Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Kurtz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Im März letzten Jahres hatte der Kultusminister extra zu einer Informationsveranstaltung ins Neue Schloss eingeladen, um die Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen von Herrn Professor Pant vorstellen zu lassen. Es ging um eine Studie zu den ma thematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I. Die Ergebnisse waren nicht sehr schmeichelhaft für Baden-Württemberg: Wir lagen im Mittel feld.

Allerdings muss man beachten, dass diese Studie zutage ge bracht hat, dass die Gymnasien vergleichsweise gut abge schnitten haben. In den Gymnasien in Baden-Württemberg gelingt es offensichtlich recht gut, den Schülern die Naturwis

senschaften und die Mathematik zu vermitteln. In Mathema tik werden durchaus Spitzenergebnisse erzielt, und auch in den Naturwissenschaften wurden gute Ergebnisse verzeich net. Eine Begründung des Herrn Professor Pant war, dass die Schülerinnen und Schüler in den Gymnasien in der Regel von Fachlehrern unterrichtet werden. Dort werden nur 5 % des Unterrichts fachfremd erteilt. Wir haben gerade andere Zah len vom Kollegen Dr. Kern gehört; diese bezogen sich aber auf andere Schularten. Dort werden tatsächlich teilweise bis zu 20 % des Unterrichts von Lehrkräften erteilt, die für das entsprechende Fach keine Lehrbefähigung haben.

Ganz grundsätzlich möchte ich erwähnen, dass der Direktor des IQB hervorgehoben hat, dass es nicht so sehr auf die Schulstruktur ankommt; vielmehr wird guter Unterricht von guten Lehrern erteilt. Es hängt von der Qualifikation der Lehr kraft ab, wie die Leistungsergebnisse der Schülerinnen und Schüler gemessen werden können. Er hat als Beweis auch die ostdeutschen Bundesländer herangezogen. Dort wird im Grun de jeglicher Fachunterricht von einem Fachlehrer erteilt, und diese Länder haben überproportional gute Resultate erzielt, einfach weil vor allem Mathematik und Naturwissenschaften von Fachlehrern erteilt werden. Herr Professor Pant war auch der Meinung, dass in diesen ostdeutschen Ländern offensicht lich eine höhere Wertschätzung dieser Fächer herrscht und man dort noch von der traditionellen Ausbildung der Lehrer sowie von einem stringenten Unterricht profitiert. Also doch recht interessante Ergebnisse.

Was aber macht der Kultusminister? Er schafft einen neuen Fächerverbund in den Gymnasien und schafft das Fach Bio logie ab.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wie bitte?)

Herr Kollege Dr. Kern hat dies eben ganz gut beschrieben. Es geht hierbei um die Klassen 5 und 6 am Gymnasium. In den anderen Schulklassen schafft man gerade Fächerverbünde ab, die man im Bildungsplan von 2004 vorgefunden hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, so ist es!)

Wir haben das sauber evaluiert. Man kommt offensichtlich zu dem Schluss, dass es nicht sehr zielführend ist, mit diesen Fä cherverbünden weiterzuarbeiten. Aber, wie gesagt, am Gym nasium wird ein neuer Fächerverbund auf Kosten des eigen ständigen Faches Biologie geschaffen.

Wir wundern uns und haben den Eindruck, dass es hier nur vordergründig um eine Verbesserung des Unterrichts geht. Vielmehr geht es schon wieder um Schulstrukturen, wie eben bereits beschrieben. Es geht im Grunde darum, die Durchläs sigkeit zwischen den Schularten zu erhöhen. Man will es Schülerinnen und Schülern von den Real- und den Gemein schaftsschulen erleichtern, auf das Gymnasium zu wechseln. Auf diesem ideologischen Altar wird das eigenständige Fach Biologie geopfert.

Einwände von Fachleuten sind nicht berücksichtigt worden; sie wurden zum Teil bereits zitiert. Ein Argument möchte ich noch anführen. Die „Wirtschaftswoche“ hat sich, wie wir das getan haben, ebenfalls verwundert die Augen gerieben und schrieb am 18. Februar 2014 – die Autoren nehmen an, dass „Gender-Ideologen“ am Werk sind –:

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Jetzt wird es obs kur!)

