Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Wie dramatisch der Wandel war, sieht man beim Rettungs dienst übrigens z. B. an dem Umstand, dass dort der Bestand hauptamtlichen Personals seit 2003 um 41 % gestiegen ist. Da sieht man: Es ist nicht alles so geblieben, wie es war, sondern es war eben den gegebenen Herausforderungen zu begegnen. Dort hat sich offensichtlich natürlich auch die Aussetzung der Wehrpflicht deutlich bemerkbar gemacht. Jedenfalls wurden dort 41 % mehr hauptamtlich Tätige gebraucht.

Dort fällt aber auch der dramatisch niedrige Anteil der Men schen mit Migrationshintergrund ins Auge. Ich weiß, diesen Appell hören Sie oft, aber ich glaube, wir müssen ihn auch hier nochmals aufgreifen: Wie ist es eigentlich möglich, dass in diesen Bereichen so wenige Leute mit Migrationshinter grund tätig sind? Beispielsweise bei den Rettungsdiensten – da staunt man – haben nur 1,65 % der dort Tätigen einen Mi grationshintergrund. Das ist wirklich erstaunlich. Da müsste eigentlich noch ein Potenzial vorhanden sein.

Das THW mit seinen wichtigen Aufgaben hat hinsichtlich der Ausstattung erhebliche Verbesserungen erfahren: Es wurden 200 hochmoderne Fahrzeuge beschafft, allerdings auch in die sem Fall zwischen 2009 und 2011.

In Baden-Württemberg, meine Damen und Herren, gibt es vielfältige Instrumente der Würdigung und Anerkennung des Ehrenamts. Das ist wichtig. Ich nenne nur den Engagement nachweis oder auch den „Qualipass“. Da müssen wir dran bleiben, vor allem auch – letztes Stichwort, Frau Präsidentin – an dem immer wiederkehrenden Thema Freistellungen. Denn das Auf-die-Schulter-Klopfen ist wichtig, doch das zen trale Thema der Dienste ist immer wieder, ob der öffentliche Dienst, ob wir, das Parlament, sie bei dem Thema Freistellun gen unterstützen, damit die Leute tatsächlich ohne Nachteile an ihren Einsätzen teilnehmen können. Auch dieses Thema, einen der wichtigsten Schauplätze, wollen wir im Auge be halten.

Aber ich darf auf den Anfang zurückkommen: Wir sind uns bei diesem Thema natürlich weitgehend einig – Gott sei Dank.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Innenminister Gall.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, werte Kolleginnen und werte Kollegen! Ich darf mich vor neweg dafür bedanken, dass von allen Vorrednern geäußert wurde, dass wir bei diesem Themenbereich im Prinzip ge meinsam unterwegs sind.

Aber, Herr Goll, der Hinweis sei mir schon gestattet: Wenn man das wirklich ernst meint, dann sollte man sich solche Be merkungen schenken, die neue Landesregierung habe da we nigstens nichts kaputt gemacht.

(Lachen bei der FDP/DVP)

Ich finde, man sollte dann schon redlich und ehrlich bleiben und solche Bemerkungen einfach sein lassen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Solche Sa chen muss man schon bemerken! – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Aber dann an der richtigen Stelle, Herr Kollege Bullinger.

Es ist so, wie Sie es geschildert haben und wie es insbeson dere der Kollege Epple sehr umfangreich aus unserer Stel lungnahme zu Ihrem Antrag vorgetragen hat. Nur haben Sie da wiederholt das Wort „CDU“ eingefügt. Das steht da aber gar nicht drin.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Er gänzen vielleicht! – Abg. Konrad Epple CDU: Nach tragen!)

Gleichwohl ist es ganz einfach so; es stimmt: Die Verantwor tungsträger, aber auch die Bürgerinnen und Bürger, um deren Sicherheit es bei diesem Thema letztendlich geht, können sich wirklich auf ein gut funktionierendes Notfallvorsorgesystem in Baden-Württemberg verlassen, nicht nur was die Ausstat tung mit Fahrzeugen und Geräten anlangt – da lohnt schon auch ein Blick über die Grenzen unseres Bundeslands hinaus und ein Vergleich mit anderen Bundesländern –, sondern ins besondere auch – das ist wesentlich wichtiger und die Grund lage dafür, dass Fahrzeuge und Geräte überhaupt in Einsatz kommen können – das hohe Engagement der Menschen in un serem Bundesland, die sich in diesen Systemen der Notfall rettung engagieren.

