Protokoll der Sitzung vom 25.03.2015

Auch hier im Land haben wir einiges getan, um den Frauen die Rückkehr in den Beruf zu erleichtern. Wir haben den Aus bau der Kita-Plätze, das Recht auf einen Kita-Platz vorange trieben. Das wird sich vielleicht irgendwann in diesen 27 % bemerkbar machen, weil sich da jetzt doch mehr Frauen auf den Weg machen. Wir bauen vor allem die Ganztagsplätze an den Schulen aus. Auch das wird dazu führen, dass Frauen ver mehrt wieder in den Beruf einsteigen können.

Abschließend möchte ich sagen: Geschlechtergerechtigkeit ist Lohngerechtigkeit. Wir alle sollten hoffen, dass wir diesen Equal Pay Day in Deutschland irgendwann nicht mehr brau chen und diese Transparente mit dieser beschämenden Zahl nicht mehr hochhalten müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Kollegin Gurr-Hirsch das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ungleiche Bezah lung von Frauen“ ist wahrlich kein Randgruppenthema. Das Statistische Bundesamt weiß, dass über 18 Millionen Frauen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sind. Das Thema „Ungleiche Bezahlung“ ist auch keine eindimensio nale Sache. Denn am Ende geht es darum, was die Arbeitneh mer und Arbeitnehmerinnen tatsächlich im Geldbeutel haben. Das ist eine der wichtigsten Fragen der Arbeitnehmerschaft.

Es gibt aber eine Reihe von Dingen, die das Entgelt beglei ten. Da geht es zunächst einmal um die Wertschätzung, die sich auch im Gehalt widerspiegelt. Es geht auch darum, Er werbstätigkeit in unterschiedlichen Lebenslagen zu ermögli chen, sprich sich für Teilzeit oder Vollzeit entscheiden zu kön nen. In neuerer Zeit haben wir auch das Thema, dass auf un terschiedlichste Art und Weise gearbeitet wird. Da ist in Zu kunft noch mehr Kreativität gefragt.

Die Kollegin hat es angesprochen: Auch die Besteuerung des Bruttogehalts ist eine wichtige flankierende Größe beim Ge halt. Es geht letztlich darum, dass die Gerechtigkeit, aber auch das Staatsziel verwirklicht werden.

Die allerwichtigste Frage hinsichtlich des eigentlichen Grund gehalts ist die nach den tatsächlichen Unterschieden bei der Bezahlung oder der fehlenden Lohngleichheit zwischen Frau en und Männern. Das ist eine so bedeutende Frage, dass es geboten ist, sich sachlich mit den richtigen Zahlen auseinan derzusetzen. Deswegen möchte ich nicht die übertriebenen unbereinigten Zahlen nehmen; sie sind eher Kampfzahlen. Ich denke, wir sollten hier miteinander wenig Hysterie verbrei ten.

Im Einsatz für eine Lohngleichbehandlung von Männern und Frauen verwende ich also den bereinigten Lohnungleichheits satz, den sogenannten bereinigten Lohn-Gap. Die bereinigte Lohnungleichheit besteht dort, wo vollzeitbeschäftigte Frau en im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Männern bei ver gleichbaren Eigenschaften als Arbeitnehmer weniger verdie nen. Ich denke, wenn man den Bruttoverdienst fair vergleicht, ist das die methodisch angezeigte Zahl, und die ist immer noch schlimm genug, denn die bereinigte Lohnungleichheit liegt

bei 8 %, und 8 % Differenz für gleiche Arbeit, für gleiche Qualifikation, für gleiche Verantwortung ist nicht zu rechtfer tigen. Das muss weg.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Unser Grundgesetz gibt uns auch hier den Auftrag.

Die Abhilfe, die Beseitigung dieser Ungleichheit, sollte aller dings auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft vollzogen werden. Das war und ist für uns der richtige Weg in unserem Staat. Deswegen muss sich die Rolle der Politik auf Ord nungspolitik gründen. Es ist über eine lange Zeit hinweg – das muss man wirklich mit großer Verärgerung feststellen – we nig passiert. Die Politik tut also gut daran, sich gestalterisch einzuschalten, allerdings weiterhin in der Partnerschaft mit al len Beteiligten des Tarifpartnersystems. Es muss also drin gend nachgebessert werden, und strukturelle Ungleichheiten in den Tarifverträgen müssen aufgearbeitet werden. Hier ist auch die Bundesarbeitsministerin gefordert. Es geht um 60 000 Tarifverträge, die im Hinblick auf Lohndiskriminie rung diesbezüglich auf den Prüfstand müssen.

