Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das besonders Problematische daran ist: Sie haben es damals damit begründet, dass man Gorleben in dieser Form nur hät te im Prozess halten können, indem man Niedersachsen die se Zugeständnisse macht. Ich habe Ihnen damals schon ge sagt: Nach meiner und unserer Vorstellung ist es Ihre Aufga be, Herr Ministerpräsident, die baden-württembergischen In teressen mindestens so engagiert in diesem Zusammenhang einzubringen, wie es Ihr niedersächsischer Kollege Weil und der niedersächsische Kollege von Franz Untersteller, Herr Wenzel, jeweils für ihr Land tun.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Deswegen kann man nicht einerseits sagen, Niedersachsen ha be berechtigtes Vertrauen und berechtigte Erwartungen, und andererseits den Standortgemeinden bei uns, die ein genauso berechtigtes Vertrauen darauf haben, dass ihre Zwischenlager

nicht über das ursprünglich geplante Maß hinaus in Anspruch genommen werden, sagen: „Das ist jetzt halt so“ – einmal ab gesehen davon, dass Sie es gar nicht selbst in der Hand haben, sondern es von der EnBW beantragt werden müsste. Also: In sofern kann ich bis zum heutigen Tag keine revolutionäre neue Politik der Landesregierung erkennen.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU – Zu ruf von den Grünen: Vereinzelter Beifall!)

Darüber hinaus haben wir eine Vielzahl von Fragestellungen, die zu lösen sind. Ich bin gespannt, wie sich das mit dem End lagersuchgesetz entwickelt. Wir haben damals schon bean standet, dass wir, der Landtag, nur sehr rudimentär beteiligt sind. Sie sitzen da in der Kommission, irgendwie geartete Be richte sind mir bis heute eher weniger bekannt.

Wie jetzt in der Zeitung zu lesen ist, gibt es weitere Themen: Die EnBW hat das Land verklagt. In der Presse hat man sich überrascht darüber gezeigt. Ich bin gespannt, wie Sie auf die se Konstellation reagieren werden.

Ein weiteres Thema, das uns auch aufgrund der Grenznähe zur Schweiz betrifft, ist die dortige Suche nach einem Endla gerstandort. Hierfür kommen nur noch zwei Standorte infra ge. Da wäre z. B. durch die Atompolitik des Landes BadenWürttemberg die Frage zu beantworten: Wie stehen wir zur Umweltverträglichkeitsprüfung, zur Einbeziehung der deut schen Gemeinden?

Es gibt – da kann ich durchaus ein Lob in Richtung des In nenministers aussprechen – Empfehlungen der Reaktorsicher heitskommission, was die Bereiche um die Kraftwerke anbe langt, bei denen es Veränderungen geben wird.

Ich kann Ihnen, Herr Kollege Raufelder, zusichern: Wir ha ben kein Interesse, hier einen parteipolitischen Streit zu ent fachen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Aber wir werden auch zukünftig sehr genau darauf achten – da wir hier keinen Dissens mehr haben, sondern einen Kon sens –, wie Sie mit diesen Fragestellungen umgehen und ob die baden-württembergischen Interessen engagiert und aktiv von unserer Landesregierung in diesen Prozess eingebracht werden.

Dies für die erste Runde.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Stober das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der – ich nenne es so – zwei te Atomausstiegsbeschluss, der im Jahr 2011 getroffen wur de, war sicherlich eine historische Wendemarke in der Ener giepolitik der Bundesrepublik. Jetzt kann man über vieles dis kutieren, was vorher war, darüber, dass man sich manche Kla gen hätte ersparen können, wenn es bei dem ersten Atomaus stiegsbeschluss geblieben wäre.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Aber das möchte ich jetzt zur Seite schieben.

Ich glaube, gut war – da möchte ich unseren gesamten Aus schuss loben – die Art und Weise, wie wir bei unserem Be such in Fessenheim aufgetreten sind, bei dem mit allen hohen diplomatischen Künsten, die da erforderlich waren, deutlich gemacht wurde, dass es hier einen Zusammenhalt gibt, dass wir aus dieser Risikotechnologie aussteigen wollen. Dies gilt gerade mit Blick auf das Kernkraftwerk Fessenheim. Wir ha ben zwar in Deutschland oder in Baden-Württemberg nicht die Gefahr eines Tsunamis, aber man muss wissen, dass Fes senheim ein Erdbebengebiet ist, das direkt am Rhein liegt. Man muss sich fragen: Was passiert bei einem Erdbeben, wenn der Damm des Rheinseitenkanals bricht und dann mög licherweise Wasser eintritt?

