Protokoll der Sitzung vom 29.04.2015

Sie haben einen Haushaltsposten herausgegriffen, in dem das frühere Internationale Institut für Berufsbildung Mannheim enthalten war, dessen Weiterentwicklung Sie damals während Ihrer Regierungszeit versäumt haben. Dieses Institut hat zum Schluss faktisch keine Entwicklungsarbeit mehr gemacht, son dern war vor allem für den Bereich China tätig und hat dort fast ausschließlich nur noch Fortbildungen für Fachkräfte für China angeboten. Dies entspricht ehrlicherweise nicht unbe dingt dem Ansatz von Entwicklungszusammenarbeit, den wir uns gemeinsam mit unseren Leitlinien des Landes BadenWürttemberg gegeben hatten.

Vielleicht können wir das in einer gemeinsamen Debatte über Entwicklungszusammenarbeit im Land noch einmal aufarbei ten; denn ich glaube, dass Sie da schlicht und ergreifend falsch liegen. Wir machen da in Baden-Württemberg auch in finan zieller Hinsicht mehr denn je.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ein letzter Punkt: Ich bin nicht dagegen, dass man gerade auch in Nordafrika Migrationsberatung anbietet. Aber dafür wer den aus meiner Sicht tatsächlich auch legale Zuwanderungs möglichkeiten benötigt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Natürlich!)

Gleiches haben wir auch im Kosovo erlebt, und Gleiches wer den wir auch in Afrika erleben. Wir waren gerade in Tunesi en. Wir brauchen auch die Möglichkeit, dass Menschen legal als Fachkräfte oder um Fachkräfte zu werden zu uns kommen.

Reine Asylzentren, in denen wir den Leuten erklären, dass das Asylrecht für sie eigentlich gar nicht einschlägig ist, können keine erfolgversprechenden Migrationszentren werden. Mit Goethe-Instituten, mit Botschaften und mit den konsulari schen Tätigkeiten können wir in diesem Bereich Verbesserun gen bewirken. Dafür brauchen wir aber auch die rechtlichen

Instrumente, um legale Zuwanderung tatsächlich auch zu er möglichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktu elle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Feldversuch Lang-Lkws: Wie glaub haft ist der Sinneswandel des Verkehrsministers? – bean tragt von der Fraktion der FDP/DVP

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Das Wort für die Fraktion der FDP/DVP erhält Kollege Hauß mann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen seit Jah ren einen deutlichen Anstieg des Güterverkehrs in BadenWürttemberg und in ganz Deutschland fest. Die Prognosen bis zum Jahr 2025 ergeben – auf der Basis des Jahres 2010 – einen Anstieg des Güterverkehrs um 50 % in unserem Land. Insofern sind wir alle aufgefordert, uns mit dem Thema „Ef fizienz der Nutzung der Verkehrsträger Straße, Schiene, Was serstraße und Luftfracht“ intensiv zu beschäftigen.

Der Bund hat schon vor Jahren entschieden, bis Ende 2016 einen Feldversuch für Lang-Lkws durchzuführen, und den Bundesländern die Möglichkeit gegeben, sich daran zu betei ligen. Baden-Württemberg hatte noch unter Schwarz-Gelb vor, sich an diesem Feldversuch zu beteiligen. Nach dem Re gierungswechsel bestand eine der ersten Aktionen – siehe auch Koalitionsvertrag – darin, dass der Verkehrsminister gesagt hat: Baden-Württemberg beteiligt sich nicht an diesem Feld versuch.

Das ist insofern völlig unverständlich, als die mittelständi schen Spediteure, die Unternehmen der Logistikbranche seit Jahren immer wieder auf die Notwendigkeit dieses Feldver suchs hinweisen. Der Verkehrsminister hat bisher keine die ser Anregungen aufgegriffen. Es ist aus unserer Sicht unver ständlich, warum man nicht stärker auf die mittelständischen Spediteure hört, die sagen, dass sich Baden-Württemberg als Automobilstandort, als Wirtschaftsstandort an diesem Feld versuch beteiligen sollte.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn man in die Diskussion einsteigt, muss man auch einmal die verwendeten Begriffe erklären. Denn oft wird von Giga linern gesprochen. Man verwechselt also oft Äpfel mit Bir

nen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auf die Begriffe ein gehen. Der Lang-Lkw, um den es hier geht, hat eine Länge von maximal 25,25 m, und dafür brauchen wir keine neuen Fahrzeuge und keine aufwendigen Neukonstruktionen, son dern können auf bestehenden Kombinationen aufsetzen,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

und zwar entweder mit einem sogenannten Dolly oder einer zusätzlichen Anhängerkupplung.

Um auf den Einwand, das belaste unsere Straßen stärker, re agieren zu können, muss man kein Mathematikspezialist sein. Ein Lang-Lkw hat sieben oder acht Achsen, während ein her kömmlicher Lkw fünf oder sechs Achsen hat. Beide haben ein zulässiges Gesamtgewicht von maximal 40 t, das sich in dem einen Fall auf sieben oder acht Achsen und in dem anderen Fall auf fünf oder sechs Achsen verteilt. Bei dieser Betrach tung kommen Sie sogar auf das Ergebnis, dass der Lang-Lkw für die Straßen auch in Baden-Württemberg schonender ist als die herkömmlichen Fahrzeuge. Auch das sollte man sich an dieser Stelle einmal klarmachen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Arnulf Frei herr von Eyb CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Zum Thema Ökologie – ein Thema, das Ihnen, Herr Verkehrs minister, durchaus am Herzen liegt – eine Beispielrechnung eines Spediteurs für eine Strecke, die er seit Anfang 2012 je den Tag fahren könnte, wenn Sie es nicht verhindert hätten, eine Strecke von 198 km, davon 90 % auf der Autobahn A 81 nach Hessen, Fahrzeit zwischen 2,5 und 3,0 Stunden, jeweils in der Nacht, volle Ladung hin, volle Ladung zurück, nämlich zu einem zentralen Verteilersystem: Für diese Fahrten würde – ich habe mir das einmal ausrechnen lassen – eine jährliche Einsparung von 25 200 l Treibstoff erzielt. Beginnend Anfang 2012 wären es insgesamt 83 000 l.