Herr Goll, da will ich einfach auch noch einmal ein paar Zah len in Erinnerung rufen, die Sie jetzt nicht genannt haben, die aber ebenfalls in der Stellungnahme stehen. Wir haben die In vestitionen nicht nur fortgeführt, sondern wir haben die Mit tel erhöht. Schauen Sie sich einfach einmal die Zahlen für den Katastrophenschutz zwischen 2012 und 2014 an. Wir haben über 8 Millionen € investiert in Mannschaftstransportwagen, in die bessere Ausstattung mit Gerätewagen Sanität sowie Ab rollbehälter Wasserförderung. Das führen wir im Haushalt 2015/2016 in ähnlicher Art und Weise fort. Da erfahren wir durchaus auch allesamt – denn der Landtag beschließt am En de des Tages die Ausgaben – Lob und Unterstützung.

Wie gesagt, die beeindruckenden Zahlen sind nicht die Milli onen. Das will ich ausdrücklich noch einmal sagen. Die sind wichtig, aber die beeindruckenden Zahlen – das haben Sie richtigerweise alle erkannt – sind beispielsweise die rund 110 000 ehrenamtlich Tätigen in den Feuerwehren, die rund 50 000 in den anderen Hilfsorganisationen, die rund 11 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer beim THW. Dort ist uns wirklich eine Trendumkehr gelungen, denn wir hatten schon andere Entwicklungen.

Ich will in Erinnerung rufen: Zwischen 2000 und 2006, 2007 hatten wir nämlich Jahr für Jahr rückläufige Zahlen. Das wur de stabilisiert. Ich will ausdrücklich sagen: Das hat nicht nur mit uns zu tun, sondern da haben sich alle Verantwortlichen bemüht, sodass wir heute auf einem Stand sind, den ich wirk lich als durchaus zufriedenstellend bezeichnen darf. Das heißt

aber nicht, dass wir uns darauf ausruhen dürfen. Denn Verän derungen in der Gesellschaft, demografischer Wandel – das wurde gesagt –, aber insgesamt auch andere Schwerpunktset zungen, insbesondere junger Menschen, veranlassen uns, da immer am Ball zu bleiben und nicht nachzulassen, wenn es darum geht, Begeisterung für diese Tätigkeit zu wecken.

Das machen wir in den unterschiedlichen Bereichen sehr in tensiv. Wenn ich „wir“ sage, meine ich ausdrücklich: jeder an seiner Stelle, jeder im Rahmen seiner Verantwortung, wir sei tens der Landesregierung, aber logischerweise auch die Ver bände selbst oder bei den Feuerwehren die Träger. Deshalb appelliere ich auch an dieser Stelle: Das Thema „Nachwuchs gewinnung, Stabilisierung des Personalkörpers“ ist nicht nur Aufgabe der einzelnen Organisationen, sondern jeweils auch derjenigen, die Träger dieser Einrichtungen sind. Bei dieser Aufgabe darf man die Verantwortungsträger in den Organisa tionen nicht alleinlassen.

Ich denke beispielsweise an die Einrichtung von Kinderfeu erwehren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja!)

Das ist keine klassische Aufgabe der Feuerwehr. In der Feu erwehr hat niemand gelernt – im klassischen Sinn jedenfalls nicht –, was das Thema „Umgang mit Kindern und Kinderbe treuung“ anlangt, altersgerechte Angebote zu machen. Da brauchen die Feuerwehren vor Ort einfach Unterstützung ih rer Träger.

Es gibt, wie gesagt, viele Gründe: Der Arbeitsmarkt ist härter geworden, auch die Anforderungen, die die Familie mit sich bringt, sind gestiegen; es geht um die eigene Freizeitgestal tung und die Flexibilität, die erforderlich ist. Deshalb müssen wir auch immer neue Ansatzpunkte finden, wie wir an junge Menschen herankommen, um sie für diesen Dienst zu begeis tern.

