Protokoll der Sitzung vom 18.06.2015

Herzlichen Dank. – Für die Landesregierung darf ich Herrn Minister Bonde ans Re depult bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für die Fra ge.

Die derzeitige Situation auf dem Milchmarkt ist die, dass die Milcherzeugerpreise teilweise unter 30 Cent pro Kilogramm liegen. Die Marktaussichten verheißen hier mittelfristig kei ne positive Entwicklung. Im Gegenteil, weitere Senkungen sind zu befürchten.

Es ist zu befürchten, dass die Milchauszahlungspreise, die ak tuell zu erwarten sind – möglich ist auch ein Absinken unter 30 Cent pro Kilogramm, wie dies in Norddeutschland zum Teil bereits der Fall ist –, nicht nachhaltig sind und dies für die Milchviehbetriebe in Baden-Württemberg eine massive Schwierigkeit darstellt.

Die politische Situation ist die, dass die Entscheidungen hier zu auf europäischer und auf Bundesebene angesiedelt sind. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, dass es zum Ende der Milchquotenregelung nicht zu Problemen auf dem Milchmarkt kommt. Wir sehen die Probleme allerdings allenthalben.

Insofern stellt sich die Frage, was eigentlich passiert wäre, wenn es bei Auslaufen der Milchquotenregelung über die dro hende Superabgabe noch zusätzlich bremsende Marktfakto ren gegeben hätte. Wir befinden uns hier also in einer Situati on, in der man noch gar nicht absehen kann, wie groß der Druck noch werden wird.

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass das derzeitige Sicherheitsnetz nicht ausreicht, um eine Krise im Milchmarkt ohne Strukturbrüche zu überstehen. Bundesregierung und eu ropäische Ebene sind daher gefordert, hier aktiv zu werden und dafür zu sorgen, dass ein Nachfragesog die Märkte wie der ins Lot bringt. Diese Diskussion haben wir schon seit vie len Jahren.

Es ist bekannt, dass Baden-Württemberg gemeinsam mit an deren Bundesländern in den Fachministerkonferenzen seit Langem zum Handeln mahnt. Aktuell haben wir gemeinsam mit anderen Bundesländern ein Gutachten zu Kriseninstru menten im Milchmarkt vorgestellt, das verschiedene Krisen maßnahmen analysiert und Vorschläge zur Weiterentwicklung unterbreitet.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens sind wir auch weiter in der Auseinandersetzung mit der Bundesregierung. Wir sind

der Auffassung, dass der Bund die erneute Krise am Milch markt endlich anerkennen und im Sinne der flächendecken den Milchwirtschaft in Deutschland reagieren muss. Er muss sich auf europäischer Ebene für die Weiterentwicklung der Milchmarktbeobachtungsstelle zum echten Frühwarnsystem einsetzen, damit Branche und Politik rechtzeitig auf Krisen reagieren können. Der Bund muss gemeinsam mit Milcher zeugern, Molkereien, Wissenschaft und den Bundesländern die Entwicklung neuer Kriseninstrumente, insbesondere auch zur Mengenreduzierung, vorantreiben und auf europäischer Ebene einbringen.

Nicht zuletzt muss die europäische Ebene für eine Weiterent wicklung der vorhandenen Kriseninstrumente und dabei ins besondere für eine Anhebung der Interventionspreise gewon nen werden. Gemeinsam mit anderen Bundesländern muss hier weiter das Maßnahmenpaket zur Zukunftssicherung für die bäuerliche Milcherzeugung vorangetrieben werden.

Das sind die Eckpunkte, die das Gutachten bestätigt und die wir auch gemeinsam mit anderen Bundesländern erneut in die Agrarministerkonferenz einbringen werden. Gemeinsam mit dem Milchindustrieverband sind wir in dieser Frage auch be reits in Brüssel mit einer Veranstaltung aktiv geworden. Auf einer Fachtagung haben wir u. a. gemeinsam mit dem Abge ordneten Dantin aus dem Europäischen Parlament und ver schiedenen Vertretern der Wissenschaft und der Branche das Thema vorangebracht.

In dem Rahmen, den das Land setzen kann, haben wir den Wechsel der Agrarförderperiode genutzt, um einen Schwer punkt auf die Grünlandwirtschaft zu legen, also um genau im Rahmen der Agrarförderung des Landes auch die Milcherzeu ger zu stützen. Sie kennen die Programme, das Förderpro gramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl ebenso wie das Agrarinvestitionsförderungsprogramm, die Aus gleichszulage Landwirtschaft für benachteiligte Gebiete und die Marktstrukturverbesserung. Die Impulse, die wir hier set zen konnten, um die Milchwirtschaft zu stabilisieren, haben wir also gesetzt.