Weil das für Grüne durchaus auch interessant ist, wurde auch einmal die CO2-Einsparung berechnet. Pro Jahr hätten auf die sen Fahrten 66 170 kg CO2 eingespart werden können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Seit Beginn des Feldversuchs Anfang 2012 wären es insge samt 217 811 kg CO2. Herr Verkehrsminister, da frage ich mich: Warum haben Sie das seither blockiert?

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP: Rechnen müsste man können!)

Bei vielen Fahrten wird auch argumentiert, dadurch werde der Bahnverkehr verdrängt. Dazu ist jedoch zu sagen: Wenn Sie diese Fahrten in einer ländlich geprägten Region mit der Bahn abwickeln wollten, brauchten Sie wahrscheinlich mehrere Ta ge und hätten trotzdem noch extrem lange Transportwege auf der Straße mit dem Lkw zurückzulegen, weil es nicht überall eine Bahnanbindung gibt. Dazu können wir aber vielleicht nachher noch etwas sagen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Jetzt gibt es einen Zwischenbericht der Bundesanstalt für Stra ßenwesen. Außerdem hat sich Daimler beim Ministerpräsi

denten gemeldet und gesagt, jetzt wäre es doch wirklich gut, am Feldversuch teilzunehmen, zumal auch der Zwischenbe richt positiv ausgefallen sei. Daraufhin hat der Ministerpräsi dent sein Gewicht in die Waagschale geworfen und den Ver kehrsminister überzeugt.

Ich muss mich da aber schon fragen: Was für eine Mittel standspolitik ist dies eigentlich? Die baden-württembergi schen Spediteure, die, wenn man die erweiterte Logistik zu grunde legt, bis zu 10 % der Arbeitskräfte in Baden-Württem berg beschäftigen, fordern und wünschen dies seit Jahren. Je des Jahr wird dies im Verkehrsausschuss – Kollege Schwarz war dabei – gefordert. Nun kommt die Firma Daimler, und schon wird es anders gemacht. So sieht Mittelstandspolitik in Baden-Württemberg aus. Ich finde das schade.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was haben Sie denn ge gen Daimler?)

Nun muss auch geschaut werden, wie das Ganze derzeit läuft. Am 1. April – das ist kein Aprilscherz – fand im Verkehrsmi nisterium ein Treffen statt, bei dem die Speditionen über die Teilnahme am Feldversuch informiert wurden. Man hat ihnen gerade einmal einen Tag Zeit gegeben, um vorzuschlagen, welche Strecken das Verkehrsministerium beim Bund anmel den sollte. Wider Erwarten haben die fleißigen Spediteure tat sächlich viele Strecken gemeldet. Sie waren richtig fleißig und haben eine Nachtaktion eingelegt. Seither – inzwischen ha ben wir den 29. April – warten sie auf Informationen darüber, welche Strecken dem Bund nun eigentlich gemeldet worden sind.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist Ser vice!)

Die Speditionen würden gern planen und bitten um Informa tionen. Sie werden von ihren Speditionskollegen angespro chen und müssen antworten: „Wir wissen es nicht. Das Ver kehrsministerium gibt uns keine Informationen.“ Ich finde es unerträglich,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

wie hier mit den Speditionen umgegangen wird. Das ist kei ne Art, wie wir mit den Unternehmen in Baden-Württemberg umgehen sollten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Darüber hinaus wird es nun ein Begleitgutachten vom Land geben. Doch der Bund erstellt bereits Gutachten zu seinem Feldversuch. Da drängt sich mir schon die Frage auf, warum wir noch ein weiteres Gutachten brauchen. Nur, damit unser Verkehrsminister sozusagen sein Gesicht wahren kann? Herr Verkehrsminister, ich sage Ihnen: Sie gehen noch als der Mi nister der 1 000 Gutachten in die Geschichtsbücher ein.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja! – Abg. Martin Rivoir SPD: Das Protokoll vermerkt: „Kein Beifall“!)

Grüne Verkehrspolitik wirkt mitunter abgehoben. Die Reali tät holt einen dann doch wieder ein. Insofern: Willkommen in

der Realität, Herr Verkehrsminister. Dieses Verhalten im Um gang mit dem Thema Lang-Lkws ist gegenüber den mittel ständischen Unternehmen in unserem Land allerdings ein Trauerspiel und völlig unverständlich. So geht man mit den Unternehmen in Baden-Württemberg nicht um.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Psy chologisch unmöglich!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Schwehr.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Herr Haußmann, zunächst einmal sind wir, was die Inhalte anbelangt, nicht weit voneinander ent fernt. Wir haben uns aber schon etwas darüber gewundert, wie man dieses Thema zum Thema einer Aktuellen Debatte hoch stilisieren kann.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Weil es dringend notwendig ist, Herr Kollege!)