Nur, lieber Herr Sakellariou, was Sie zum Waffenrecht gesagt haben, hat mir z. B. gezeigt, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben, wie heute die Hürden sind, um legal zu einer Waffen besitzkarte zu kommen.
Insofern sind wir uns im Ansatz, im Ziel völlig einig. Ich fin de es aber schade, dass in dieser Debatte auch vieles gesagt wurde, was mehr geeignet ist, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen als die Kriminalität zu bekämpfen.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen und werte Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen The ma der Aktuellen Debatte komme, will ich noch einmal auf greifen, was Sie, Herr Blenke, wieder einmal nicht haben las sen können. Auch bei dieser Debatte haben Sie Dinge in den Raum gestellt, die einfach nicht stimmen, und bestimmte Sachverhalte unterstellt, die schlicht und ergreifend falsch sind.
Über Ihre Formulierung „Hilflose Konzepte gegen Einbruchs kriminalität“ sollten Sie noch einmal gut nachdenken.
Denn da sprechen Sie über die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen der Polizei, die in besonderen Ermittlungsgruppen – –
Sie haben von „hilflosen Konzepten“ gesprochen. Es geht um Konzepte der Polizei, die in den regionalen Präsidien umge setzt werden, die auf der Grundlage der Arbeit des Landeskri minalamts und unseres Hauses beruhen, die auch auf der Grundlage beruhen, dass wir die Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden, wie beispielsweise mit dem Zoll, intensi viert haben, und die damit zu tun haben, dass wir kräftig Geld investiert haben, beispielsweise in die Bereiche Spurensiche rung und Spurenanalyse. Ich bin einmal gespannt, ob Sie den Mumm haben, diese Aussage, die Sie heute hier gemacht ha ben, auch gegenüber denen, die diese Konzepte entwickelt ha ben und sie vor Ort umsetzen, zu wiederholen.
Nun zum eigentlichen Thema: Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich denke, das Thema „Rockerkriminalität und rockerähnliche Krimina lität“ taugt allemal dazu, in einer Aktuellen Debatte auch ein mal auf einer sachlich fundierten Basis besprochen und dis kutiert zu werden
und dabei deutlich zu machen, was die Landesregierung, was die Polizei des Landes Baden-Württemberg gegen solche Ent wicklungen unternimmt.
Herr Dr. Goll, man sollte schon zur Kenntnis nehmen, dass wir es da nicht etwa mit Randthemen oder vereinzelten Wahr nehmungen zu tun hatten, die in den zurückliegenden Wochen ein bisschen mehr in den Fokus der Öffentlichkeit getreten sind. Fakt ist nun einmal, dass es in Baden-Württemberg – da hat sich in den zurückliegenden Jahren jedenfalls an der Zahl nichts Wesentliches verändert – 83 Niederlassungen – ich sa ge es einmal in meinen Formulierungen – von Rockern und rockerähnlichen Gruppierungen – die nennen sich Charter oder Chapter – gibt. Das bedeutet schon, dass es diesbezüg lich einen Schwerpunkt gibt, und dies seit Jahren. Deshalb hat – Kollege Blenke, da haben Sie recht – mein Vorgänger schon vor zehn Jahren in Baden-Württemberg auf diese Entwick lung reagiert.
Aber eines ist auch richtig: Wenn wir von Rockerkriminalität reden, dann ist diese nicht automatisch ausschließlich gleich zusetzen mit den sogenannten klassischen Rockergruppierun gen, die wir alle kennen, wie Hells Angels, Bandidos, „Gre mium“ und Outlaws. Andererseits haben wir schon erhebli che Sorgenfalten auf der Stirn, wenn wir über die rockerähn lichen Gruppierungen reden, die uns in den zurückliegenden Jahren im Besonderen zu schaffen machen, gerade in BadenWürttemberg, was letztendlich zu einem Vereinsverbot bei spielsweise der stark kurdisch geprägten Red Legion zum Ausdruck gebracht worden ist.
