vor dem jeweils Andersdenkenden nicht vermissen lässt, wä re auch dies eine gute Stunde in diesem Landtag von BadenWürttemberg.
Der Titel der heutigen Aktuellen Debatte fordert Respekt für gleichgeschlechtliche Paare ein. Aus meiner Sicht, aus unse rer Sicht ist das eine Selbstverständlichkeit. Wenn sich zwei Menschen entscheiden, füreinander einzustehen und gegen seitig Verantwortung zu übernehmen, ist dies ein Wert an sich. Diese Menschen leben einen Wert an sich – völlig unbesehen des Geschlechts. Die sexuelle Ausrichtung eines Menschen ist ganz allein seine Sache. Sie ist ein wichtiger Teil seiner Persönlichkeit und auch Teil seiner ganz persönlichen Wür de, die unantastbar ist.
Eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung ei nes Menschen ist deshalb vollkommen inakzeptabel. Da gibt es in diesem Hohen Haus sicherlich völlige Übereinstimmung.
Es sind deshalb auch in der Vergangenheit wesentliche Schrit te hin zur Gleichstellung gemacht worden – nach zum Teil heftigen Diskussionen, nach zum Teil heftigem Ringen, auch in meiner Partei –: Ich nenne das Lebenspartnerschaftsgesetz, dessen Überarbeitung im Hinblick auf den Güterstand der Zu gewinngemeinschaft, Fragen der Hinterbliebenenversorgung. Ich nenne die steuerliche Gleichstellung, die wir ermöglicht haben,
nachdem die rechtlichen Möglichkeiten durch das Bundesver fassungsgericht geklärt waren. Und ich verweise ganz aktuell auf den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im Bund, in dem man sich weitere Schritte hin zur Gleichstellung vor genommen hat. Sie wurden im Bundeskabinett bereits einge bracht. Diesen Koalitionsvertrag hat im Übrigen auch die SPD unterschrieben, lieber Kollege Schmiedel.
Ich glaube, mich erinnern zu können, dass er sogar Gegen stand einer Mitgliederentscheidung der SPD war. Insofern ge he ich davon aus, dass die Inhalte dieses Koalitionsvertrags auch von der SPD hier im Landtag von Baden-Württemberg mitgetragen werden.
Aber ich glaube, es macht keinen Sinn, meine Damen und Herren, in dieser Diskussion völlig ausblenden zu wollen, dass es auch Aspekte gibt, die die Menschen umtreiben, die geeig net sind, emotionale Diskussionen hervorzurufen. Dass es of fene Fragen gibt und dass wir in der Politik gut beraten sind, diese offenen Fragen auch zuzulassen und Menschen, die an dere Positionen vertreten, nicht in eine Ecke zu stellen, sie nicht zu tabuisieren, sondern in ihrer Einschätzung und Ein stellung zu respektieren, auch das gehört dazu.
Die CDU hat stets das Verbindende über das Trennende ge stellt. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Politik für alle Gruppen in unserem Land zu gestalten, auch differenzierte Meinungen zuzulassen. Deshalb verstehe ich manchmal auch nicht ganz diesen vermeintlichen Automatismus, zu glauben, aus einer Volksabstimmung in Irland heraus automatisch die selben Verhältnisse in Deutschland herstellen zu müssen. Da für sind die Fragen zu komplex, zu differenziert.
Die Frage nach der vollständigen Gleichstellung beinhaltet – Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Sitzmann – eben auch die Frage nach dem vollen Adoptionsrecht. Wir sind, auch nach der ausgiebigen Diskussion auf unserem Bundes parteitag in Hannover, wo wir uns Raum und Zeit für die Dis kussion dieser Fragen gegeben haben,
der Überzeugung, dass es mit Blick auf die Adoption unver ändert Zweifel und Skepsis gibt und wir diese Zweifel und diese Skepsis auch ernst nehmen müssen. Die Menschen zwei feln nicht deswegen, weil es ihnen an Respekt vor gleichge schlechtlichen Partnerschaften fehlt.