Deswegen noch einmal Dank an alle hier für diese sehr soli darische, sehr klare und auch gemeinsame Haltung.

Ich bin sehr froh, dass wir hier nach vorn gewandt diskutie ren und heute – im Unterschied zu einer anderen Diskussion, die wir hier in letzter Zeit geführt hatten – eine sehr sachliche und an dem Ziel orientierte Diskussion führen, wenn es dar um geht, den Atomausstiegsbeschluss letzten Endes zu gestal ten und auch in der Realität umzusetzen.

Die Landesregierung hat in den letzten vier Jahren in dem an gesprochenen Bereich – ob es revolutionär war oder nicht, da rüber kann man sich sicherlich streiten, Herr Kollege Lusche – vieles richtig gemacht. Es gab ja gar keinen sachbezogenen Beschluss, sondern einen politischen Beschluss zum Endla ger Gorleben. Dieser war letztlich deshalb zustande gekom men, weil der Standort an der Grenze zur DDR lag und man glaubte, es wäre politisch opportun und geschickt, den Atom müll dorthin zu tun; aber es gab keine sachlichen Kriterien da für.

Deswegen ist es gut und richtig gewesen, dass der Minister präsident gesagt hat, wir müssten auf einer weißen Landkar te suchen, und damit Baden-Württemberg – auch Bayern und andere Bundesländer – einbezogen hat und auch klargemacht hat: Gorleben spielt weiter auf dieser weißen Landkarte eine Rolle. Dass es dadurch letzten Endes gelungen ist, diese Kon fliktlage im Bund aufzubrechen, das war, glaube ich, schon ein sehr bedeutender Erfolg, der insbesondere von dieser Lan desregierung ausging.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Gefunden ist damit natürlich noch kein Endlager.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: So ist es!)

Da gibt es schwierige Fragen. Es ist auch erforderlich, dass es irgendwann einen Beschluss geben muss.

Es wird einen Standort geben. Der kann da sein, der kann dort sein, er kann auch bei uns sein, er kann auch woanders sein. Das ist natürlich eine ganz, ganz schwierige Debatte, die wir nur dann erfolgreich bestehen werden, wenn wir uns gemein sam bewusst sind, dass wir ebendieses Endlager brauchen. Für schwach und mittel radioaktive Abfälle haben wir dies mit dem Schacht Konrad. Dieser ist leider wohl zu klein, um al les einzulagern. Zum anderen Bereich ist die Diskussion jetzt angelaufen; ich hoffe, sie kommt zu einem erfolgreichen Ab schluss.

Ich bin auch sehr froh über die Informationskommissionen, die der Umweltminister eingerichtet hat. Ich bin in der Infor mationskommission Philippsburg Mitglied. Für mich war selbstverständlich, dass wir in dieser Situation gesagt haben: Wir müssen den Müll aus La Hague und aus Sellafield zurück nehmen. Es gibt auch die Vereinbarung mit der CDU – zumin dest mit der CDU im Bund –: Wir bringen den Müll nicht nach Gorleben, sondern müssen herausfinden, wohin man ihn brin gen kann.

Es ist selbstverständlich, dass dann auch das eigene Bundes land infrage kommen kann. Da gibt es gar keine andere Dis kussion. Es gibt gar keine andere Möglichkeit, als zu schau en, wo es am geschicktesten ist. Daher ist es folgerichtig, dass wir gesagt haben: Es ist auch bei uns möglich. Ich hätte auch von anderen Bundesländern – egal, wie regiert – erwartet, dass es diese Haltung gäbe. Es gibt aber trotzdem Fragen zu die sem Thema. Wir haben es gerade bei der letzten Veranstaltung der Informationskommission zu Philippsburg gemerkt. Da gibt es viele Fragen, die Primärdeckel, Sekundärdeckel, notwen dige Reparaturen, Stoßdämpfer und vieles mehr betreffen. Es ist kompliziert, dies im Detail zu verstehen. Aber es gibt noch zu klärende Fragen; das ist auch klar.

