Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

(Beifall bei der FDP/DVP)

Auch die vom Finanzminister umzusetzende Mietpreisbrem se hilft nicht, die vorhandene Wohnungsnot in einigen Bal lungsräumen zu mildern. Stattdessen muss man Anreize für Investitionen in zusätzlichen Wohnraum schaffen.

Ich begrüße auch den vierteljährlichen Turnus des Berichts zu europapolitischen Themen. Darin gibt es aber immer wieder auch ein paar Schmankerl, so auch dieses Mal. Diesmal ist es das Inner-Circle-Sitzungsformat in den EU-Ministerräten. Dieses Schmankerl findet sich auf fast einer ganzen Seite – wer es nachlesen will: auf Seite 6 f. –, auf der wir über fol genden Sachverhalt informiert werden: Seit 2013 gibt es in den Ministerräten der EU nur noch einen Sitzplatz je Mit gliedsstaat in der ersten Reihe. Damit ist die Teilnahme des Bundesratsbeauftragten gefährdet. Einen zweiten Stuhl woll te man uns nicht hinstellen, und daher wird jetzt rotiert. Doch auch das ist noch nicht entschieden. Der entsprechende Brief wechsel steht noch aus. – Müssen wir das wirklich wissen?

(Zuruf: Ja!)

Ich finde, nein. Über die „Reise nach Jerusalem“ muss man den Landtag nicht unbedingt informieren.

(Abg. Winfried Mack CDU: Natürlich!)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Friedrich das Wort.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Er kommt ange wackelt! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt sagt er, er sei gut unterwegs! – Abg. Claus Paal CDU: Er soll einmal etwas zur Troika sagen!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die unterstüt zenden Worte

(Heiterkeit der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

bei vielen Themen, auch wenn sich das Lob, die Landesregie rung sei europapolitisch gut aufgestellt, wohl ausdrücklich auf politische Angelegenheiten bezieht und weniger auf meinen aktuellen einbeinigen Stand am Rednerpult.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte ein paar Punkte des Berichts aufgreifen, die auch in der Debatte ange sprochen wurden.

Zum letzten Punkt, Herr Abg. Reith – Thema „inner circle“, auch Thema EUZBLG –: Sie mögen das karikieren, aber die Frage, ob die Bundesländer im EU-Ministerrat bei den The men, bei denen die Bundesländer die ausschließliche Gesetz gebungskompetenz und -zuständigkeit haben, in der ersten Reihe sitzen, ist beileibe kein lächerliches Thema. Ich nenne Ihnen einmal ein konkretes Beispiel: Als es um die Mandatie rung für TTIP ging, waren die Bundesregierung und der da malige Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler der Mei nung, Kultur sei ein Markt und könnte deswegen komplett mit hineingenommen werden.

(Zuruf: Aha!)

Den Ländern, die im Bundesrat einstimmig gefordert hatten, dass der Kulturbereich, weil Verfassungsauftrag der Länder, ausgenommen wird, wurde jedoch kein Zugang zum „inner circle“ gewährt. Deswegen ist es angesichts unserer födera len Struktur in Europa bei der Wahrnehmung unseres verfas sungsmäßigen Auftrags schon von Bedeutung, ob man in der ersten oder in der zweiten Reihe sitzt. Die Bundesregierung – die jetzige, aber auch die frühere – ist dringend gefordert, dass die Länder dort, wo sie die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland sind, tatsächlich auch in der ersten Reihe Platz zu nehmen haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Zum Thema EUZBLG befinden wir uns in einer unangeneh men Situation. Herr Abg. Dr. Reinhart, ich würde Sie bitten, dazu vielleicht einmal mit Ihrem Parteifreund Wolfgang Schäuble ein paar ernste Worte zu reden, weil er hier den Län dern gegenüber, und zwar farbunabhängig, bisher nicht auf geschlossen ist, und ihm zu sagen, dass wir beim EUZBLG erwarten, dass die im Grundgesetz garantierten – –

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Unterschätzen Sie nicht die Kraft des Koalitionspartners, Herr Kol lege!)