Sie zweifeln auch nicht an der Bedeutung von Liebe, Zunei gung oder dem Wunsch nach Familie. Es geht, so denke ich, um die Frage des Schwerpunkts, der Sichtweise. Wenn es um Adoption geht, meine Damen und Herren, dann richtet sich der Blick nicht nur auf zwei erwachsene Menschen, sondern dann muss sich der Blick auch auf die dritte Person, auf das Wohl des Kindes richten.
(Beifall bei der CDU – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Was heißt das? – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)
Frau Kollegin Sitzmann, ich will überhaupt nicht die durch aus differenzierte Meinung in der Bevölkerung infrage stel len. Aber auch wenn Sie glauben, totale Mehrheiten hinter sich zu haben, vertreten nach einer Umfrage des INSA-Insti tuts 71 % der Bevölkerung genau in dieser Fragestellung der Adoption eine ganz differenzierte Position. Das sind eben nicht die Ewiggestrigen, wie Sie sie brandmarken wollen. Das sind junge Menschen, das sind alte Menschen, Menschen, die in Vereinen, Kirchen und Parteien engagiert sind – sogar bei den Grünen soll es die geben. Der Leutkircher Grüne Gott fried Härle wurde vor wenigen Tagen in der „Schwäbischen Zeitung“ mit der Aussage zitiert:
Es ist eine gesellschaftlich umstrittene Frage. Ich achte die Meinung eines jeden. Es ist aber kein Thema für par teipolitische Auseinandersetzungen, zumal es in allen Parteien, auch bei den Grünen, Befürworter und Gegner gibt.
Ich glaube, wenn wir auf dieser Basis die Diskussion führen, dann führen wir sie differenziert und mit Respekt vor den ein zelnen Positionen der Menschen.
Übrigens wird die genannte sachliche, differenzierte Betrach tung der Gesellschaft in Sachen Adoptionsrecht auch von nüchternen Zahlen gestützt: Auf der einen Seite waren 2013 deutschlandweit nur 817 Kinder und Jugendliche für eine Ad option vorgemerkt, auf der anderen Seite hätten in über 5 000 Fällen künftige Eltern einem Kind gern eine neue Familie ge boten. Rechnerisch standen damit einem zur Adoption vorge merkten Minderjährigen sieben mögliche Adoptiveltern ge genüber. Auch diese Zahlen rechtfertigen keine überzogene Polemik. Ich finde, in einer solch sensiblen gesellschaftspoli tischen Frage steht es der Politik, steht es der Landesregie rung, die in Verantwortung steht, gut zu Gesicht, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, auch wenn sie diese Sorgen nicht teilt. Schrille Konfrontation wäre bei dieser Frage fehl am Platz.
Ich möchte deshalb an uns alle, vor allem auch an die Landes regierung, appellieren, das immer wieder wiederholte Verspre chen der Toleranz auch zu halten.
Toleranz ist keine Einbahnstraße. Auch die Menschen, die Ih re Vorstellungen nicht teilen und hierfür gute Argumente ha ben, sind Teil unserer Gesellschaft und haben es verdient, von ihrer aktuellen Landesregierung mit dem nötigen Respekt und dem Willen zum Dialog eingebunden zu werden.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Auch ich will mit dem Kirchentag begin nen. Kirchentagspräsident Professor Dr. Andreas Barner hat im Rahmen des Abschlussgottesdienstes die Fragen gestellt: Sind wir klüger geworden? Haben wir es als Gemeinschaft geschafft, klüger zu werden?
In Bezug auf das Thema der heutigen Aktuellen Debatte muss man feststellen, dass es lange gedauert hat, bis die Gesell schaft beim Umgang mit der Homosexualität klüger gewor den ist. Die §§ 175 und 175 a des Strafgesetzbuchs, die in der Nazizeit verschärft wurden, haben noch 20 Jahre in der Ge schichte der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit gehabt. 20 Jahre! Der dahinterstehende Zeitgeist wird deutlich in ei ner Gesetzesbegründung aus der Ära Adenauer, in der es hieß, wenn man diese Vorschriften aufheben würde, würde dies da zu führen, dass die nähere Umgebung durch eheähnliche Le bensgemeinschaften von homosexuellen Paaren belästigt wer den könnte.