Was sie allesamt, so unterschiedlich sie auch sind, tatsächlich gemeinsam haben, ist die Orientierung an hierarchischen Strukturierungen. Das wird bei all diesen Gruppierungen deut lich. Gemeinsam hängen sie irgendwelchen Mythen nach. Macht und Stärke sind Ausdrucksmerkmale dieser Gruppie rungen bis hin zu wirklich fragwürdigen Treue- und Schwei gegelübden, die dort geleistet werden. Diese Gruppierungen adaptieren ähnliche Hierarchien, wenn es um Halt, um Struk tur und um Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens geht, und dies ist dann auch entsprechend zu erfahren.
Dabei geht es, wie gesagt, nicht nur um die Festlegung und Verfestigung krimineller Strukturen, sondern wir stellen auch fest – das hat etwas mit dem zu tun, was Sie, Herr Goll, ge sagt haben –, es geht für viele insbesondere der jungen Men schen in diesen Gruppierungen um ein gewisses Maß an Ori entierung, auch wenn wir diese Orientierung – ich jedenfalls – für völlig falsch halten. Es geht darum, ein selbst geschaf fenes, ein intern akzeptiertes Ordnungs- und Wertesystem zu leben, welches natürlich dem Wertesystem unserer Gesell schaft diametral widerspricht.
Der Einstieg besteht nicht selten, wie bei vielen anderen jun gen Menschen auch, in der Suche nach der Peergroup, das heißt nach der Sinnhaftigkeit, nach Gleichgesinnten, nach Ge meinschaft und Stärke, wobei sich diese Delinquenz – das ist der Unterschied zu vielen anderen jungen Menschen, die im mer wieder in irgendwelchen Bereichen diese Sinnhaftigkeit suchen – in diesem Bereich nicht auswächst, sondern sich bei den Rockern und rockerähnlichen Gruppierungen verfestigt bis hin zu kriminellen Energien, die wir leider zur Kenntnis zu nehmen haben.
Die aktuellen Entwicklungen – das war, denke ich, der Anlass für die SPD-Fraktion, dies heute zu thematisieren –,
die öffentlichkeitswirksamen und wahrgenommenen Ausein andersetzungen in den zurückliegenden Wochen zeigen, dass wir es hier zum Teil mit ganz neu entstandenen Strukturen zu tun haben wie den sogenannten Stuttgarter Kurden, Sondame genannt – „Unser Treueschwur“ heißt das Wort übersetzt –, mit den damit verbundenen Ritualen. Dies wird öffentlich zur Schau gestellt, um Gebietsansprüche, aber auch Ansprüche im Hinblick auf bestimmte Geschäftsfelder deutlich zu ma chen.
Ich will deshalb heute die Gelegenheit nutzen, um zu unter streichen, dass das Thema „Rockerkriminalität und die Aus wirkungen“ selbstverständlich auch in diesem Jahr ein Schwer punkt polizeilichen Tuns und Handelns in Baden-Württemberg sein wird. Dieser Ansatz wurde zuletzt bei den Einsätzen – diese Aufmärsche sind jetzt diskutiert worden – zur aktuellen Konfliktlage in Stuttgart, aber auch in Ludwigsburg deutlich gemacht.
Im März dieses Jahres konnten wir im Vorfeld von einer dro henden Auseinandersetzung – dieser Hinweis ist jetzt nicht ganz unwichtig – Kenntnis gewinnen, was uns dann veran lasst hat, mit massiven Kräften deutlich zu machen, wer in der Lebenswirklichkeit für Recht und Ordnung in diesem Land Sorge zu tragen hat, auch wenn dies gelegentlich zu Beein trächtigungen wie zu Verkehrsbeeinträchtigungen in Stuttgart führt, um solche Auseinandersetzungen zu vermeiden. 570 Kräfte an einem Sonntag aufzubieten – das kann man nicht aus dem Stand machen – war schon eine enorme Kraftanstren gung. Doch wir haben diesbezüglich Flagge gezeigt und den Menschen deutlich gemacht, dass es in Baden-Württemberg keine rechtsfreien Räume gibt, weder in Stuttgart noch in Lud wigsburg noch in anderen Städten und Gemeinden unseres Landes.