Das Thema – auch das haben wir ausgeführt – „Aussetzung der Wehrpflicht“ ist etwas, was uns durchaus zu schaffen macht. Wir konnten es bisher kompensieren. Aber wer jetzt schlicht und ergreifend tatsächlich fehlt, das sind die soge nannten Quereinsteiger und diejenigen, die über den Ersatz dienst Zugang zur Feuerwehr und zu anderen Hilfsorganisa tionen gefunden haben. Diese fehlen jetzt ganz einfach. Des halb ist eines der Betätigungsfelder, das wir im klassischen Sinn dringend beackern müssen, gerade an die Personen in der Altersgruppe von 17, 18, 20, 25 Jahren heranzukommen, die früher über den Ersatzdienst Gefallen an diesen Tätigkei ten gefunden haben. Das Schöne war dabei wirklich: Dieser Dienst war de facto verpflichtend, aber er war wohl so erfül lend und für die Menschen selbst bereichernd, dass sich über 90 % dann dafür entschieden haben, nach Erfüllung dieser Pflicht in diesen Organisationen zu bleiben. Solche Anreize müssen wir wieder schaffen, damit diese Altersgruppe wieder verstärkt Zugang zu diesen Einrichtungen, zu den Hilfsorga nisationen in unserem Land findet.

Meine Damen und Herren, ganz wichtig sind zwei Themen gruppen, die auch angesprochen wurden. Herr Epple, mit dem Frauenanteil können wir nicht zufrieden sein. Wir haben im Zehnjahreszeitraum, wenn man so will, den Anteil bei den Feuerwehren um 100 % erhöht, das heißt von 2 auf 4 %. Das

ist nach wie vor völlig inakzeptabel und nicht ausreichend. Da brauchen wir deutlich mehr. Beim Roten Kreuz, beim ASB, bei den Johannitern sind es nahezu 40 %. Auch beim THW sind es mehr. Bei der DLRG sind es ebenfalls deutlich mehr, insbesondere auch, was Nachwuchsgewinnung der Kleinen anlangt. Das wurde von einem der Vorredner gesagt. Manche waren, finde ich, schon richtig und gut unterwegs.

Gerade beispielsweise der DLRG ist es gelungen, mit dem Babyschwimmen schon die ganz Jungen an die DLRG zu bin den. Sie haben dann nicht nach dem Schwimmunterricht auf gehört, sondern durch nachfolgende Angebote – gerade bei den ganz Jungen, den Kindern und dann den Jugendlichen – Interesse an der Tätigkeit in der DLRG geweckt. Das ist – fin de ich jedenfalls – ein nachahmenswertes Beispiel auch für andere Organisationen. So können sie schauen: Wo können wir mit unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten schon die ganz Jungen abholen?

(Glocke der Präsidentin)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Abg. Dr. Bullinger?

Ja.

Herr Minister, Sie haben eine ganze Reihe von Beispielen genannt, was Nach wuchs und Bindung an solche Tätigkeiten anbelangt. Sind Sie der Auffassung, dass, was die Nachwuchsförderung angeht, vor allem auch das Elternhaus und die Lehrerschaft in den Schulen gefordert sind? Ich denke auch an die Ganztagsbe treuung. Beispielsweise der Schwäbische Turnerbund wirkt – auch dank der Unterstützung des Kultusministers – sehr wirk sam darauf hin, dass die Vereine die Verbindung zum Nach wuchs haben. Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage: Ich wohne an der Grenze zu Bayern. Mir fällt beispielsweise die Ehrenamtskarte im Landkreis Ansbach auf. Dieser Landkreis hat diese Ehrenamtskarte gemeinsam mit den Gemeinden als Dankeschön und als Zeichen der An erkennung eingeführt. Damit werden besondere Leistungen der Personen, die sich in diesem Bereich hervorragend enga gieren, beispielsweise mit einem freien Eintritt ins Hallenbad gewürdigt. Gibt es entsprechende Erfahrungen in Baden-Würt temberg? Würden Sie die Einführung einer solchen Ehren amtskarte unterstützen?