Die unterschätze ich bei Weitem nicht. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir, die Kollegin Puttrich und ich,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Eine Nette, gell?)

saßen mit Vertretern aller Ministerien des Bundes zusammen und haben darüber verhandelt, dass die Länder tatsächlich die vollen Informations- und Teilnahmerechte haben. Es gab ein Ministerium, das sich dagegen gewehrt hat, dass in das neue

EUZBLG das hineinkommt, was im Grundgesetz drinsteht. Das war das Bundesfinanzministerium, das sagte, es wolle in Zukunft nicht mehr – im Zweifelsfall auch mündlich – darü ber Bericht erstatten, was sozusagen in europäischen Angele genheiten, in europäischen Vertragsschlüssen gemacht wur de. Das BMF stellt sich dort quer, sonst hätten wir schon ein neues EUZBLG. Deswegen meine herzliche Bitte an Sie zu rück. Wir versuchen es auf allen Wegen. Das Auswärtige Amt unterstützt uns. Selbst das Kanzleramt ist der Meinung der Länder, aber das BMF hat in der Ressortabstimmung bisher ein Veto eingelegt.

Ein Hinweis noch: Frau Abg. Haller-Haid hat die Änderung der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags angespro chen. Ich bin auch sehr dafür, dass wir immer schauen, was andere Länder Gutes machen. In diesem Fall glaube ich aller dings, die Bayern wären froh, sie hätten ein EULG, wie wir es hier im Land Baden-Württemberg haben. Sie hätten auch gern ein Gesetz über die Beteiligung des Landtags in Angele genheiten der Europäischen Union und nicht nur die Möglich keit eines Geschäftsordnungsantrags. Aber wir sollten uns im Europaausschuss anschauen, ob wir da noch dazulernen kön nen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe noch eini ge Anmerkungen zu Themen des Berichtszeitraums, die in dem Bericht angesprochen sind.

Das Thema Investitionen wurde angesprochen. Ich freue mich – wir hatten hier auch schon Diskussionen, in denen das ganz anders aussah –, dass inzwischen alle parteiübergreifend der Meinung sind, dass es sinnvoll ist, in Europa über Investitio nen in die Zukunft zu sprechen und nicht nur über Sparpro gramme. Ein guter Schluss daraus ist, dass die bisherige Me dizin gegen die Krise in vielen Bereichen eben noch nicht die Wirkung erzielt hat, die man sich erhofft hat.

Es geht um die Frage: Wie kurbeln wir Investitionen in Euro pa an? Deswegen wurde der Europäische Fonds für strategi sche Investitionen mit 21 Milliarden € aufgelegt. Hier wird „echtes Geld“ als Garantie, als Risikoabschirmung für Inves titionen bis 315 Milliarden € eingebracht. Das ist gut und rich tig. Wir beteiligen uns intensiv daran, dass der Europäische Fonds für strategische Investitionen auch ein Erfolg wird. Man muss aber ein paar Randbedingungen ansprechen, die momen tan erschweren, dass er ein Erfolg wird.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, Sie gestat ten eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Kern.

Vielen Dank, Herr Minis ter, dass Sie die Frage zulassen. – Ihre Parteifreundin und Kol legin Haller-Haid hat hier vor wenigen Augenblicken gesagt, die Troika habe in Griechenland auf ganzer Linie versagt. Mich würde interessieren: Was ist die Position der Landesre gierung zu dieser Aussage? Teilen Sie die Aussage, dass die Troika in Griechenland auf ganzer Linie versagt habe?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wer hat das gesagt?)

Herr Abg. Kern, ich teile die Aussage „auf ganzer Linie“ nicht, weil es durchaus einige Re

formprogramme in Griechenland gibt, die erfolgreich sind, die auch erfolgreich vorangegangen sind. Aber die Ziele, Grie chenland wieder auf Wachstumskurs zu bringen und die Schul dentragfähigkeit Griechenlands wieder zu erhöhen, sind bis her nicht erreicht. Wir stellen fest, dass Griechenland nach wie vor überschuldet ist.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Mehr Schulden als vor her!)

Es gibt nach wie vor keine Lösung für die griechische Über schuldung.

Der Kollege Frey hat gesagt, welche Beträge an Zinszahlun gen fällig geworden sind. Ich muss darauf hinweisen: Inzwi schen sind die Zinslasten für Griechenland extra budgetär ge stellt. Deswegen wird auch das Thema „Schuldenschnitt oder Schuldenerlass für Griechenland“ gar nicht die Lösung sein, sondern Griechenland braucht Wachstumsprogramme, die dort tatsächlich ankommen. Die hat die Troika in der Vergangen heit nicht gebracht.

