Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die erfassen die Flüchtlinge gar nicht mehr in Italien!)

Ja, weil sie so viele Flüchtlinge haben.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Aber die Flüchtlingsproblematik ist natürlich nicht der einzi ge Grund, warum das Thema Griechenland gerade hochkocht. Da erringt eine linke Partei oder, besser gesagt, ein linkes Bündnis einen Überraschungssieg, und zwei Politiker werden

sozusagen über Nacht zu Popstars. Sie werden es deshalb, weil sie eben etwas wagen, was sich die Vorgängerregierung nicht getraut hat. Sie stellen sich nämlich gegen die Troika, die wirklich auf ganzer Linie versagt hat.

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Oh, jetzet! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Sieht das eigentlich Ihr Parteivorsitzender auch so? – Zurufe von der CDU, u. a.: So ein Blödsinn! – Kei ne Ahnung!)

Denn in allen diesen Krisenländern sind die Schulden wesent lich angewachsen und nicht zurückgegangen. Am Montag abend gab es dazu eine Fernsehsendung in der ARD.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Dort wurde gesagt, dass das die erste Schuldenrevolte gegen eine falsche Politik gewesen sei. Diesen Satz fand ich sehr be merkenswert.

(Zuruf: Das ist ja peinlich!)

Gleichzeitig hat aber eine wahnsinnige Medienkampagne ein gesetzt. „Griechenland am Abgrund“, so hieß gestern Abend eine Sendung. Die Frage ist: War Griechenland unter der al ten Regierung eigentlich nicht am Abgrund? Den Vogel schießt wie immer die „Bild“-Zeitung ab,

(Die Rednerin hält eine Ausgabe der „Bild“-Zeitung hoch.)

wenn sie solche Kampagnen macht wie „Bild-Leser sagen NEIN“ oder „Was die Griechen von den Deutschen alles ge schenkt bekommen“.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Gott sei Dank hat Gerhard Schröder diese Zeitung nie genutzt! – Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU: Die „Bild“-Zeitung bedankt sich für die Werbung! – Glocke der Präsi dentin)

Frau Abgeordnete, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Müller?

Am Schluss gern.

Ich muss mich wirklich fragen: Wie kommen sich eigentlich die Griechen vor, die bei uns hier leben? 400 000 Griechin nen und Griechen leben in Deutschland, ca. 80 000 Griechen hier in Baden-Württemberg. Ich frage mich: Müssen wir nicht auch etwas dafür tun, dass Menschen, die hier immer gut in tegriert waren, in diesem Land nicht zu Außenseitern werden?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist doch gar nicht wahr!)

Wir hatten vor einigen Jahren schon einmal eine ähnlich schwie rige Situation. Damals haben u. a. die kommunalen Landes verbände angefangen, Kontakte nach Griechenland aufzubau en. Sie haben viele Initiativen ergriffen, um gemeinsame Pro jekte mit griechischen Kommunen auf den Weg zu bringen. Ich finde, das ist der richtige Weg. Wir müssen alles tun, um in einer schwierigen Situation unsere griechischen Freunde, die hier leben, nicht zu isolieren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wer tut denn so et was? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Kein Mensch hat das gemacht!)

Wir müssen auch etwas tun, damit sich die Situation nicht mit jedem Satz wieder neu hochschaukelt und das Klima in unse rem Land vergiftet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die sollen uns will kommen heißen im Urlaub! Sonst bleiben wir weg!)

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Nachdem die Redezeit abgelaufen war, kann ich die Zwischenfrage nicht mehr zu lassen, Kollege Müller.

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Reith das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Frau Haller-Haid, ich hoffe, Sie mei nen es nicht im Ernst, dass wir von uns ausgehend die Grie chen in Deutschland isolieren. Ich glaube, die Schärfe, die jetzt hier hineingebracht wurde, ist eindeutig auf den Auftritt der griechischen Vertreter hier in Deutschland zurückzufüh ren. Das möchte ich schon einmal ganz klar sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Sie haben zu Recht gesagt: Es gibt viele Beispiele für gute Zu sammenarbeit zwischen Deutschland und Griechenland. Wir sind daran interessiert, dass dies auch weiterhin der Fall ist. Aber diese Polemik fand ich nicht angebracht, muss ich wirk lich sagen.

TTIP zieht sich verständlicherweise auch durch den Bericht zu europapolitischen Themen. Wir wissen: Der Ministerprä sident tut sich schwer mit dem Umgang mit der angeblichen Umgehung der nationalen Gerichtsbarkeit. Wenn internatio nale Investitionsabkommen zwischen zwei Staaten geschlos sen werden, ist es völkerrechtlich zwar möglich, dass ein Staat auf seine eigene Rechtsprechungsgewalt und somit einen Teil seiner Souveränität verzichtet und die Gerichtsbarkeit des Ver tragspartners anerkennt. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass das passiert. Wer Verträge mit ausländischen Vertrags partnern abschließt, kann froh sein, wenn es gelingt, einen Ge richtsstand in Deutschland zu vereinbaren. Aber ein deutsches Urteil ist nur dann nützlich, wenn es dort, wo der Gegner sei nen Sitz hat, auch vollstreckt werden kann.

Unabhängig davon, dass z. B. das US-Prozessrecht im Gegen satz zum deutschen Recht sehr weitreichende Pflichten zur Dokumentenvorlage vorsieht, die auch betriebsinterne Unter lagen umfassen können und damit eine Ausforschung von Un ternehmensgeheimnissen ermöglichen, und dass in den USA jede Partei unabhängig vom Verfahrensausgang ihre Anwalts kosten selbst tragen muss, sollte man nicht vergessen, dass recht zu haben und recht zu bekommen zweierlei Paar Schu he sind.

Schiedssprüche lassen sich weltweit wesentlich einfacher durchsetzen als staatliche Gerichtsurteile. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist bereits im Jahr 1958 im sogenannten New Yorker UN-Übereinkommen geregelt worden. Mittlerweile sind diesem Übereinkommen 145 Staaten beigetreten, darunter nicht nur die USA, sondern nahezu alle Staaten, die sich in nennenswertem Umfang am weltweiten Handel beteiligen. In der Praxis können ausländi sche Schiedssprüche daher sehr viel einfacher und schneller in den USA durchgesetzt werden als deutsche Gerichtsurtei le.

(Unruhe)

Also: Die Umgehung der nationalen Gerichtsbarkeit ist dem überwältigenden Anteil völkerrechtlicher Verträge immanent.

Was ich in diesem Zusammenhang auch kritisiere: Die Lan desregierung äußert sich zwar öffentlichkeitswirksam zu TTIP und CETA; wenn man dann aber ins Detail geht, stellt man fest, dass z. B. bei CETA angeblich keine eigene Beurteilung durch die Regierung möglich ist, weil der Vertragsentwurf bis her nur auf Englisch vorliegt. Stattdessen werden die Argu mente Dritter – die offensichtlich der englischen Sprache mächtig sind – wiedergegeben oder wird auf Bundesministe rien verwiesen. Das ist nicht seriös, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Zu kurz kommt in dem Bericht die Investitionsoffensive der EU, die gut und sinnvoll ist. Das zu investierende Kapital ist gut angelegt; Herr Kollege Reinhart ist schon darauf einge gangen. Die Investitionen im öffentlichen Sektor gehen seit Langem zurück, sodass eine erhebliche Investitionslücke zum Euro-Währungsgebiet entstanden ist. Was hat die EU Deutsch land u. a. empfohlen? Eine solide und wachstumsfreundliche Finanzpolitik, eine Senkung von Steuern und Sozialabgaben auf Arbeit, insbesondere für Geringverdiener, die Belebung des Wettbewerbs im Dienstleistungssektor auch im Hinblick auf bestimmte freiberufliche Dienstleistungen. Merken Sie et was? All das sind Punkte, die weder die Bundesregierung noch die Landesregierung derzeit verfolgen. Aus diesem Grund tut uns eine Investitionsoffensive bitter not. Die Landesregierung bekommt es nicht hin und braucht Unterstützung durch die EU.

(Lachen des Ministers Peter Friedrich)

Aber warum wird in Deutschland so wenig investiert? Im All tag ziehen Bundesregierung und Landesregierung die büro kratischen Fesseln bei Unternehmern und Gründern immer enger.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen leiden unter den bürokratischen Pflichten des Mindestlohns mit einem ge schätzten Aufwand von 10 Milliarden €. Die Investitionsbrem se in Deutschland hat Symptome: Mindestlohn und Arbeits stättenverordnung. Sie hat einen Namen: Andrea Nahles.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau!)

Die Bundesregierung muss ihren teuren Irrweg der pausenlo sen Staatsintervention endlich verlassen und der Marktwirt schaft wieder Vorrang einräumen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Mit dem Rentenpaket, dem Mindestlohn und der CSU-Maut steht der Bund klar für mehr Belastung für Bürger und Wirt schaft, für mehr Bürokratie und weniger Wettbewerbsfähig keit.

(Abg. Josef Frey GRÜNE: Thema!)

Es ist unverantwortlich, dass Deutschland in einer so ange spannten Lage in Europa seine Staatsausgaben hochschraubt, statt Investitionsanreize zu setzen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Und im Land? Gestern hat Kollege Glück Ihnen erläutert, wa rum das grün-rote Erneuerbare-Wärme-Gesetz zu Sanierungs stau führt; das geht auf Kosten von Bürgern und Klima. Noch ein Beispiel? Das Bildungszeitgesetz, das, wie die Arbeitge ber zu Recht kritisieren, letztlich jene Betriebe bestraft, die sich bereits bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter engagie ren.

(Beifall bei der FDP/DVP)