Herr Kollege Bullinger, Sie haben gefragt, wer dazu beitragen kann, dass sich die jungen Menschen für die Gesellschaft, für unsere Gemeinschaft und für die Sicherheit im Land engagieren. Ich kann nur unter streichen: Das kann jeder von uns selbst in seinem eigenen Familienumfeld tun. Das können Freunde und Bekannte sein; es können logischerweise auch Lehrerinnen und Lehrer, Päd agoginnen und Pädagogen sein. Ich will die Verantwortung aber eben nicht ausschließlich dort abladen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist völlig rich tig!)

wenn ich sehe, was heute an unseren Schulen geleistet wird – beispielsweise an präventiven Maßnahmen, an Verkehrserzie hung, durch Medienpakete im Zusammenhang mit extremis

tischen Entwicklungen, an Vermittlung von Medienkompe tenz. All dies geben wir den Schulen anheim.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das ist, finde ich, schon jede Menge. Aber die Schulen sind dabei wertvolle Partner. Das will ich ausdrücklich sagen. An rund 700 Schulen unseres Landes gibt es das System der Schulsanitäter, das auch durch qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer angeboten wird. Es gibt Fortbildungsangebote – ich glaube, 70, 80 pro Jahr; in dieser Größenordnung – für Leh rerinnen und Lehrer, die dann als Multiplikatoren an den Schulen wirken und junge Menschen begeistern. Das findet an 700 Schulen statt. Ich finde, das ist nicht schlecht, aber noch ausbaufähig. Das ist keine Frage.

Ich habe immer wieder feststellen dürfen – das ist meine ei gene Erfahrung –, dass die Brandschutzerziehung, die in ein zelnen Klassenstufen durchaus Bestandteil des Unterrichts ist – –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Immer noch!)

Ich weiß jetzt nicht mehr, in welchen Klassenstufen und mit welchen Inhalten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Achte Klasse!)

Jedenfalls ist dies Bestandteil in den Lehrplänen. Es wird von den Schulen auch entsprechend praktiziert. Ich kann nur da zu ermuntern, dies nicht irgendwie nur theoretisch zu behan deln. Das machen vielleicht manche. Andere gehen mit gu tem Beispiel voran und machen das auch praktisch anschau lich, indem sie Angehörige der Feuerwehren bitten, ein An gebot an der Schule zu machen, oder mit ihren Klassen zum Feuerwehrhaus gehen. Ich habe jährlich viele, viele Veranstal tungen – das ist zugegebenermaßen schon ein bisschen her – dazu gemacht. Ich habe da keinen Vorwurf zu machen. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist gut. Ich bin sehr froh darü ber, dass es da eine gemeinsame Verantwortung gibt.

Zum Thema Ehrenamtskarte: Kollege Sckerl hat auf das Stra tegiepapier des Landesfeuerwehrverbands hingewiesen, das nach vielen, vielen Diskussionen auf allen Ebenen entstanden ist. Es lohnt, sich dieses Papier genau anzuschauen. Es finden sich darin viele, viele Beispiele und Vorschläge. Manche da von sind aus heutiger Sicht zugegebenermaßen vielleicht ein bisschen utopisch oder auch visionär, aber das schadet ja nichts. Alles, was beispielsweise aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen heute nicht möglich ist, kann ja mög lich gemacht werden. Solche Beispiele sind dort beinhaltet.

Ich bitte aber darum, nicht nur zu schauen, wofür das Land Verantwortung trägt bzw. bei welcher Forderung das Land Ad ressat ist. Ein nicht geringer Anteil des Strategiepapiers be fasst sich ausschließlich mit der kommunalen Ebene als Ad ressat. Dort gibt es Beispiele – Sie haben gerade das Beispiel Ehrenamtskarte genannt –; mit denen werden wir uns inten siv beschäftigen. Wir werden mit den kommunalen Landes verbänden Diskussionen und Gespräche darüber führen. Die Anerkennungskultur kommt darin zum Ausdruck.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Das Land hat schon im Vorfeld der Vorstellung des Strategiepapiers reagiert. Damit meine ich ausdrücklich auch uns; denn es ist im Haushalt ver

anschlagt. Ich habe in Sachen Anerkennung beispielsweise die Anzahl der Freiplätze im Sozialwerk der Feuerwehren am Titisee, die das Land zur Verfügung stellt, um 400 Plätze er höht, damit Kameradinnen und Kameraden diese Plätze als Anerkennung wahrnehmen können, wenn sie beispielsweise nach belastenden Einsätzen oder aufgrund einer Erkrankung z. B. einmal eine Auszeit von fünf Tagen brauchen. Das ha ben wir gemacht. Es ist im Landeshaushalt abgebildet. Wir können übrigens auch alle draußen erzählen, dass dies etwas ist, was schon im Vorgriff zu diesem Strategiepapier von uns umgesetzt worden ist.

(Beifall des Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE)