Zur Frage der Unterschiede, die sich für Männer und Frauen bei der steuerlichen Belastung ergeben: Es ist sicher richtig und wichtig, von den Ungerechtigkeiten wegzukommen, die sich durch die Steuerklasse V ergeben, und zu einem gerech teren Steuersystem zu gelangen, das die Arbeit von Männern wie von Frauen entsprechend abbildet.
Ich wäre Ihnen, liebe Frau Gurr-Hirsch, und Ihrer Fraktion schon sehr dankbar, wenn Sie sich als ersten Schritt beim Fi nanzminister in Berlin für Erleichterungen für Alleinerziehen de starkmachten. Das lehnt nämlich der Finanzminister bis lang ab. Ich denke, wenn wir diese Erleichterungen hätten, wäre den Frauen in der Bundesrepublik und auch in BadenWürttemberg bereits in einem wichtigen Bereich geholfen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als arbeitsmarktpo litischer Sprecher der SPD-Fraktion bin ich der Überzeugung und finde ich es gut und richtig, dass wir heute über dieses Thema diskutieren. Denn in der Debatte wurden die in unse rer Gesellschaft nach wie vor vorhandenen Ungerechtigkei ten bezüglich der Bezahlung von Männern und Frauen sehr deutlich.
Unsere Botschaft aus diesem Parlament soll sein, dass wir un seren Beitrag für die Durchsetzung gleicher Entlohnung bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit für Frauen und Männer sowie für bessere Aufstiegschancen für Frauen in dieser Ge sellschaft leisten wollen.
Lieber Kollege Haußmann, ich bin der Überzeugung, dass es unserer Demokratie guttun würde und auch gut für unser par lamentarisches System wäre, wenn bei diesem Thema tatsäch lich parteiübergreifend und fraktionsübergreifend eine Eini gung erzielt worden wäre. Es ist schlicht ein gesellschaftli
cher Skandal, dass auch im 21. Jahrhundert bei der Bezahlung noch gravierende Unterschiede zwischen Männern und Frau en bestehen. Es wäre selbstverständlich richtig und gut, wenn moderne Industriegesellschaften schon im eigenen Interesse, nämlich im Interesse der Zukunftssicherung im globalen Wett bewerb – damit meine ich nicht nur global agierende Friseur geschäfte und Ähnliches –, Maßnahmen einleiteten, die den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ realisieren. Denn es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Frauen fair be zahlt werden, und Gleichberechtigung und Teilhabe würden sich auch für die Unternehmen sehr positiv auswirken.
Wir reden hier über folgende Dimension: Wir wissen alle, dass dabei leider auch in Baden-Württemberg ein Problem besteht. Es ist nicht allein ein baden-württembergisches Problem oder ein deutsches Problem, sondern ein europäisches Problem. In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beträgt der ge schlechterbezogene Einkommensunterschied etwa 17 %; in Deutschland liegt dieser Unterschied – es ist zum Teil bereits gesagt worden – über alle Branchen hinweg aber bei über 23 %. Deutschland liegt damit auf einem, wie ich finde, un rühmlichen siebten Platz innerhalb der Europäischen Union.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammengefasst kann man sagen: Fakt ist: Wir haben Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern, und zwar in ländlichen Räumen eben so wie in Großstädten. Fakt ist auch: Wir haben Lohnlücken zwischen den einzelnen Bundesländern in unterschiedlichen Größenordnungen. Fakt ist aber zudem: Wir kommen zu völ lig unterschiedlichen Ergebnissen bei der Betrachtung, je nachdem, ob wir die Stundenlöhne heranziehen oder aber die effektiven monatlichen Arbeitsentgelte. Nicht zuletzt stellen wir erhebliche Unterschiede – auch dies wurde hier deutlich – bezüglich der Stundenlöhne sowie der effektiven Monats löhne fest, wenn wir uns die einzelnen Branchen innerhalb Baden-Württembergs anschauen.
Die Frage lautet – auch dies wurde bereits gesagt –: Was kön nen wir tun? Das eine betrifft eher die Symbolpolitik. Unter diesem Aspekt steht auch der heutige Tag und die Debatte, die wir gerade führen. Das ist alles richtig und wichtig, und es ist notwendig, solange die Unterschiede noch nicht beseitigt sind. Aber wichtiger sind konkrete Schritte hierzu.
Einen konkreten Schritt haben wir, wie bereits gesagt, mit der Einführung des Mindestlohns getan. Auch von Experten wur de nämlich bestätigt, dass den größten Anteil innerhalb der ca. drei Millionen Menschen, die in Deutschland noch unter dem Stundensatz von 8,50 € beschäftigt werden, die Frauen aus machen. Frauen profitieren also von dem Mindestlohn von 8,50 €. Das ist schön und gut, aber es ist nicht ausreichend. Wir müssen noch weiter kommen.
