es auch sein muss.

(Beifall bei den Grünen)

Aber um auf den Rundfunkänderungsstaatsvertrag zurückzu kommen: Die Umstellung auf den Rundfunkbeitrag funktio niert aus unserer Sicht. Sie wirkt auch. Das sieht man an dem Betrag von 1,5 Milliarden € Mehreinnahmen in der Beitrags periode 2013 bis 2016. Das liegt vor allem daran, dass wir die Schwarzseherinnen und Schwarzseher in das System gebracht haben. Ich würde aber die Zahl 1,5 Milliarden € nicht so ab solut setzen, sondern zunächst mit Vorsicht genießen, weil sie auch offene Forderungen enthält, die erst eingetrieben wer den müssen.

Um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen: Meines Erachtens wird mit diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Der erste Schritt wäre gewesen, die Evaluierung abzuwarten, die jetzt kommt. Dort hätte man geschaut: Wie und wen muss man vielleicht noch entlasten? Gibt es noch Entlastungsspielräume?

Man hätte in die Rücklagenbildung für den öffentlich-recht lichen Rundfunk hineinschauen müssen, weil wir natürlich al le nicht wollen, dass wir uns ab 2017, ab der neuen Beitrags periode dann wieder darüber unterhalten, ob es eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags geben muss. Vielmehr ist uns allen da ran gelegen, dass es eine Stabilisierung des Beitrags auf die sem Niveau gibt, der Beitrag aber auch auskömmlich ist – das ist das Entscheidende, und da muss das Ausrufezeichen ge setzt werden –, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei nen Auftrag erfüllen kann, dass er ein gutes Programm ma chen kann und dass nicht in die Substanz hineingespart wird. Denn dort befinden wir uns aus unserer Sicht momentan: Es wird in die Substanz hineingespart. Das schadet dem Pro gramm, und das schadet der Meinungsvielfalt sowie den Bür gerinnen und Bürgern in diesem Land und in ganz Deutsch land.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Sascha Binder SPD)

Wir werden diesem Gesetz trotzdem zustimmen, weil es aus unserer Sicht in die richtige Richtung geht. Wir haben immer gesagt: Die Umstellung des Gebührensystems auf den Rund funkbeitrag ist die richtige Entscheidung gewesen. Dabei wur de auch versprochen, dass man den Seherinnen und Sehern, den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern Mehreinnahmen wieder zurückgibt. Deswegen ist es der richtige Schritt.

Trotz allem fordere ich Sie auf: Rufen Sie Ihre CDU- und CSU-Ministerpräsidenten dazu auf, Ihre Fragen, die zum Teil

durchaus berechtigt waren, zu beantworten. Denn meines Er achtens – das sagen Ihnen alle Medienpolitikerinnen und Me dienpolitiker deutschlandweit – liegt es bestimmt nicht an den von der SPD geführten Landesregierungen oder an der von den Grünen geführten Landesregierung in Baden-Württem berg, dass es in der Medienpolitik so steht, wie es derzeit steht. Vielmehr liegt es daran, dass Herr Tillich, Herr Seehofer und teilweise Herr Bouffier die Entwicklung des öffentlich-recht lichen Rundfunks behindern. Dort sind Ihre Fragen richtig aufgehoben. Deshalb bitte ich Sie darum: Stellen Sie dort die se Fragen. Wirken Sie darauf hin, dass Ihre Ministerpräsiden ten aus anderen Ländern unterstützend wirken, und machen Sie hier nicht Vorhaltungen, die absolut haltlos sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Binder.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rau, Sie haben davon gesprochen, dass wir heute einen „angenehmen“ Beschluss fassen können. Ich bedaure, dass es unter 16 Regierungschefinnen und Regie rungschefs immer nur zu angenehmen Ergebnissen kommt. Denn wenn man näher hinschaut, erkennt man, dass die Er gebnisse nicht nur angenehm sind. Die Reduzierung des Rundfunkbeitrags ist für die Beitragszahlerinnen und Bei tragszahler sicherlich ein angenehmer Beschluss. Die Frage ist aber: Zu wessen Lasten geht das? Geht das zulasten des öf fentlich-rechtlichen Rundfunks?

Wir müssen nämlich aufpassen, dass wir nicht in eine Spira le hineinkommen, bei der wir einerseits sagen: „Wir müssen das Beitragsniveau halten oder gar senken“, uns auf der an deren Seite aber für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk starkmachen und auf die Tiefe der Berichterstattung, auf die Meinungsvielfalt hinweisen; denn das eine geht nicht ohne das andere. Wir brauchen die finanziellen Möglichkeiten auch in Zukunft, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf dem Standard zu halten, den wir nun vorfinden.

