Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

Ich kann auch nicht verstehen, warum Sie gegen eine Sozial bindung des Eigentums im Naturschutz sind. Selbstverständ lich muss ein Zustandsstörer, Herr Dr. Rapp, handeln, wenn auf seinem Grundstück etwas nicht in Ordnung ist, und selbst verständlich muss es – wie bisher auch im Naturschutzgesetz geregelt – ein Vorkaufsrecht für die Naturschutzbehörden ge ben, wenn z. B. zusammenhängende Gebiete neu geschaffen werden müssen.

Die SPD-Fraktion wird diesem Gesetz selbstverständlich zu stimmen.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU – Abg. Dr. Patrick Rapp CDU unterhält sich mit Minister Alex ander Bonde.)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit – auch bei Ihnen, Herr Dr. Rapp, wenn Sie gerade auch im Zwiegespräch mit dem Herrn Minister sind. Ich bedanke mich dafür, dass Sie zugehört haben, mit einem Wort von Johann Wolfgang von Goethe:

Die Natur versteht keinen Spaß, sie ist immer wahr, im mer ernst, immer strenge, sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Bullinger.

Diese Stille hier drin beim Beginn einer Rede liebe ich. – Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg ist ein wunderbares Land, ein wunderbares Kulturland, und wer, sofern er das Alter schon erreicht hat, in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit offenen Augen durch Baden-Württem berg wanderte oder fuhr, hat gesehen, dass wir in den letzten 20, 30 Jahren enorme Fortschritte gemacht haben. Die Zeiten des Ausräumens sind vorbei. Ich denke an die Flurneuord nung, die damals in den Sechzigerjahren und Siebzigerjahren zu Recht als Flurbereinigung bezeichnet wurde. Ich denke auch an das, was wir teilweise in den neuen Bundesländern erlebt haben: Dort wurden unabhängig von der Topografie

Hunderte von Hektar große Flächen geschaffen. So etwas hat es bei uns Gott sei Dank nie gegeben, und Flurneuordnungen wie damals gehören der Vergangenheit an.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich mich an die ser Stelle, wenn es um die Novellierung dieses Gesetzes geht, ganz herzlich bei denen bedanken, die in den letzten 30 Jah ren für die erreichten enormen Fortschritte beim Naturschutz gesorgt haben. Das sind zunächst einmal diejenigen, die täg lich damit umgehen, das sind die Landwirte, das sind die Forstwirte, das sind aber auch die Verbände, und zwar vor al lem die Verbände vor Ort – nicht die, die die Strategien ent werfen und die Papiere schreiben, sondern die, die vor Ort Na turschutz betreiben, die Pflege betreiben. Bei denen möchte ich mich bedanken; denn wir haben wahnsinnig viel erreicht. Wenn Sie Besuch aus den USA haben und durch Baden-Würt temberg fahren, laufen oder wandern, kommt dieser Besuch aus dem Staunen nicht heraus, wie wunderbar es ist. Es ist richtig, diese Entwicklung fortzuschreiben – aber nicht in die falsche Richtung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Letzte Woche hatten wir – das klang ja schon an – ganz schnell, hoppla hopp, vormittags die erste Lesung, nachmittags die Be ratung im Ausschuss, und heute haben wir die abschließende Beratung.

Meine Damen und Herren, der „Staatsanzeiger“ hat es, glau be ich, sehr deutlich beschrieben: „Land will Spielräume bei Novelle nutzen“. Ich finde es gut, wenn man Spielräume nutzt. Allerdings darf man das Nutzen von Spielräumen nicht ver wechseln mit Draufsatteln, wo es sich nicht gehört, meine Da men und Herren.