Meine Damen und Herren, ich habe von dieser neuen Grup pierung gesprochen. Es ist zu vermuten, dass dort Überläufer aus der verbotenen Organisation Red Legion Unterschlupf zu finden versuchen. Wir untersuchen deshalb gegenwärtig die Strukturen dieser neuen Bewegung hinsichtlich einer mögli chen Nachfolge- und Ersatzorganisation der verbotenen Red Legion.
Es ist in der Vergangenheit so gewesen und es ist offensicht lich heute so, dass Rockergruppierungen – da meine ich auch die rockerähnlichen Gruppierungen – versuchen, ihre Macht und ihre Vormachtstellung durch Einschüchterung und durch Machtdemonstrationen deutlich zu machen, und um eine sol che hat es sich offensichtlich bei den Auseinandersetzungen gehandelt, öffentlich oder nicht öffentlich ausgetragen.
Deshalb haben wir – da bin ich anderer Meinung als beispiels weise Sie, Herr Goll; deshalb wundert mich schon die eine oder andere Äußerung, die Sie gemacht haben – auf der Grundlage des Urteils des Oberlandesgerichts Hamburg das sogenannte Kutten- und Insignienverbot gegen die Hells An gels in Baden-Württemberg aufgegriffen und auch umgesetzt.
Gemeinsam mit der Justiz ziehen wir hier an einem Strang. Ich kann Ihnen sagen: Bislang gab es nur einen einzigen Ver stoß, nämlich von einem durchaus präsenten und ranghohen Mitglied der Hells Angels in Stuttgart, und gegen diese Per son wird diesbezüglich gerade zu Recht ermittelt.
Meine Damen und Herren, Rockerkriminalität – deshalb ist es gut, wenn man gelegentlich darüber redet – spielt sich nicht nur und überwiegend im öffentlichen Raum ab, sondern häu fig – dafür gibt es Gründe – auch im Verborgenen, gerade dort, wo diese Gruppierungen ein großes Interesse haben, dass et was nicht an die Öffentlichkeit gerät, insbesondere bei den lu krativen Deliktsfällen, die allesamt angesprochen worden sind, wie Delikte mit Rotlichtbezug, Menschen-, Waffen- und Rauschgifthandel.
Deshalb wundere ich mich, dass ein Redner davon gespro chen hat, es wäre angeblich völlig klar, dass ein Teil dieser Delikte mit Rockern gar nichts zu tun hätten. Die Lebenswirk lichkeit spricht eine völlig andere Sprache. Wir stellen bei vie len Ermittlungen fest, dass gerade und immer wieder auch Mitglieder aus Rockergruppierungen genau in diesen „Ge schäftsfeldern“ – wohlgemerkt: in Anführungszeichen – tätig sind und es auch zu entsprechenden Verurteilungen kommt.
Meine Damen und Herren, was machen wir tatsächlich? Herr Kollege Blenke und meine Damen und Herren von der Oppo sition, es wäre schön, wenn Sie die Polizeistrukturreform ein mal in der ganzen Bandbreite betrachten würden.
Sie haben Ihre Pauschalurteile heute schon wieder abgelas sen. Doch auch in diesem Themenkomplex ist deutlich gewor den, dass die Polizeistrukturreform nun wirklich in der gan zen Bandbreite positive Wirkungen zeigt.