Deshalb ist dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag ein ganz netter Vertrag. Allerdings hat er die Lösung aller Probleme – Herr Rau, da gebe ich Ihnen recht –, die eigentlich vorhanden sind, aufgespart. Ich gebe auch dem Kollegen Salomon recht: Man hat den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Man hätte die Evaluation abwarten müssen. Man schreibt jetzt mit hinein: Man wartet die Evaluation ab, bevor man entscheidet, ob eine weitere Senkung des Rundfunkbeitrags, die dann ins gesamt 73 Cent betragen würde, vorgenommen wird.

Ich begrüße auch, dass zumindest in einer Protokollnotiz steht, dass man nicht nur die Evaluation abwartet, sondern auch da rüber nachdenkt, was in der Rücklage behalten werden muss, um die Beitragsstruktur zu halten, und nicht etwa über eine weitere Senkung nachdenkt, die dann wieder zu einer deutli chen Erhöhung führt, wenn dem öffentlich-rechtlichen Rund funk das Geld ausgeht. Ich sage das auch meinen eigenen Par teifreunden in Rheinland-Pfalz, die schon die Diskussion be ginnen und erklären, man könne den Rundfunkbeitrag noch weiter senken. Davor warne ich. Wir müssen jetzt die Evalu ation abwarten.

Wir müssen natürlich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auch in unserem Sender SWR, darüber nachdenken, wie wir weiter über Strukturreformen diskutieren können. Aber ir gendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Es ist dann erreicht, wenn wir weiter in das Programm eingreifen und die Qualität unseres SWR verschlechtern. Dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Deshalb müssen wir uns immer darü ber unterhalten: Können wir die Beitragszahler guten Gewis sens entlasten, ohne auf der anderen Seite einen Qualitätsjour nalismus im Hörfunk und im Fernsehen aufs Spiel zu setzen?

Ich sehe schon, dass die Landesregierung diesen Spagat sehr gut beherrscht. Allerdings – darauf hat der Kollege Salomon hingewiesen – sind es eben 16 Länder, die alle ihre eigenen Interessen haben. Manchmal sind diese Interessen nicht me dienpolitisch gesteuert, sondern spielen dabei andere Interes sen eine Rolle.

Es wurde auch immer wieder über die Vielzahl der Anstalten in der ARD diskutiert. Herr Kollege Rau, Sie haben das auch angesprochen. Es gibt nicht nur Vorteile, wenn Anstalten mit einander fusionieren. Auch der SWR ist aus einer Fusion ent standen, wobei wir nach wie vor vielerlei Strukturen beibe halten, um auf die zwei Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Rücksicht zu nehmen. Das heißt, auch Ein spareffekte, die man sich von einer Fusion erhofft, lassen sich erst viel später realisieren.

Aber das heißt nicht, dass wir grundsätzlich auf Strukturdis kussionen verzichten dürfen. Auch in unserem eigenen Süd westrundfunk halten wir an vielerlei Strukturen fest. Da bitte ich auch in Richtung unserer Partner in Rheinland-Pfalz, viel leicht das eine oder andere zu überdenken. Es geht um einen gemeinsamen Sender, und da ist sicherlich Spielraum vorhan den.

Zwar ist der Jugendkanal nicht so gekommen, wie wir es ei gentlich wollten. Aber ich begrüße, dass zumindest der SWR die Lücke gesehen hat, wie wir trotzdem einen Jugendkanal auf die Beine stellen können. Wenn wir bei der nächsten Kon ferenz noch den Rest an Ausstrahlungsmöglichkeiten bekom men, glaube ich, dass der SWR dabei gut aufgestellt ist.

Insofern ist viel im Fluss; Herr Rau, da gebe ich Ihnen recht. Aber es ist nicht so, dass wir in Baden-Württemberg medien politisch außen vor wären. Vielmehr sind wir mittendrin.

Beim Jugendkanal gibt es Fortschritte. Die Ausweitung der Zielgruppe auf die Jugend wird beim SWR konzipiert. Sie wird, wie ich finde, gut konzipiert – mit einem mutigen Kon zept und mit mutigem Personal.

Insofern stimmen wir diesem Rundfunkänderungsstaatsver trag zu. Wir hoffen, dass die Probleme, die noch vorhanden sind, nun endlich gelöst werden, und denken, dass wir viel leicht beim nächsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ein bisschen unangenehmere Diskussionen haben. Denn nur an genehme Diskussionen in der Medienpolitik gibt es nicht. An dernfalls kämen wir keinen Schritt voran.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die Kommission zur Ermittlung des Fi nanzbedarfs der Rundfunkanstalten – kurz KEF genannt – hat festgestellt, dass die Anstalten durch die Umstellung der Fi nanzierung zu viel Geld haben, und hat berechnet, dass 73 Cent des Rundfunkbeitrags zurückzugeben sind.