Protokoll der Sitzung vom 25.03.2015

(Beifall bei den Grünen)

Sie haben eben deutlich davon gesprochen, dass es zwei Lohn lücken gibt. Es gibt zum einen die bereinigte Lohnlücke. Es gibt zum anderen aber auch die unbereinigte Lohnlücke, und das ist die eigentlich spannende. Sie anzugehen ist für die Po litik – auch für die Landespolitik – sehr wichtig. Das ist die Gesamtentgeltlücke von 22 %, die strukturelle Hintergründe hat. Frau Wölfle und Frau Gurr-Hirsch haben schon deutlich angesprochen, was die Hintergründe dafür sind. Aber diese müssen wir noch einmal deutlich beleuchten und dann schau en: Was können auch wir, das Land, tun, und was haben wir bereits getan?

Frauen arbeiten in der Tat am häufigsten in den Branchen, in denen Sorgearbeit, Care-Arbeit, geleistet wird. Wir haben ei ne Pflegeenquetekommission eingesetzt, die noch einmal sehr deutlich macht – das war auch in der Anhörung der Fall, die wir am letzten Freitag, am Equal Pay Day, durchgeführt ha ben –, wo wir uns um die häusliche Krankenpflege geküm mert haben. Dabei ist sehr deutlich geworden, dass dort z. B. die tariflichen Bezahlungen überhaupt nicht funktionieren. Ta rifsteigerungen werden in den Gehältern also überhaupt nicht abgebildet.

Da hat sich mittlerweile eine Diskrepanz von 20 % aufgetan. Die Sozialstationen sind unterfinanziert, weil die Krankenkas sen nicht bereit sind, die Tarifkostensteigerung zu überneh men. Das ist ein Skandal. Da muss dringend nachgebessert werden. Da ist die Politik gefragt, und da können wir auch et was tun.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU)

Insgesamt muss unser Anliegen sein, dass die Branchen, in denen Frauen hauptsächlich arbeiten, in denen Care-Arbeit geleistet wird, aufgewertet werden. Dies darf aber nicht nur dadurch geschehen, dass sie eine höhere Wertschätzung er fahren. Eine höhere Wertschätzung ist immer das Erste, was uns einfällt, denn sie kostet ja nichts. Vielmehr darf es dabei nicht aufhören. Es muss weitergehen. Wir müssen den Rah men für die Arbeitsbedingungen verändern. Wir müssen auch in diesen Branchen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessern.

Das Thema ist längst nicht mehr „Kindererziehung und Be ruf“. Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet zuneh

mend auch Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Es ist eine große Herausforderung, die sich auch an die Arbeitgeber rich tet, für Arbeitsbedingungen zu sorgen, die es Frauen und Män nern ermöglichen und sie auch dabei unterstützen, diesen un terschiedlichen Anforderungen tatsächlich gerecht zu werden.

Frauen arbeiten nach wie vor – das ist eben so; gerade wur den auch schon die steuerlichen Hintergründe angesprochen – schwerpunktmäßig in Teilzeitjobs, wenn sie Familie haben, oder sogar in Minijobs. Das hat natürlich auch steuerliche Hintergründe.

Es geht um die Steuerklasse V, aber es geht auch darum, dass das Steuerrecht einen Teil der Verdiener nach wie vor eher be günstigt. Es gibt nach wie vor ein Ehegattensplitting, bei dem es z. B. für Frauen, die deutlich mehr verdienen, überhaupt nicht mehr attraktiv ist, Mehrarbeit zu leisten, weil sich dies im Geldbeutel letztlich überhaupt nicht mehr niederschlägt.

Das heißt, auch wir fordern ganz klar ein individuelles Steu errecht und ein Abschmelzen des Ehegattensplittings. Das ist auch mir ein ganz besonderes Anliegen. Denn in anderen Rechtsbereichen und in anderen Gesetzen bildet sich längst eine andere gesellschaftliche Wirklichkeit ab. Das Familien recht hat sich so verändert, dass Frauen im Scheidungsfall auf jeden Fall keinen Unterhalt mehr bekommen, wenn ihre Kin der drei Jahre alt sind; von ihnen wird vielmehr erwartet, dass sie dann dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stehen.

Das heißt, die gesellschaftliche Wirklichkeit, die sich im Fa milienrecht zunehmend abbildet, muss sich auch in der Steu ergesetzgebung deutlich abbilden, und dafür kämpfen wir.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Fazit: Wir können sagen, dass es Lohndiskriminierung gibt. Diese müssen wir abschaffen. Das können wir mit dem Ent geltgleichheitsgesetz tun. Aber es gibt auch eine strukturelle Diskriminierung. Diese wiederum können wir nur abschaffen, indem wir auch politisch hier im Land für eine bessere Ver einbarkeit von Familie und Beruf, von Pflege und Beruf sor gen. Dafür haben wir in den letzten Jahren einiges getan, in dem wir z. B. nicht nur bessere Infrastrukturmaßnahmen ge schaffen, sondern auch den Pakt mit den Kommunen geschlos sen haben. Mit ihm haben wir dafür gesorgt, dass Einrichtun gen für die Kleinkindbetreuung deutlich leichter geschaffen und besser finanziert werden können.