An dieser Stelle gleich das Lob – das habe ich auch letzte Wo che schon zum Ausdruck gebracht –, was die Landschaftspfle geverbände, die Landschaftserhaltungsverbände angeht. Es ist gut, was dort gemacht worden ist. Aber es muss mit Leben erfüllt werden, meine Damen und Herren. Ich komme aus dem Landkreis Schwäbisch-Hall, in dem seit fast 20 Jahren alle 30 Gemeinden des Landkreises von Anfang an in diesem Land schaftspflegeverband drin sind und ihn mit Leben erfüllen. Es nützt nichts, wenn in einem Landkreis, der jetzt auch dabei ist, von 35 oder 40 Gemeinden gerade einmal sechs mit Herz blut dabei sind und der Rest nur deshalb mitmacht, weil es halt der Landrat oder sonst jemand will, meine Damen und Herren.

Das heißt für mich: Es ist richtig, aber es fehlt etwas. Mit Recht hat auch der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Landkreistags bedauert, dass die finanzielle Förderung nicht abgesichert ist. Es wäre, glaube ich, ein klares Signal gewe sen, Herr Minister, wenn das der Fall gewesen wäre.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das ist durchgerechnet!)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt: Der Gemein detag und der Landkreistag befürchten allerdings, dass es Mehraufwand gibt. Auch dieser ist nicht abgedeckt worden.

Noch ein weiterer Punkt: Der Gemeindetag hat mit Recht kri tisiert, dass unnötige Vorgaben geschaffen wurden, die vor al

lem die Standards des Bundesnaturschutzgesetzes weit über treffen. Das heißt, es kann durchaus passieren – ich befürch te dies –, dass es zu einer Überregulierung kommt. Da ist der Gemeindetag mit dem Bauernverbandspräsidenten einig: Man rechnet auch damit, dass dadurch zu viel und immer mehr Bü rokratie geschaffen wird. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.

In der Beratung letzte Woche im Ausschuss haben wir unheim lich wichtige Dinge geändert. In Artikel 1 § 45 Absatz 2 wird in Satz 1 nach dem Wort „Naturschutzgebieten“ ein Komma eingefügt. In § 15 Absatz 2 wird in Satz 1 Nummer 31 das Wort „und“ am Ende durch ein Komma ersetzt. Arg viel mehr wurde an dem Gesetz nicht geändert. Das bedeutet: Man muss noch einmal genau schauen, was dieses Gesetz bringt.

Teil 1 werden wir ablehnen, weil wir davon ausgehen, dass die bürokratischen Hindernisse mehr und nicht weniger wer den. Da bin ich anderer Meinung als Sie, meine Damen und Herren. Ich bin auch der Auffassung, dass die vertraglichen Vereinbarungen gut waren und vor allem § 13 des alten Lan desnaturschutzgesetzes sich bewährt hat. Diesen schaffen Sie ab und setzen auf mehr hoheitliches Vorgehen.

Meine Damen und Herren, auch mit Artikel 1 §§ 14 bis 21 können wir leben; da werden wir zustimmen. Ich halte grund sätzlich auch das Thema Alleen für wichtig. Das entspricht auch einem Antrag von uns vom letzten Jahr, weil wir Alleen für sehr bedeutend für die Kulturlandschaft und für die Natur halten.

Weiter werden wir auch einigen anderen Punkten zustimmen, z. B. dem Vorschlag, behindertengerechte Möglichkeiten im Nationalpark zu schaffen. Dass ich und dass wir vom Natio nalpark nichts halten, ist bekannt. Unsere Auffassung ist nach wie vor richtig. Was wir damals gesagt haben, stimmt auch heute noch. Aber wenn man schon einen Nationalpark macht, dann muss man ihn auch behindertengerecht umsetzen. Auch das ist, glaube ich, richtig.

Welche Auswirkungen das neue Gesetz hat, haben wir gera de noch einmal gehört.