Im Stuttgarter Kultusministerium wird offensichtlich der Versuch unternommen, an den Schulen die Voraussetzun gen zu schaffen, um einer Ideologie mit einem bestimm ten Menschenbild den Weg zu ebnen.

Ich zitiere weiter:

... die Gender-Theorie vom sozial konstruierten Geschlecht passt hinten und vorne nicht zu den Erkenntnissen der Biologie.

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Frau Kurtz, das ist doch selbst für Sie zu heftig!)

Die Biologie ist also der Ideologie massiv im Weg und muss abgeschafft werden.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU nimmt den Vorwurf von Herrn Professor Messer schmid vom Institut für Raumfahrtsysteme besonders ernst, der, glaube ich, sehr seriös und ernst zu nehmen ist.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Jeden Käse muss man nicht nachreden!)

Ich zitiere Professor Messerschmid; das ist kein Käse. – Er macht sich Sorgen, dass die Astronomie im neuen Bildungs plan völlig unter den Tisch fallen soll, und hat es sehr ge schätzt, dass sie 2004 darin aufgenommen wurde.

Diese Reform scheint uns ein weiteres Beispiel zu sein, wie fahrlässig in unseren Schulen gewütet wird. Da wird viel Por zellan zerschlagen; bewährter Unterricht wird umstrukturiert, fachfremdes Unterrichten ist mit diesem neuen Fächerverbund vorprogrammiert, schwächere Schülerleistungen werden in Kauf genommen – und das alles, um mehr Schülerinnen und Schüler ans Gymnasium zu locken und zum Abitur zu führen. Denn Sie haben, wie ich heute Morgen bereits sagte, diese völlig überzogene Akademisierung im Kopf. Sie wollen 50 % der jungen Leute in eine akademische Ausbildung bringen. Das geht natürlich nur mit entsprechend hohen Zahlen an Hochschulzugangsberechtigungen.

Wir halten das für den absolut falschen Weg. Sie merken ja schon: Es fehlen viele gute junge Leute in der dualen Ausbil dung. Außerdem ist diese „Schmalspurgymnasialausbildung“ nicht das, was bei den Hochschulen gut ankommt: Wir haben zu viele Studienabbrecher. Insofern ist das, was Sie hier vor haben, doppelt und dreifach gefährlich. Wir lehnen dies ganz entschieden ab.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Lehmann das Wort.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Keine Zwi schenfragen!)

Doch, doch, alle dürfen Zwischenfragen stellen. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen vor etwas ausgedünnten Rängen! Ich bin Ihnen, der FDP/DVP-Fraktion, dankbar, dass Sie diese Anträge ge stellt haben. Wenn wir sie gestellt hätten, hätten Sie gesagt: „Jetzt wollen Sie wieder alles abschieben, was in der Vergan genheit schiefgelaufen ist.“ Die IQB-Studien für die Primar stufe 2011 und für die Sekundarstufe I 2012 waren noch ein mal eine schöne Bilanzierung der Bildungspolitik der vergan genen Jahre.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Genau!)

Ein Ergebnis ist – das haben wir vorgefunden, und darauf ha ben wir auch reagiert –, dass fachfremder Unterricht an Schu len in Baden-Württemberg ein Problem ist – nicht am Gym nasium; da haben Sie, Herr Dr. Kern, völlig recht.

Aber wir wissen ja, wie viele Fächerverbünde es gab. Ich will es Ihnen ersparen, aus den bestehenden Bildungsplänen vor zutragen, wie viele Fächerverbünde es gab, welche Kreativi tät die alte Kultusverwaltung dabei an den Tag gelegt hat. Al lein an den Werkrealschulen – das muss man sich einmal zu Gemüte führen – ist man ständig dabei gewesen, neue Fächer verbünde zu kreieren. Warum hat man das gemacht, und wa rum nicht am Gymnasium, Herr Dr. Kern? Diese Frage muss man auch einmal beantworten.

Es ist klar: Natürlich ist es viel einfacher, viel günstiger und viel wirtschaftlicher, wenn man Fächerverbünde macht. Dann kann man Lehrer schön hin- und herschieben.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Warum machen Sie es?)

