Die Verwunderung darüber war bei uns durchaus gegeben. Aber nichtsdestotrotz sind wir uns inhaltlich durchaus einig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine zweite Anmerkung vor weg: Wäre der Herr Minister ein Turner, würde ich sagen: Re spekt. Ich würde ihn für Olympia oder für die Weltmeister schaft vorschlagen. Denn diese Rolle rückwärts, die er voll führt hat, ist nach meinem Dafürhalten erste Sahne, sie ist ganz toll.
(Minister Reinhold Gall: Mit Rolle rückwärts kommt man nicht zu Olympia! – Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP: Das ist keine olympische Disziplin!)
Zu seinem Trainer, zum Ministerpräsidenten, der zu meiner Rechten sitzt, muss ich sagen, dass sein Pfiff zur rechten Zeit gekommen ist. Der Minister hat ihn gehört und hat diese Rol le rückwärts vollführt, und zwar par excellence, wirklich her vorragend.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja was denn jetzt? – Abg. Winfried Mack CDU: Das ist wie in den Sechzigerjahren!)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ein Blick auf die bisheri gen Aussagen zum Thema „Feldversuch mit Lang-Lkws“ macht, wie eben schon beschrieben, einen radikalen Sinnes wandel deutlich. Bereits im Koalitionsvertrag, der natürlich auch von der SPD unterschrieben ist, wurde die Einführung der Lang-Lkws ganz klar abgelehnt mit der Begründung, dass dies zu einer Verkehrsverlagerung von der Schiene bzw. der Binnenschifffahrt auf die Straße führen würde.
Nun kommen wir zu den Zahlen und Fakten. Ende 2012 wur de gemeinsam mit dem Land Schleswig-Holstein ein abstrak tes Normenkontrollverfahren beantragt. Dies bezog sich auf die befristete Verordnung des BMVI hinsichtlich der LangLkws. Der Antrag wurde im Mai letzten Jahres, also 2014, ab gewiesen. Im Nachgang zur Entscheidung des Bundesverfas sungsgerichts werden Sie, verehrter Herr Verkehrsminister
Ungeachtet der nun entschiedenen Rechtsfrage sind wir aus ökologischen Gründen aber weiterhin gegen den Ein satz von Lang-Lkws,...
Weiter ist der Pressemitteilung zu entnehmen, es sei ein Mär chen, dass die Lang-Lkws aus ökologischen Gründen einge setzt würden, es gehe nur um die Senkung der Transportkos ten; gleichzeitig würden die Lang-Lkws die Brücken und Kreisverkehre beschädigen. So lautet die Aussage des Ver kehrsministers in der Pressemitteilung aus dem Jahr 2014.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Verkehrsminister zeigt hier eine klare Kante gegen die Zulassung von Lang-Lkws. Ich denke, viel deutlicher als in dieser Pressemitteilung kann sich ein Minister nicht artikulieren.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass Sie, Herr Minister Hermann, schon im Mai letzten Jahres genau wuss ten, welche Auswirkungen die Lang-Lkws haben, also noch bevor die Bundesanstalt für Straßenwesen – das wurde vor hin schon angesprochen – überhaupt ihren Zwischenbericht zum Feldversuch vorstellen konnte. Dies erfolgte nämlich erst im September 2014.
Der Zwischenbericht konnte Ihre Ideologie allerdings keines wegs bestätigen. Denn es heißt, dass wirklich gravierende Pro bleme bisher nicht hätten nachgewiesen und angezeigt wer den können.
Herr Minister Hermann, das hielt Sie aber nicht davon ab, wei terhin gegen Lang-Lkws zu kämpfen. So war noch am 14. De zember letzten Jahres in der „Stuttgarter Zeitung“ zu lesen – ich zitiere –, dass Sie nicht eine „Lex Daimler“ schaffen wol len, indem Sie Daimler eine Sondergenehmigung zum Ein satz von Lang-Lkws erteilen. Das war noch im Dezember 2014.
Es dauerte dann nicht einmal fünf Monate, bis Sie, Herr Mi nister Hermann, im März dieses Jahres ankündigten, dass das Land die wissenschaftliche Studie zur CO2-Bilanz von LangLkws in Kooperation mit Daimler begleiten werde und dass Baden-Württemberg am Feldversuch für Lang-Lkws teilneh men werde. Mit dieser Entscheidung haben Sie alle Ihre bis herigen Aussagen zu Makulatur erklärt und – wie bereits ge sagt – eine komplette 180-Grad-Wende vollzogen, und das in nicht einmal fünf Monaten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Denn kürzlich hat sich unser Ministerpräsident heraus genommen, die Grünen als die Wirtschaftspartei im Land Ba den-Württemberg herauszustellen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, damit die Kehrtwende aber nicht so peinlich wird, haben Sie sich ein Alibi für die Teilnahme am Feldversuch mit Lang-Lkws ausgedacht. Das Alibi ist der Klimawandel, der Klimaschutz. Lassen Sie mich eines sagen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Der Zwischen bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen ist bezüglich des CO2-Einsparpotenzials der Lang-Lkws ganz deutlich und ex akt. So ersetzen zwei Lang-Lkw-Fahrten etwas mehr als drei
konventionelle Lkw-Fahrten. Auch das muss man einmal deutlich sagen. Dadurch, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sinken der Spritverbrauch und der CO2-Ausstoß um bis zu 25 %.