Lassen Sie uns also am heutigen Tag, auch wenn die Symbol politik im Vordergrund steht, dennoch nicht nur Symbolpoli tik machen. Mein Appell, der sich an uns alle richtet, ist, die se Debatte zum Anlass zu nehmen, das Land nach mehr als 65 Jahren Grundgesetz, in dem die Gleichbehandlung als un veräußerliches Recht verankert ist, gerechter zu gestalten. Wir wissen natürlich, dass dies zunächst einmal Aufgabe des Bun des ist. Aber wenn wir, das Landesparlament, einen entspre chenden Impuls geben, dann wird, denke ich, diese Diskussi on auch auf der Bundesebene geführt werden.
In diesem Sinn danke ich denjenigen, die diese Debatte ange stoßen haben, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor, und es gibt auch kei ne Redezeiten mehr. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Jugendbildungsgesetzes, des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Baden-Württemberg sowie des Kinderschutzgesetzes Baden-Württemberg – Drucksache 15/6510
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ar beit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren – Drucksache 15/6621
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer schön, wenn wir im Parlament über die Jugend politik diskutieren können. Nach meinem Dafürhalten ge schieht dies angesichts der Bedeutung dieses Themas viel zu selten.
Bevor ich zu den Punkten komme, die aus unserer Sicht nicht in Ordnung sind, bei denen wir uns nicht einig sind – ich ver spreche Ihnen: auch dazu werde ich kommen –, möchte ich erst einmal die Gemeinsamkeit herausstellen.
Die Jugendpolitik eignet sich nicht für große parteipolitische Streite. Politik für die jungen Menschen in unserem Land ist eigentlich nur dann erfolgreich, wenn wir, alle Mitglieder die ses Parlaments, gemeinsam an einem Strang ziehen und Un terstützung geben.
Deshalb möchte ich diesen Gesetzentwurf ausdrücklich be grüßen, der im Wesentlichen auch eine Fortsetzung der erfolg reichen Jugendpolitik früherer Landesregierungen ist. Das „Bündnis für die Jugend“ war keine grün-rote Erfindung. Es war Ministerpräsident Günther Oettinger, der im Jahr 2006 den Jugendverbänden, der Jugend im Land ein Bündnis ange boten hat. Sie haben dieses Erfolgsmodell mit dem Zukunfts plan weitergeführt. Auch das ist gut so.
Eine erfolgreiche Jugendpolitik kann nicht von Legislaturpe riode zu Legislaturperiode neu aufgelegt werden. Sie muss sich langfristig am Machbaren orientieren. Wie immer in der Jugendpolitik in den vergangenen Jahren hätten wir uns ein schnelleres und ein konsequenteres Vorgehen gerade auch im
Schnittbereich der Zuständigkeiten von Sozialministerium und Kultusministerium gewünscht. Wir haben dies in den Bera tungen auch kritisch angemerkt.
Wir begrüßen das vorgesehene Landesjugendkuratorium, das als Beratungsgremium der Landesregierung definiert wird; wir begrüßen auch, dass dieses in Eigenverantwortung tätig sein wird. Wir haben Zweifel daran, dass das Ziel, mit der Zu sammenführung des Landeskuratoriums für außerschulische Jugendbildung und des Beirats für soziale Jugendhilfe eine Doppelstruktur aufzuheben, durch die Zusammenlegung er reicht wird.
Was die Bildungsreferenten angeht, teilen wir die Anmerkun gen des Landesjugendrings Baden-Württemberg, wonach die in § 7 des Jugendbildungsgesetzes geregelte anteilige Finan zierung der Personalkosten von 70 % für hauptamtliche Bil dungsreferenten in der Vergangenheit nicht intransparent oder gar ungerecht gewesen ist. Frau Ministerin, wir haben uns im Ausschuss lange über das Thema Dynamisierung und über ei ne Regelung zur Festbetragsfinanzierung im Gesetz unterhal ten. Der CDU-Fraktion geht es bei allem Verständnis für die Begründung – die wir sicherlich nachher auch hören werden – vor allem um eine klare, um eine verlässliche Zusage, eine Aussage an die Adresse der Jugendverbände zur Finanzie rungssicherheit über die Dauer des Zukunftsplans hinaus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich Zeit für die Bedürfnisse der Jugend im Land nimmt – wir haben dies mit einem Jugendforum getan – und dies alles in das politische Alltagsgeschäft einfließen lässt, könnte man diesem Gesetz entwurf sicherlich noch das eine oder andere hinzufügen. Ich möchte es daher so formulieren: Ihr Gesetz wird sicherlich nicht als empathisches Feuerwerk in die Geschichte des Lan des eingehen.
Es wird auch nicht als das große Signal an die Jugend und die Jugendarbeit im Land ankommen. Überhaupt könnte man sich über die Vorstellungen, die die grün-rote Landesregierung in Bezug auf die Jugend im Land hat, auch etwas streiten. Mir scheint da manches auch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit zu sein.