Das war ein wesentliches Element der Bildung von Fächer verbünden.

Wir haben im Koalitionsvertrag schon gesagt: Wir stellen das auf den Prüfstand. Wir haben mit der neuen Bildungsplanre form, die 2016 greift, Tabula rasa gemacht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Kann man wohl sagen!)

Jetzt kommen Sie darauf zu sprechen, dass wir in den Klas sen 5 und 6 noch einen Fächerverbund haben. Auf die Klas sen 5 und 6 haben Sie sich bezogen. Man kann sicher trefflich darüber streiten, ob es richtig ist, die Biologie hier nicht ext ra als Fach zu nehmen und das andere jetzt als „Naturphäno mene“ zu fahren. Aber wir haben uns in der Bildungsplanre form vorgenommen – – In den Bildungsplänen steht vor al lem auch, dass hier eine Qualitätssicherung und ein richtiger Einsatz der Fachlehrer erfolgen. Denn das ist die Konsequenz, die wir aus den IQB-Studien zu ziehen haben, Herr Dr. Kern.

Frau Kurtz, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie hier auf die neu en Bundesländer rekurrieren. Wenn ich das gesagt hätte, hät ten Sie gesagt: „Das sagen Sie natürlich, weil Sie nicht so toll fanden, was wir im alten System an Bildung gemacht haben.“ Aber es ist natürlich Fakt. Wenn man die Studie genau liest, erkennt man: Eine wesentliche Voraussetzung für die fachli che Qualität von Unterricht ist, dass weniger fachfremder Un terricht gemacht wird. Das ist ganz klar.

Wir müssen bei diesem Thema jetzt aber auch noch einen Punkt beachten, den Sie in Ihren Anträgen mit aufgeführt ha ben. Das ist die Frage: Wie können wir heute, in einer Zeit, in der wir in der naturwissenschaftlichen und mathematischen Ausrichtung vorankommen wollen, entsprechende Lehrer ge winnen, die jetzt in die Lehrerausbildung und nicht in die freie Wirtschaft gehen? Diese Lehrer brauchen wir. Wir brauchen eine hohe Fachlichkeit in diesem Bereich. Das ist keine Auf gabe, die einfach – –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Eingangsbesoldung erhöhen!)

Ja, das sagt gerade der Richtige, derjenige, der die erste Ab senkung der Eingangsbesoldung vorgenommen hat.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich bin ja mit Ihnen dabei. Wir haben auch fortgeführt, dass wir in den Mangelfächern Zulagen brauchen. Andernfalls be kommen wir die entsprechenden qualifizierten jungen Leute nicht, die da reinkommen müssen.

Wir haben noch eines gemacht – das ist auch wichtig –: Es ist ein wesentliches Grundprinzip der Lehrerbildungsreform, die wir aufsetzen, dass wir an den Grundschulen Deutsch und Ma thematik als eigenständige Ausbildung stärken. Das machen wir, und das ist zwingend erforderlich. Denn in der IQB-Stu die für den Primarbereich war zu lesen, dass im vierten Schul jahr 45 % der Lehrer im Bereich der Mathematik eingesetzt werden, die dafür eigentlich gar nicht ausgebildet sind. Das ist ein Riesenproblem. Denn da fangen die Probleme an, wenn die jungen Leute danach in die Sekundarstufe I gehen und im vierten Schuljahr einen Lehrer vorgesetzt bekommen hatten, der, sage ich einmal, Mathematik fachfremd unterrichtet hat. Das ist ein Unding.

Das werden wir mit der Lehrerbildungsreform jetzt beenden. Wir werden auch die Fachlichkeit in der Ausbildung der Leh rer in der Sekundarstufe I erhöhen. Das ist auch eine wesent liche Erkenntnis aus den IQB-Studien, die wir mit der Bil dungsplanreform umsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das machen wir, Herr Dr. Kern. Da sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg. Aber wir können natürlich nichts dafür, dass Sie so viele Fächerverbünde eingeführt haben. Wir schaffen diese jetzt ab.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und führen neue ein!)