Denn wir haben zum ersten Mal in Baden-Württemberg flä chendeckend entsprechend qualifiziertes, weitergebildetes Personal, das sich in allen Präsidiumsbereichen mit dem The ma Rockerkriminalität beschäftigt, während wir dies in der alten Struktur nicht hatten. Das gehört schlicht und ergreifend zur Wahrheit. Ich kann mich an Einzelfälle in bestimmten Di rektionsbereichen erinnern, bei denen es immer wieder erfor derlich war, dass Kräfte aus anderen Direktionen dort zur Ver stärkung hinzugezogen werden mussten. Das ist in der gegen wärtigen Struktur nicht mehr erforderlich,
Meine sehr geehrten Damen und Herren, um den Gefahren durch gewaltbereite Personen aus diesem Milieu zu begeg nen, wird logischerweise und richtigerweise immer wieder neu diskutiert, mit welchen Mechanismen, mit welchen Akti onen, mit welchen Tätigkeiten man entgegenwirken kann. Deshalb ist das Thema Waffenverbotszone eines der Themen, über die man durchaus diskutieren kann.
Ich sage aber an dieser Stelle: Stand heute und aus meiner Kenntnis ist dies nicht unbedingt ein taugliches Mittel, was den Bereich Stuttgart oder Ludwigsburg anbelangt. Solche Waffenverbotszonen gibt es beispielsweise in Hamburg im Bereich der Reeperbahn, dort sehr eingegrenzt auf ein be stimmtes Gebiet. Aber eine solche Situation haben wir in Ba den-Württemberg nicht.
oder wo auch immer Messerstechereien an der Tagesordnung wären. In Hamburg auf der Reeperbahn war dies aber eindeu tig der Fall.
Deshalb gehen wir da ganz bewusst und gezielt andere Wege. Herr Kollege Blenke, Sie haben die Richtung ziemlich deut lich aufgezeigt. Unser Ansatz ist das personenbezogene Waf fenverbot für Mitglieder krimineller Gruppierungen aller Art, insbesondere auch von Rockergruppierungen. Wir halten dies für einen wesentlich erfolgversprechenderen Weg, als punk tuell an einer Stelle oder an zwei Stellen in Baden-Württem berg ein solches generelles Verbot auszusprechen.
Das Bundesverwaltungsgericht, meine Damen und Herren, hat die Nulltoleranzstrategie, die wir in diesem Bereich ver folgen, mit seinem Urteil vom 28. Januar dieses Jahres zur grundsätzlichen waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von Per sonen aus solchen Gruppierungen de facto bestätigt. Auf der Grundlage dieses Urteils wollen wir gemeinsam weiterhin in tensiv prüfen, ob bestehende Maßnahmen zum Entzug von waffenrechtlichen Erlaubnissen auch auf ein präventives Waf fenverbot ausweitbar sind.
Denn unser Ziel ist – das will ich hier ganz deutlich sagen –, jedes Mitglied einer kriminellen Rockergruppierung perso nenbezogen mit einem generellen Waffenverbot zu belegen. Das ist unser Ziel. Ob es allen recht wäre oder nicht, Herr Goll, lasse ich jetzt einmal dahingestellt. Ihnen wäre es wahr scheinlich nicht recht. Aber unser Ziel ist es. Denn wir sind der tiefen Überzeugung, dass Mitgliedern solcher Gruppie rungen keine Waffen an die Hand gegeben werden sollten.
In diesem Sinn, meine Damen und Herren, dürfen die Bürge rinnen und Bürger Baden-Württembergs darauf vertrauen, dass wir im Rahmen unserer rechtsstaatlichen Möglichkeiten das Menschenmögliche tun, um Rockerkriminalität in BadenWürttemberg weiterhin einzudämmen und entsprechend zu bekämpfen.
Dass die Arbeit der baden-württembergischen Polizei diesbe züglich durchaus gut ist, macht allein die Tatsache deutlich, dass im zurückliegenden Jahr sechs Ermittlungsverfahren zu bandenähnlicher Kriminalität im Zusammenhang mit Rockern – die betreffenden Personen waren nämlich allesamt Mitglied in solchen Gruppierungen – in den Deliktsfeldern Menschen handel, Betäubungsmittelkriminalität, Waffenhandel usw. in die Wege geleitet worden sind. Dies macht deutlich, dass wir