Es muss absolute Transparenz hergestellt werden. Wie kann eine Arbeitnehmerin mündig und selbstbewusst verhandeln, wenn sie die Gehaltsstrukturen in ihrem Unternehmen nicht kennt, wenn sie also nicht weiß, was jemand in einer ver gleichbaren Position verdient? Kein Arbeitnehmer – das möchte ich an dieser Stelle sagen – muss befürchten, dass Ge hälter einzelner Kollegen namentlich offengelegt werden. Es geht vielmehr darum, eine Bandbreite vergleichbarer Tätig keiten aufzulisten. Da sehe ich vor allem die tarifungebunde nen Unternehmen in der Pflicht. Es geht um Maß und Mitte; denn gerade bei kleineren Unternehmen ist hier sehr schnell der soziale Frieden in Gefahr. Dass laut den Eckpunkten, die man bis jetzt aus der Presse kennt, bei dem zukünftigen Ent geltgleichheitsgesetz eine Grenze von 500 Mitarbeitern vor gesehen ist, begrüßen wir ausdrücklich. Das ist die richtige Größe.

Ich verstehe die aus Wirtschaftskreisen geäußerten Bedenken, weil es letztlich auch darum geht, achtzuhaben, dass nicht zu sätzlicher bürokratischer Aufwand entsteht. Es gibt da ein schlechtes Beispiel. Denken Sie an die Erfahrungen, die jeder von uns in den letzten Wochen im Hinblick auf die Dokumen tationspflicht für geringfügig Beschäftigte gemacht hat. Da müssen wir sehr sensibel sein. Sonst geht der Schuss nach hin ten los.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich die Grünen anschaue, weiß ich, dass sie eine For derung haben, nämlich das sogenannte Verbandsklagerecht. Das kommt aus Ihrem politischen Lager. Wir lehnen es nach wie vor ab.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Lehnen Sie das grundsätzlich ab?)

Für den Fall, dass Frauen und Männer diskriminiert werden, gibt es die sogenannte Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Diese Antidiskriminierungsstelle kann angerufen werden. Dis kriminierung ist immer ein zutiefst individueller Fall.

Auch zur mangelnden Wertschätzung der sozialen Berufe und zur Ermöglichung von Teilzeit für beide Geschlechter möch te ich noch einige Anmerkungen machen.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Schließlich sind auch dies Faktoren, die den unbereinigten Lohn-Gap begründen. Es geht also nicht darum, Arbeitgeber zu gängeln oder Entscheidungen in den Familien staatlicher seits zu lancieren. Typische Frauentätigkeiten, die von uns, von Frauen, auch sehr gern freiwillig gewählt werden, wer den meist schlechter entlohnt. Oder bildlich gesprochen: Wenn ein Sack Zement von einem Mann gehoben wird, wird das besser bezahlt, als wenn ein gleich schwerer Mensch gebettet und gebadet werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Das ist weder gerecht noch klug. Denn wir brauchen in Zu kunft – das wissen gerade die Sozialpolitiker – unglaublich viele Pflegekräfte.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Da muss es mehr Attraktivität geben. Es muss in der Gesell schaft ein neuer Lohn für diese Art von Arbeit gefunden wer den.

Sie haben vorhin gesagt, die unbereinigte Lohnungleichheit liege in Baden-Württemberg bei 27 %. Ein Grund dafür be steht natürlich darin, dass in Baden-Württemberg tatsächlich 79 % der Frauen eine Erwerbstätigkeit ausüben, aber die meis ten teilzeitbeschäftigt sind.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Wir, der Staat, haben nicht das Recht, in diese Entscheidun gen einzugreifen. Unsere Aufgabe ist es – das hat Frau Wölf le auch ausgeführt –, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Berufstätigkeit und Familie miteinander einhergehen und nach einer Phase der Vollzeitfamilienzeit auch wieder An schluss gegeben ist, beruflich einzusteigen. Familienleistun gen müssen anerkannt werden. Das ist CDU-Position. Ich bin glücklich, dass es gelungen ist, die Mütterrente zu implemen tieren, die hier ein Stück weit Ausgleich schafft.

(Beifall bei der CDU)

Nun noch ein Wort zur Wirtschaft. Auch die Wirtschaft muss sich bewegen – um ihrer selbst willen. Es wird notwendig sein, Frauen, die in der Familienphase sind, von der Wirtschaft durch Fortbildungen, durch Veranstaltungen an das Unterneh men zu binden, und über Homeoffice oder Telearbeit hat man noch viel zu wenig nachgedacht.