Mein Fazit: Auch wenn wir einzelnen sinnvollen Ansätzen zu stimmen werden, wird meine Fraktion dieses Gesetz insge samt ablehnen. Denn es wird in der Summe zu mehr Bürokra tie führen, es wird stärker in das Eigentum eingreifen, es wird von der Freiwilligkeit abgerückt und zu hoheitlichem Natur schutz übergegangen. Das alles, meine Damen und Herren, ist nicht der Weg, den wir brauchen, um in Baden-Württemberg erfolgreich Naturschutz und Standortpolitik betreiben zu kön nen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Landwirtschaftsminister Bonde das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Unser Land hat eine beeindruckende Viel

falt an wunderschönen Naturlandschaften, eine beeindrucken de Vielfalt an Natur, die es zu schützen gilt. In allen Landes teilen bietet die Natur wertvollen Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Wir alle wissen, dass wir hier eine hohe Verantwortung haben, dass das Artensterben nicht ge stoppt ist, dass selbst Arten, die weit verbreitet waren, wie die Feldlerche oder das Rebhuhn, bei uns inzwischen gefährdet sind. Wir alle tragen Verantwortung dafür, dem Rückgang von Arten, dem Rückgang von Lebensräumen entgegenzutreten, nicht nur in unserem eigenen Interesse, nicht nur im Interes se der heutigen Zeit, sondern auch im Interesse zukünftiger Generationen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Diskussion „Na turschutz gegen Wirtschaft“ ist eine falsche Debatte. Das ist eine Debatte, die wir eigentlich seit Jahren und Jahrzehnten überwunden haben. Diese ideologische Position, die versucht, Naturschutz zum Wirtschaftsfeind zu erklären, hat sich über lebt. Sie ist widerlegt. Gerade ein Land wie Baden-Württem berg, das ein erfolgreiches Wirtschaftsland ist, aber auch ein stolzes Flächenland mit Naturschätzen, ist doch der lebende Beweis, dass Ideologie hier fehl am Platz ist, meine sehr ver ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Aber warum machen Sie dann die Ideologie zum politischen Prinzip? – Ge genruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Machen wir doch gar nicht!)

Denn wir wissen, die Vielfalt der Natur ist wesentliche Vor aussetzung für unsere Lebensqualität. Erhalt von Natur, Er halt von Vielfalt ist wesentliche Voraussetzung dafür, erfolg reich mit regionaler Identität leben und wirtschaften zu kön nen. Deshalb gilt es, das zu erhalten, was uns erhält. Es gilt, die Natur zu erhalten. Denn ohne Natur ist der Mensch nichts, meine sehr verehrten Damen und Herren. Natur lädt nicht nur ein zum Bewegen, zum Entspannen, zum Durchatmen. Wir brauchen sie als Lebensgrundlage, und wir brauchen sie in der vollen Vielfalt als Lebensgrundlage in der Forschung, in der Wirtschaft und in vielem mehr. Deshalb lohnt es sich, dafür einzutreten, sich um die Natur zu bemühen.

Es gibt eine Vielzahl von Menschen, die mit großartiger Ar beit dazu beitragen, die sich ehrenamtlich in Verbänden und Vereinen für die Natur engagieren und dort wertvolle Arbeit leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Neben dem breiten gesellschaftlichen Engagement braucht es aber auch einen politischen Rahmen und eine Politik, die be reit ist, den Naturschutz ernst zu nehmen, den Naturschutz umzusetzen und den entsprechenden Rahmen zu schaffen. Das haben wir in dieser Legislaturperiode getan. Das tun wir mit dem Gesetz, das Ihnen heute zur Verabschiedung vorliegt, aber auch mit Bemühungen wie beispielsweise der deutlichen Erhöhung der notwendigen Mittel für den Naturschutz. Wir haben die Mittel dafür in dieser Legislaturperiode mehr als verdoppelt. Wir tun es mit der neuen Naturschutzstrategie, in der wir Handlungsfelder definiert haben und konsequent ab arbeiten, und wir tun es damit, dass das neue Landesnatur schutzgesetz in Baden-Württemberg hier den notwendigen Rahmen gibt.

Mit diesem Gesetz erhält unser Land ein modernes Natur schutzgesetz. Meine sehr verehrten Damen und Herren, heu te ist ein guter Tag für Mensch und Natur in Baden-Württem berg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Gesetz erhält bewährte landesrechtliche Standards. Gleich zeitig entwickelt es den Naturschutz landesspezifisch, zeitge mäß und bürgernah weiter.