Zu Ihrer zweiten Frage, der Frage nach den Forderungen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter: Ich will erneut auf das Gutachten verweisen, das wir am Freitag vorgestellt haben. Wir sind uns mit dem BDM einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die Milchmarktinstrumente der Eu ropäischen Union, die bei schweren Marktkrisen staatliches Eingreifen in den Markt erlauben, sind auszubauen und zu op timieren. Entscheidend sind die Verfügbarkeit zeitnaher und umfassender Marktinformationen und Markttransparenz im Milchsektor. Insofern teilen wir den Ansatzpunkt, die EUMarktbeobachtungsstelle, ein effizientes Frühwarnsystem, auszubauen.

Das im Marktverantwortungsprogramm des BDM enthaltene Frühwarnsystem ist aus unserer Sicht dabei ein geeigneter An satz, der um mehrere Frühwarnindizes, z. B. einen europäi schen Rohstoffwert Milch und andere, ergänzt werden sollte.

Zur Frage nach den Kriseninstrumenten: Wir glauben, dass wir hier dringend Maßnahmen brauchen, um bei temporären Krisen einen weiteren Preisverfall auch unter Interventions niveau verhindern zu können. Wir sehen hier Handlungsbe darf. Das vor über zehn Jahren festgelegte Niveau muss an die

Entwicklung der Kostenstrukturen angepasst und moderat an gehoben werden, ohne jedoch über die Intervention zusätzli che Produktionsanreize zu schaffen. Die private Lagerhaltung von Milchprodukten sehen wir als ein weiteres Instrument an, das gestärkt und weiterentwickelt werden sollte. Auch dabei wird es darauf ankommen, unerwünschte Mitnahmeeffekte auszuschließen, ohne die beabsichtigte Marktwirkung zu mi nimieren.

Intervention ist allerdings – das wissen wir – nur für kurze Krisen geeignet; denn hohe Lagerbestände belasten bei Aus lagerung sowohl die dringend notwendige Markt- und Erzeu gerpreiserholung als auch die öffentlichen Haushalte.

Sie wissen, dass wir Exporterstattungen als Kriseninstrument ablehnen. Sie stellen auch vor dem Hintergrund der WTOVerhandlungen ein Auslaufmodell dar und können die Ent wicklung der Land- und Ernährungswirtschaft nicht dauerhaft nachhaltig gestalten.

Insofern sind wir hier mitten in der europäischen Diskussion, zu der wir, das Land, uns positioniert haben. Das Gutachten ist umfangreicher, als ich es hier darstellen kann, aber ich glaube, Sie haben hier einen Eindruck davon bekommen, wo wir uns weiter in der bundes- und europapolitischen Diskus sion einbringen wollen.

Es liegt eine Zusatzfra ge des Herrn Abg. Rombach vor.

Herr Minister, Sie zitierten ver schiedentlich aus dem mit anderen Länderministerkollegen in Auftrag gegebenen Gutachten. Wäre es möglich, dass das Gut achten dem Landtag oder zumindest dem zuständigen Aus schuss zur Verfügung gestellt wird?

Sie hatten in der Pressemitteilung vom 12. Juni zusammen mit den anderen Ministerinnen und Ministern u. a. auch eine stär kere Finanzausstattung durch den Bund und darüber hinaus eine Stärkung der zweiten Säule erwartet. Grundsätzlich freue ich mich, dass Sie und die anderen Ministerinnen und Minis ter die bäuerlichen landwirtschaftlichen Betriebe aus meiner Sicht erstmals in Gänze stärker in den Fokus nehmen. Die Möglichkeit, die zweite Säule zu stärken, haben Sie im Land.

Meine Frage lautet – beruhend auf meiner Erfahrung und Be rechnungen vor Ort, die aufgrund der Antragstellung vorlie gen –: Gibt es Veränderungen in den Auswirkungen der zwei ten Säule auf die nachhaltig wirtschaftenden Betriebe, spezi ell auf diesen Wirtschaftskreis, den Sie heute – vielen Dank dafür – bezüglich der politischen Forderung gegenüber dem Bund im Fokus haben? Im Ergebnis wird es ein zweistelliges Minus in der zweiten Säule geben. Die endgültigen Ergebnis se werden im Herbst vorliegen. Wie gedenken Sie in Ihrer po litischen Verantwortung zur Stärkung der zweiten Säule in Ba den-Württemberg darauf zu antworten?

Herzlichen Dank für die Frage. – In der Tat setzen wir uns in dem Gutachten sowie in der Pressemit teilung der Länder Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, BadenWürttemberg, Schleswig-Holstein, Hessen und NordrheinWestfalen auch dafür ein, die Handlungsmöglichkeiten der zweiten Säule weiter zu stärken. Das Gutachten – es ist ins In

ternet eingestellt – werden wir dem Ausschuss selbstverständ lich zukommen lassen. Sie werden es in den nächsten Tagen gern von uns zugeleitet bekommen.