Darüber sind wir weit hinaus. Insofern begrüße ich sehr, dass Sie, Herr Kollege Wolf, jeder Diskriminierung von Lebenspart nerschaften, des Zusammenlebens von gleichgeschlechtlichen Partnern eine Absage erteilt haben.
Ich glaube aber, dass wir inzwischen weiter sind, als dass wir nur zur Kenntnis nehmen, dass es unterschiedliche Positionen gibt; das haben Sie ausgeführt. Ich glaube, dass die stellver tretende Bundesvorsitzende der CDU, Bundesministerin von der Leyen, recht hat mit ihrer Aussage – ich habe das in der Zeitung gelesen; zitiert wurde ein Beitrag von ihr aus einer Debatte im CDU-Bundesvorstand –: Wenn man im großen Fa milienverband zusammensitzt und gleichgeschlechtliche Part ner dabei sind, dann fühlt sich davon niemand belästigt; im Gegenteil, den alten Tanten kommen Tränen in die Augen, wenn sie sagen: „Jetzt hat er auch jemanden gefunden, der ihn liebt, und sie können gut miteinander.“
Deshalb, glauben wir, ist es an der Zeit, dass wir ein Stück weiter gehen können, als Lebenspartnerschaften zuzulassen, bei denen die Menschen zwar die gleichen Pflichten haben, aber nicht die gleichen Rechte wie Ehepartner. Es ist an der Zeit, dass wir den Schritt machen können, zu sagen: Wir wol len Menschen, die Verantwortung füreinander übernehmen, die gleichen Rechte zugestehen und die gleichen Pflichten auf erlegen, wie das bei Mann und Frau der Fall ist.
Häufig wird eingewandt, was auch damals, im Jahr 2002, in der Debatte im Landtag eine Rolle gespielt hat: Wenn man – damals ging es um die Lebenspartnerschaften und das Aus führungsgesetz – das zulässt, dann ist das ein Angriff auf die klassische Ehe – Mann, Frau, Kind. Der Kollege Bebber hat damals dem Kollegen Hillebrand, der für die CDU gespro chen hat, entgegnet: „Wenn das Bundesverfassungsgericht entsprechend entscheidet,“ – das musste damals entscheiden – „dann zwingt Sie niemand, Ihre Ehe aufzugeben; Sie kön nen die Ehe gern genauso weiterführen.“ So wird es natürlich auch sein: Wenn die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ge öffnet wird, dann wird die ganz große Mehrzahl der Menschen nach wie vor die klassische Familie leben wollen: Mann, Frau, Kind oder Mann, Frau. Das ändert nichts. Das ist kein Angriff
Deshalb wäre es natürlich schön, wenn die CDU – Sie haben darauf hingewiesen, Herr Kollege Wolf: die Debatte in der CDU hält an, der Beitrag von Frau von der Leyen zeigt das ja –, nachdem jetzt die Lebenspartnerschaften auch von der CDU akzeptiert sind, ganz im Sinne des Koalitionsvertrags einen Schritt weiter gehen würde und mit uns gemeinsam dafür ein treten würde, dass auch für gleichgeschlechtliche Paare glei che Rechte und gleiche Pflichten vor dem Standesamt gelten, sprich die Ehe Gültigkeit hat.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur gelebten gesellschaftlichen Toleranz gehört für die Freien Demokraten auch die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Fundament un serer Gesellschaft ist die Übernahme dauerhafter Verantwor tung füreinander.
Dennoch habe ich manchmal den Eindruck, dass die gesam te Diskussion etwas zu kurz greift. Ich würde mir wünschen, dass wir in eine breitere Diskussion gehen, nämlich eine Dis kussion über die Situation der Ehe und der Familie insgesamt. Wir sehen, dass wir inzwischen auch in Baden-Württemberg an einem Tiefpunkt bei der Zahl der geschlossenen Ehen an gekommen sind: unter 50 000 Eheschließungen jährlich und inzwischen eine Scheidungsrate von über 40 %. Das zeigt schon, dass wir eine breitere Grundlage für diese Thematik brauchen. Was die Verpartnerung gleichgeschlechtlicher Paa re betrifft, so liegt der Anteil derer, die die Verpartnerung ein gehen, bundesweit bei nur wenigen Prozent. Das gehört, den ke ich, in dieser Diskussion mit dazu.