Heute geht es aber um Ihren Gesetzentwurf, und dazu möch ten wir von der CDU sagen: Wir werden diesem Gesetzent wurf zustimmen, weil jede Maßnahme, die zu einer Verbes serung der Jugendpolitik im Land führt, die Unterstützung al ler Abgeordneten hier im Landtag von Baden-Württemberg braucht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Die Ausschussberatung hat in der Tat ergeben, dass das Gesetz zwischen den Fraktionen nicht umstritten ist. Deswe gen kann ich mich auf inhaltliche Erläuterungen und Bewer tungen beschränken.
Die beiden ersten Veränderungen gegenüber der bestehenden Rechtslage beziehen sich auf den „Zukunftsplan Jugend“, den wir in einem breit angelegten und intensiven Dialogprozess mit den Verbänden gestalten. Durch ihn stehen im Landes haushalt wesentlich mehr Mittel, nämlich jährlich rund 3 Mil lionen € zusätzlich, für die außerschulische Jugendarbeit zur Verfügung, also mehr als je zuvor. Dieses Geld fließt in zu kunftweisende Projekte sowie in neue inhaltliche Schwer punktsetzungen, von der Bekämpfung des Rechtsextremismus über Integration bis hin zur Inklusion und zu neuen Koopera tionsbeziehungen mit den Ganztagsschulen im Land. Es sorgt außerdem für leistungsfähigere Strukturen der außerschuli schen Jugendarbeit, wozu wesentlich die zusätzlichen 17 Bil dungsreferentenstellen im Land zählen.
In diesem Zusammenhang haben wir uns mit den Verbänden darauf verständigt – das war nicht strittig, Kollege Schreiner –, dass diese Stellen vom Land nicht wie bisher zu 70 % des jeweiligen Aufwands finanziert werden, sondern in einer ein heitlichen Höhe. Damit sind uns die Stellen aller Verbände gleich viel wert. Die Fördersystematik – das sollte doch auch die FDP/DVP freuen – wird verlässlich entbürokratisiert und transparent gemacht. Selbstverständlich – das kann ich auch für die Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker meiner Frak tion sagen – werden wir auch ab 2017 – denn bis 2016 gibt es bereits eine Dynamisierung – eine Dynamisierung entspre chend der allgemeinen Personalkostenentwicklung vorneh men müssen. Das werden wir in die Beratung zum Doppel haushalt 2017/2018 einbringen.
Die zweite Veränderung bezieht sich auf die Zusammenlegung zweier bisheriger Gremien. Aus dem Landeskuratorium für außerschulische Bildung nach § 15 des Jugendbildungsgeset zes und dem Beirat für soziale Jugendhilfe nach § 8 Absatz 4 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Baden-Württemberg wird das Landesjugendkuratorium. Dabei handelt es sich zwar um unterschiedliche Arbeitsfelder; sie haben aber im Sinne einer ganzheitlichen Jugend- und Bildungspolitik so viele Be rührungspunkte, dass eine Vernetzung auf Landesebene mit der Landespolitik sinnvoll ist, statt hier weiter Parallelstruk turen zu fahren.
Die dritte Änderung ist auf den ersten Blick nur eine Anpas sung des Landeskinderschutzgesetzes an vorrangig geltendes Bundesrecht, konkret an das Gesetz zur Kooperation und In formation im Kinderschutz, kurz KKG. Wie wichtig im Kin derschutz Klarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten sind, zeigt der tragische Tod des kleinen Alessio im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, der jüngst bekannt wurde. Die ser Fall ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Ich hatte in mei ner früheren beruflichen Tätigkeit mit 38 von 44 Stadt- und Landkreisen zu tun, und dabei hatte ich nicht nur einmal, son dern mehrmals weinende Mitarbeiterinnen von Jugendämtern am Telefon, die zwischen widersprüchlichen Vorgaben und ihrem Engagement für das Kindeswohl zerrissen wurden.
Eines ist nämlich offensichtlich nicht zu bestreiten: Individu elles Versagen von einzelnen Behörden wird immer auch da durch begünstigt, dass Verwaltungshandeln mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden ist und intransparent gestaltet wird. Deshalb ist die heutige Gesetzesanpassung auch fachlich sinn voll.
Deshalb ist es gut und überfällig, dass wir darüber hinaus mit einem Modellprojekt für Baden-Württemberg auch die Om budschaft in der Kinder- und Jugendhilfe auf den Weg brin gen.
Denn Transparenz, Dialog, Rechtssicherheit und sozialanwalt schaftliche Vertretung der Belange von Kindern und Jugend lichen sind wesentliche Bestandteile eines wirksamen Kinder schutzes. Baden-Württemberg ist auf einem guten Weg.