(Zuruf des Abg. Ulrich Lusche CDU)

Die Radioaktivität von dem, was aus La Hague kommen wür de, ist relativ gering. Aber da gibt es noch offene Fragen. Des wegen ist es auch gut, dass wir durch die beiden Informati onskommissionen Transparenz schaffen, um die Entscheidun gen zu treffen, die letztlich notwendig sind, und den Bürge rinnen und Bürgern dies zu erklären und sie auf dem Weg mit zunehmen.

Deshalb bin ich grundsätzlich sehr froh, wie diese Diskussi on bisher verläuft. Wir haben viele Themen in diesem Zusam menhang. Ich möchte nur noch auf eines kurz eingehen – wir haben nachher noch eine zweite Runde; da kann man auch noch einiges ansprechen –: Klar ist, dass wir, wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, die Energiewende gestalten müs sen.

Wir haben jetzt die Situation: Neun Kernkraftwerke sind vom Netz gegangen; das hat man auffangen können. Aber es ist auch klar, dass wir, wenn z. B. Philippsburg 2 und Neckar westheim II vom Netz gehen, den Stromnetzausbau brauchen. Wir brauchen Ultranet, wir brauchen SuedLink; es kann nicht sein, dass hier ein Bundesland querschießt.

Wir haben viele Diskussionen geführt, bei denen wir hier so zusagen in einer Linie standen. Ich habe nicht verstanden, wa rum die CDU den Beschlussteil des betreffenden Antrags nicht mitgetragen hat. Mir ist es wichtig, dass wir bei diesem The ma zusammenstehen. Man kann sich darüber streiten, ob noch weitere Leitungen sein müssen. Weshalb TransnetBW eine dritte Leitung möchte, verstehe ich auch nicht. Aber das, was an Strom aus Kernkraft wegfällt, muss an Strom nach BadenWürttemberg kommen, damit hier Versorgungssicherheit ge währleistet ist.

Eines muss uns allen klar sein: Wenn das Licht ausgeht und wir hier einen Blackout oder Brownout haben, dann ist die Energiewende zu Ende. Dann haben wir dafür keine Akzep tanz mehr. Deshalb ist das Thema Versorgungssicherheit für uns beim Gestalten der Energiewende das A und O.

In diesem Sinn hoffe ich auf eine gemeinsame, konstruktive Diskussion, strittig vielleicht an dem einen oder anderen Punkt, aber eigentlich nicht in der Zielsetzung.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Kollegen Glück.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte es eigentlich gut ge funden, wenn wir heute der Opfer von Fukushima gedacht hätten. Das möchte ich hiermit tun. Das hat keiner meiner Vor redner gesagt.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Das stimmt nicht! Sie ha ben mir nicht zugehört, Herr Kollege!)

Ich muss offen sagen, darüber bin ich enttäuscht. Ich finde es auch angebracht, zu überlegen, was die Konsequenzen aus Fu kushima für uns waren und für uns noch sein müssen.

Die Verknüpfung dieser beiden Themen – die Naturkatastro phe von Fukushima mit allem, was danach gefolgt ist, und der Sprung zur verantwortlichen Atompolitik der grün-roten Lan desregierung in Baden-Württemberg – ist jedoch ein Ablen kungsmanöver. Denn erstens instrumentalisieren Sie damit die Opfer dieser Naturkatastrophe –

(Zuruf: Ach, Quatsch!)

es waren immerhin 18 573 Opfer –, um vom eigenen Unver mögen abzulenken. Zweitens trauen Sie sich nicht an das ei gentliche Thema heran, das da lauten muss: Wie bringen wir die Energiewende in Baden-Württemberg richtig voran?

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der beschleunigte Atomausstieg ist eine beschlossene Sache. Daran möchte auch wirklich niemand rütteln. Herr Untersteller – –

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Da habe ich von Ihnen aber schon anderes gehört!)

Herr Lede Abal, bei Ihnen kann man sagen, was man will. Sie sagen immer, Sie hätten einen anderen Eindruck. Hören Sie doch einfach einmal zu.