Ich teile die Aussage „auf ganzer Linie versagt“ nicht. Es gibt gute Reformprogramme, aber eine ganze Reihe von Zielen wurden bisher nicht erreicht. Insbesondere wurde eines nicht erreicht – da teile ich die Kritik, die hier von verschiedenen Seiten geäußert wurde, ausdrücklich –: Es gibt bis heute kei ne Ertüchtigung des griechischen Steuerwesens. Weder bei der Steuerveranlagung noch beim Steuervollzug noch beim Eintreiben der Steuern ist es inzwischen gelungen, Griechen land auf den Weg zu bringen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das liegt doch an den Griechen!)

Nein, das liegt nicht nur an den Griechen. Denken Sie ein mal daran, was wir bei Lux-Leaks, bei HSBC und all den an deren Dingen gesehen haben. Es liegt auch daran, dass insge samt die Steuereinnahmen in Griechenland, also die Einnah meseite des Haushalts, in der Vergangenheit nicht ausreichend konsolidiert werden konnten. Insofern: Da wurde noch nicht alles erreicht. Kritik an den Maßnahmen und an der Politik gegenüber Griechenland ist durchaus angebracht, aber ich tei le nicht die Aussage, dass die Troika auf ganzer Linie versagt hätte.

Zurück zum EFSI, zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen, zu der Linie, die jetzt in Brüssel verabredet wur de. Herr Abg. Reith hat gemeint, unser Betrachtungszeitraum sei zu kurz. Ich möchte darauf hinweisen: Der Berichtszeit raum war das vierte Quartal des letzten Jahres, als es erste Überlegungen zu EFSI gab. Inzwischen sind wir deutlich wei ter. Wir haben das Thema auch bei der auswärtigen Kabinetts sitzung der Landesregierung in Brüssel breit bearbeitet.

Ich will nur auf Folgendes hinweisen: Die jetzige Konstruk tion sieht vor, dass es für Investitionen privater Investoren ei ne Risikoabschirmung durch europäisches Geld geben soll. Es ist kein – wie gemutmaßt wurde, insbesondere von der CDU-Fraktion – europäischer Zuschussfonds. Es ist kein eu ropäisches Investitionsprogramm, sondern es ist ein Anreiz programm für private Investoren. Deswegen muss für jede In vestitionsmaßnahme, die mit EFSI auf den Weg gebracht wer den soll, ein Geschäftsmodell gefunden werden, bei dem ein

Investor für seine Investitionen auch eine entsprechende Ren dite bekommt. Das ist keineswegs trivial. Insbesondere im Be reich der öffentlichen Infrastruktur haben wir in Deutschland bisher keine Geschäftsmodelle generieren können, die eine ausreichende Rendite für Investitionen in öffentliche Infra struktur bieten.

Deswegen war es völlig falsch und vermessen – ich bin froh, dass die Liste inzwischen zurückgezogen ist –, dass das Bun desfinanzministerium eine Liste nach Brüssel gemeldet hat, in der sämtliche Straßenbauprojekte standen, die man seit Jah ren in den Wunschkatalogen hatte.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, genau!)

Es wäre völlig falsch, wenn das Land jetzt auch noch einen Wunschkatalog nach Brüssel schicken würde.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, genau!)

Es geht darum, private Investitionen mit einem entsprechen den Geschäftsmodell anzureizen, bei dem es dann auch einen entsprechenden Rückfluss gibt. Dazu haben wir aber nicht die Möglichkeit und auch nicht den Wunsch, aus der Privatisie rung von Autobahnen, Brücken oder Ähnlichem solche Ge schäftsmodelle herauszuschlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ein weiterer Punkt, den wir ausdrücklich kritisieren, ist, dass für EFSI Gelder aus Horizon 2020 verwendet werden sollen. Wir meinen, es wäre besser gewesen, zusätzliche Mittel im europäischen Haushalt – jenseits von Horizon 2020 – zur Ver fügung zu stellen. Denn damit wird aus jenem Fonds Geld ent nommen, mit dem man in der Vergangenheit die besten Inno vations- und Wachstumswirkungen erzielt hat. Jetzt wird et was reduziert, was Wachstum gebracht hat, zugunsten eines Fonds, von dem wir noch nicht wissen, ob er tatsächlich die gleiche Wachstumswirkung haben wird.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das 15-Fache!)