Wir haben da noch eine Menge zu tun. Ich finde, wir sind in diesem Bereich in den letzten vier Jahren in Baden-Württem berg einen deutlichen Schritt nach vorn gegangen. Es bleibt trotzdem noch einiges zu tun. Das müssen wir auf den Weg bringen. Dafür braucht es eine Fortsetzung der Arbeit der grün-roten Landesregierung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Super! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sehr gut!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Kollegen Haußmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Entgeltgleichheitsgesetz ist wieder ein Beispiel aus dem Gruselkabinett des Bürokratieaufbaus und der Gängelung der Wirtschaft.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Karl Traub und Jutta Schiller CDU – Zuruf des Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE)

Das, Herr Lede Abal, was meine Vorrednerinnen als Argu mente genannt haben, werden Sie mit dem Entgeltgleichheits gesetz nicht abschaffen. Vielmehr bauen Sie Bürokratie auf und hindern die Wirtschaft daran, ihre Aufgabe zu übernehmen und für die Frauen in Baden-Württemberg und in Deutschland erfolgreich zu arbeiten.

Ich bin schon erschrocken, inwieweit sich die SPD immer mehr vom Arbeitsmarkt und der Situation der Wirtschaftsbe triebe, der Unternehmen entfernt.

(Zuruf: Was?)

Frau Schwesig stehen im Grunde genommen alle Daten zur Verfügung. Darauf gehe ich gleich noch einmal ein.

Es ist wirklich erschreckend, inwieweit sich die SPD inzwi schen von Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik entfernt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Befassen wir uns einmal mit der Grenze von 500 Beschäftig ten. Auch in meiner Region – Frau Wölfle, Sie können gern einmal mitkommen – gibt es Unternehmen in dieser Größen ordnung.

(Zuruf von der CDU: Gerade genug!)

Diese Unternehmen überlegen sich, ob sie, wenn sie diese Grenze erreichen, überhaupt noch wachsen sollen oder ob sie etwas anderes machen sollen.

(Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a. Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Peinlich!)

Herr Binder, Sie lachen. Diese Grenze ist eine Wachstums bremse für Baden-Württemberg und damit schlecht für die Wirtschaft.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Gleichberechti gung ist eine Wachstumsbremse? Ist das Ihr Ernst?)

Sie erweisen damit den Frauen in Baden-Württemberg einen Bärendienst. Das sage ich Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Statistische Bundesamt belegt – die Fakten sind da; auch Frau Schwesig liegen sie vor –: Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen beträgt 22 %. Darüber gibt es gar nichts zu diskutieren.

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Doch!)

Wir haben sogar – – Frau Wölfle hat sich gemeldet. Wir kön nen hier gleich geschwind unterbrechen.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr aufmerksamer Beisitzer! – Glocke des Präsidenten)

Kollegin Wölfle, Sie haben das Wort.

(Zurufe)

Sie hat schon mehrfach gestreckt.

Vielen Dank für die Aufmerksam keit, dass Sie meinen Wunsch nach einer Zwischenfrage be merkt haben.

Herr Haußmann, Sie haben gerade etwas gesagt, was mich da zu provoziert hat, Ihnen eine Frage zu stellen. Sie haben ge sagt, es gebe Unternehmen, die aufgrund der Bürokratie nicht mehr weiter wachsen wollten. Würden Sie behaupten, dass in diesen Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels nicht Frauen benötigt werden,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sehr gute Frage!)

um weiter wachsen zu können? Sind Ihrer Meinung nach Rah menbedingungen für Frauen unwichtig, damit sich diese Un ternehmen weiterentwickeln können?

Vielen Dank, Frau Wölfle. Ich möchte das nachher in meinem Statement noch mit ansprechen. Ich komme dann noch einmal darauf zu spre chen. Insofern herzlichen Dank für die Frage.

Es ist also klar, dass die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen in Deutschland 22 % beträgt. In Baden-Württemberg liegt diese Differenz sogar bei 27 %.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Und Sie sind stolz darauf, oder was?)

Das ist dem Erfolg der baden-württembergischen Wirtschaft geschuldet. Von den 3 000 Betrieben, die dem VDMA, dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, angehören, sind 800 in Baden-Württemberg angesiedelt. Daran können Sie erkennen, wie stark die Wirtschaftsleistung Baden-Würt tembergs ist. Deswegen ist die angesprochene Differenz hier höher.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Muss man das ver stehen?)

Wir sollten die Fakten noch einmal analysieren. Der größte Teil dieser Differenz von 22 % resultiert daraus, dass sich Frauen und Männer in der Berufsorientierung, der Berufswahl und der Berufstätigkeit völlig unterscheiden.