Es ist offensichtlich, dass das Steuersystem auch viele davon abhält, voll berufstätig zu sein. Das erfahren wir durch Um fragen immer wieder. Die Kombination der Steuerklasse III mit der Steuerklasse V wirkt plakativ abschreckend. Deswe gen begrüße ich eine Diskussion über die Weiterentwicklung bei der Steuerklassifizierung.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir können darüber streiten, welche Zahlen den exakten Lohnunterschied aufzeigen, wel che Faktoren mit einberechnet werden sollen. Wir können auch Klage führen, die Frauen seien selbst schuld, weil sie lie ber soziale Berufe ausüben und über ihr Gehalt nicht richtig verhandeln können oder sich lieber der Familie zuwenden. Wir können die Ungleichheit auf die Unternehmen, auf die Familien- und die Steuerpolitik zurückführen. Fakt ist: Es ist traurig, dass im Jahr 2015 immer noch solche Debatten ge führt werden müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Kollegin Mielich das Wort.

Verehrter Herr Präsident, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Pflegefachkraft mit mittlerer Reife und dreijähriger Ausbildung verdient 37 748 € pro Jahr. Ein Facharbeiter, ein Maschinenschlosser mit mitt lerer Reife und dreijähriger Fachausbildung, verdient 44 158 €, ein Feinblechner 42 793 €. Das sind konkrete Bei spiele, die deutlich machen, wie die Lohnunterschiede ausse hen und wie ungerecht es ist, dass Männer in ihren Berufen mehr verdienen als Frauen.

Wir fordern nach wie vor: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU)

Das ist die bereinigte Lohnlücke in Höhe von 7 %, von der meine beiden Vorrednerinnen eben auch gesprochen haben. Da ist es in der Tat wichtig, dass die Politik interveniert, dass die Politik eingreift. Da greift auch das Entgeltgleichheitsge setz von Frau Schwesig.

Frau Kollegin Gurr-Hirsch, Sie finden es völlig in Ordnung, dass das Gesetz nur für Betriebe mit mindestens 500 Beschäf tigten gilt. Diese Aussage finde ich eigenartig; das muss ich schon sagen. Denn das bedeutet ganz konkret für Baden-Würt temberg, dass das Gesetz eigentlich fast nirgendwo greift.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie kennen die Struktur der Betriebe in unserem Land nicht!)

Ich würde einmal sagen: Die Mehrheit der Betriebe in Ba den-Württemberg hat deutlich weniger als 500 Beschäftigte. Das heißt, für all diese Betriebe greift dieses Gesetz nicht. Das ist, finde ich, ein Problem. Das ist auch eine Schwachstelle dieses Gesetzes.

Dennoch finden wir, dass es ein guter Ansatz ist, für Transpa renz bei Personalentscheidungen, aber z. B. auch bei den Kri terien zu sorgen und zu fragen: Was führt denn letztlich dazu, dass Frauen und Männer in den entsprechenden Betrieben un terschiedlich bezahlt werden? Wir hoffen, dass die Konse quenz ist, dass Lohnmess- und Arbeitsbewertungsverfahren eingeführt werden, um diese Transparenz auch nach außen deutlich zu machen.

Deswegen: Unter dem Strich ist das Entgeltgleichheitsgesetz ein guter Ansatz, aber er greift deutlich zu kurz.

In der Tat ist es so, wie Sie, Frau Gurr-Hirsch, es eben schon angesprochen haben: Die Grünen fordern, das Entgeltgleich heitsgesetz mit einem Verbandsklagerecht zu verknüpfen. Was heißt das denn? Wenn eine Einzelperson das Gefühl hat, dass sie ungleich, schlechter bezahlt wird als z. B. ein männlicher Kollege, traut sie sich dann, individuell zu klagen? Und wann macht sie das? Macht sie das, während sie den betreffenden Job noch ausübt, oder macht sie das erst, wenn sie diesen Be trieb längst wieder verlassen hat?

Ich finde es höchst problematisch, sozusagen diesen Rahmen zu schaffen, dann aber nicht zu schauen, wie man ihn tatsäch lich umsetzen und durchsetzen kann. Deswegen wird das Ent geltgleichheitsgesetz erst dann seinen wirklichen Charme und seine Wirkung entfalten, wenn es mit einem Verbandsklage recht verbunden wird.

(Beifall bei den Grünen)