Auch die vonseiten des Ministers viel beschworene Verlage rung des Güterverkehrs von der Schiene und der Binnenschiff fahrt auf die Straße konnte bisher nicht festgestellt werden. Dafür gibt es einfache Gründe. So transportieren die LangLkws – das wissen wir alle – nicht vor allem schwere Güter, sondern voluminöse Güter wie etwa Toilettenpapier, Papier, Kartonagen und ähnliche Materialien von A nach B.
Die prognostizierten Zuwächse im Güterverkehr von insge samt 38 % bis 2030 machen es angesichts der ausgereizten Kapazitäten von Schiene und Straße notwendig, neue Logis tikkonzepte zu beraten. Hierzu gehören auch – das sage ich deutlich – die Lang-Lkws.
Mit Ihrer bisherigen Position haben Sie sich selbst in Bedräng nis gebracht. Ihre Position ist schlicht und ergreifend auf Dau er nicht haltbar und auch angesichts der Erkenntnisse der Bun desanstalt für Straßenwesen nicht nachvollziehbar.
Angesichts der dargestellten Ergebnisse ist die Erstellung der angesprochenen wissenschaftlichen Studie vor der Fertigstel lung des endgültigen Berichts der Bundesanstalt für Straßen wesen unnötig. Aber, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wir sind es mittlerweile gewohnt, dass Gutachten und Studi en alles sind, was wir unter dieser Regierung und gerade auch unter diesem Verkehrsminister zu erwarten haben: Viel Geld für nichts, aber Gutachten und Studien werden permanent in Auftrag gegeben – so kann es auf Dauer nicht sein.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, lassen Sie mich ab schließend klarmachen, welche Ideologie hinter der Ableh nung von Lang-Lkws bisher bestanden hat. Am vergangenen Freitag haben Sie, verehrter Herr Minister Hermann, auf dem Kongress „Neue Mobilität“ gesagt – ich zitiere wieder –: „Ba den-Württemberg ist nicht länger Autoland.“
Wenn Baden-Württemberg nicht einmal mehr Autoland ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, was haben dann Lkws in die sem Land verloren? Das ist die Ideologie; das muss man ganz deutlich sagen.
Das heißt für mich: Ein echter Sinneswandel hat bei Ihnen nicht stattgefunden. Denn Lang-Lkws passen schlicht und ein fach nicht in Ihr Weltbild. Für Sie ist schließlich alles Teufels zeug, was mehr als zwei Räder hat und nicht durch das Tre ten von Pedalen angetrieben wird.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Seit vier Jahren betreiben wir in Ba den-Württemberg erfolgreich die Politik des Gehörtwerdens.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE und Claus Schmiedel SPD)
Ich freue mich über den Applaus der CDU. Dieser bestätigt einmal mehr, wie richtig wir auf dieser Linie liegen, liebe Kol leginnen und Kollegen. Feuern Sie uns in den nächsten Mo naten an, wenn wir damit im Land unterwegs sind und die Po litik des Gehörtwerdens vertreten.
Feuern Sie uns dabei an, denn das ist das beste Indiz dafür, dass die vom Herrn Ministerpräsidenten vorgegebene Linie in der Breite des Landtags angekommen ist.
Wenn neue Erkenntnisse vorliegen, werden wir diese in un sere Entscheidungsfindung einfließen lassen. Das ist der kla re Unterschied zu einer Basta-Politik, wie sie der frühere Mi nisterpräsident Mappus gelebt hat.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Nicole Razavi CDU: Fällt Ihnen nichts Bes seres ein? – Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)
Lernen, Realitäten akzeptieren und verhandeln, um das Bes te für die Menschen und die Wirtschaft im Land zu erreichen, nach dieser Methode machen wir Politik,
nach dieser Methode macht der Verkehrsminister Politik. Das ist eine verantwortungsvolle Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich bin dem Verkehrsminister dankbar, dass er den Dialog mit der Wirtschaft gesucht und mit den Unternehmen eine gute Lösung für den Einsatz der Lang-Lkws in Baden-Württem berg gefunden hat.
Denn: Führt man solche Gespräche – meine Fraktion führt diese seit vier Jahren mit der verladenden Wirtschaft –, dann stellt sich der Sachverhalt doch wesentlich differenzierter dar, als er heute von der CDU und von der FDP/DVP vorgetragen wurde.
Viele Bürgerinnen und Bürger machen sich Sorgen um die Verkehrssicherheit. Diese Sorgen müssen wir, die Politikerin nen und Politiker, ernst nehmen. Auf der anderen Seite stehen die Hinweise und Forderungen der Wirtschaft und der Logis tikbranche. Wir müssen tatsächlich die Frage stellen und auch
beantworten, ob der Einsatz von Lang-Lkws einen weiteren Klimavorteil bringt. Diese Frage ist meiner Fraktion wichtig. Diese Frage werden nun die erwähnten Gutachten und die weiteren Prozesse klären, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es steht aber doch viel weiter die Frage dahinter: Wie organi sieren wir die für unseren Wirtschaftsstandort so wichtige Lo gistik effizient, menschen- und umweltfreundlich? Das ist doch die eigentliche Frage der heutigen Debatte. Daran sieht man wieder: Das, was FDP/DVP und CDU vorgetragen ha ben, greift wieder einmal viel zu kurz. Man kann sich doch nicht allein auf den Lang-Lkw fokussieren. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, das zu einem geringeren Schadstoffausstoß führt, das zu weniger verstopften Autobahnen führt.