Zum ersten Mal gesetzlich verankert werden das Moorschutz konzept und die Stärkung der Landschaftserhaltungsverbän de, die wir in den letzten vier Jahren als zentrales Element des kooperativen Naturschutzes ausgebaut haben. Statt bisher sechs haben wir nun 30 Landschaftserhaltungsverbände. Die Naturparkarbeit wird gestärkt, die Mitwirkungsrechte der an erkannten Naturschutzvereinigungen werden moderat und zeitgemäß ausgebaut, und wichtige Schutzniveaus für unsere Natur werden verankert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, einer der entschei denden Punkte für uns ist: Gentechnisch veränderte Organis men sind nicht nur nicht gewollt von den Verbraucherinnen und Verbrauchern in unserem Land, sondern sie sind auch ei ne potenzielle Bedrohung der natürlichen Vielfalt und unse rer Naturschutzgebiete. Deshalb ziehen wir mit diesem Ge setz einen 3-km-Schutzgürtel um unsere Naturschutzgebiete. Wir schützen hier die besonders schützenswerte Natur vor ei nem Eintrag durch den möglicherweise durch europäische Entscheidungen möglich werdenden Anbau gentechnisch ver änderter Organismen. Mit dieser Entscheidung nutzen wir, das Land, unsere rechtlichen Möglichkeiten als Land voll aus. Zwei Drittel der Landesfläche werden damit vor dem Anbau von gentechnisch veränderten Organismen geschützt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch das ist ein guter Tag für Mensch und Natur.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das Gesetzgebungsverfahren dauert nun schon eine Weile. Dauer und Zeitpunkt der Beratung hier im Landtag waren Er gebnis von Entscheidungen des Präsidiums des Landtags von Baden-Württemberg, die von allen vier Fraktionen getroffen worden sind. Insofern mag jeder wägen, wie treffsicher er hier mit formalen Argumenten gegen dieses Gesetz unterwegs ist.

Ich glaube, entscheidend ist, dass in den Inhalten deutlich wur de, dass dieses Gesetz wichtig ist. Es ist klug abgewogen. Mit diesem Gesetz stärken wir den Naturschutz. Gleichzeitig bau en wir Bürokratie ab. Wir haben das Wünschenswerte mit dem Leistbaren verbunden.

Dieses Gesetz macht auch deutlich, dass wir eine zentrale Ver knüpfung zwischen Ökologie und Ökonomie schaffen. Das ist ein Landesnaturschutzgesetz, das Hand in Hand mit erfolg reichem Wirtschaften geht. Das ist ein Landesnaturschutzge setz, das nicht gegen die Wirtschaft gemacht wird, sondern die Wirtschaft mitnimmt. Deshalb freue ich mich, dass wir hier auch eine große Akzeptanz für dieses Gesetz und für die Naturschutzarbeit erreichen konnten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gesetzent wurf ist ausgewogen und sinnvoll. Er trägt zum Ausgleich al ler – oft auch gegensätzlicher – Interessen bei.

Deshalb bitte ich Sie: Setzen Sie hier ein gesellschaftliches Zeichen für die Modernisierung des Naturschutzrechts in Ba den-Württemberg. Der Naturschutz war in dieser Legislatur periode ein stark umstrittenes Feld. Sie, die Opposition, ha ben hier vielfach auch sehr ideologisch gegen Naturschutz ar gumentiert. Ich erinnere an den Streit um die Einrichtung des Nationalparks oder an den Streit um die notwendige Ökolo gisierung des Jagdrechts. Wenn wir hier jedoch in der Sache argumentieren und diskutieren wollen, müssen wir feststellen, dass sich dieses Gesetz nicht für ideologische Angriffe eignet, wie sie auch heute wieder gemacht wurden. Denken Sie dar über nach, was wirklich gut ist für dieses Land, für die Men schen und die Natur. Wir sind überzeugt: Dieses Gesetz ist wichtig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)