In der Frage der zweiten Säule sind wir uns allerdings nicht einig. Ich will schon noch einmal deutlich sagen, dass wir die zweite Säule in Baden-Württemberg gestärkt haben. In den Verhandlungen über die Verteilung der europäischen Mittel ist es ja gelungen, zu erreichen, dass Baden-Württemberg mehr Mittel für die zweite Säule zur Verfügung hat, als das für die letzte Förderperiode der Europäischen Union der Fall war. Insofern sind wir mit unseren Programmen der zweiten Säule, sowohl was europäische Mittel angeht als auch was den Einsatz von Landesmitteln angeht, besser ausgestattet, als das zu Beginn der vorherigen Förderperiode der Fall war.

Es gibt Veränderungen über die europäische Rahmensetzung, die auch zu einer Veränderung der konkreten Programmange bote führen. Ich kann aber nicht bestätigen, dass hier weniger Geld für die Betriebe in der Landwirtschaft zur Verfügung ste hen würde. Das Spektrum hat sich etwas verschoben, aber ins gesamt investieren sowohl die Europäische Union als auch das Land Baden-Württemberg mehr in der zweiten Säule, mehr im Bereich der Agrarumweltmaßnahmen und schaffen damit konkrete Angebote für die Landwirte. Ich hatte es aus geführt: Insbesondere der Bereich Grünland profitiert von die sen Verbesserungen, was der Teil an Unterstützung der Milch viehwirtschaft ist, den wir, das Land, über die Ausgestaltung der Programme gewähren können.

Es liegt eine Zusatzfra ge des Herrn Abg. Reusch-Frey vor.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrter Herr Minister Bonde, meine Damen und Herren! Die Produktionsmenge ist die eine Sache, die andere Sache sind die Märkte. Wir haben zwei Stellen, an denen sich etwas zuungunsten der Milchwirtschaft entwickelt: Das ist zum einen der Markt in China, zum anderen ist es die Boy kottmaßnahme gegen Russland. Jetzt ist meine Frage: Gibt es schon Zahlen und Berechnungen, wie sich das auf BadenWürttemberg auswirkt? Das ist der eine Teil der Frage.

Der andere Teil der Frage lautet: Es geht um die Existenz grundlage der Milchwirtschaft. Wo sehen Sie den Mindest preis, den die Bauern in Baden-Württemberg brauchen, damit sie ihre Existenzgrundlage weiterhin erhalten können?

Herzlichen Dank für die Frage. – Natür lich haben wir Daten zum Milchmarkt. Es ist allerdings sehr schwierig, was die Exportlage angeht, konkrete Länderzahlen zu nennen. In der Regel sind die Statistiken, die uns für die Marktentwicklung insbesondere im Export vorliegen, auf das gesamte Bundesgebiet ausgelegt. Wir sehen natürlich, dass der Milchmarkt insgesamt im Moment weltweit in Bewegung ist. Gerade wenn man sich Exportzahlen anschaut, erkennt man, dass in China aktuell Kaufzurückhaltung herrscht, zum Teil deutliche Marktrückgänge zu verzeichnen sind. Aber auch auf dem russischen Markt, beispielsweise im Käsebereich, gibt es einen Rückgang von 61 %. Daran sieht man, dass auch die internationale Marktlage zusätzlichen Druck auf den Markt und auf die Erzeugerinnen und Erzeuger in unserem Land ausübt.

Insofern ist es weiter wichtig, die vorher genannten Stabili sierungsmechanismen auch im Bereich der Mengensteuerung zu unterlegen, aber natürlich auch durch angepasste Strategi en, was die Stabilisierung regionaler Märkte angeht, also Sta bilisierung der Wertschöpfungsketten im eigenen Markt, so wie weitere Schritte, was Veredelung und Ähnliches angeht, zu unterstreichen.

Es ist jetzt immer eine Frage, was ein auskömmlicher Preis ist. Ich will an dieser Stelle schon sagen: Das ist natürlich auch von Hofstruktur zu Hofstruktur unterschiedlich, so wie es auch unterschiedliche Auszahlungspreise bei den Molkereien gibt, sowohl innerhalb des Landes als auch im bundesweiten Vergleich, wo die baden-württembergischen Molkereien ak tuell noch bessere Auszahlungspreise erwirtschaften können, als es in Norddeutschland der Fall ist. Klar ist, dass die Schwelle von 30 Cent pro Kilogramm, die wir gerade haben bzw. die in Deutschland in Teilen unterschritten wird, sich für die wenigsten Betriebe als nachhaltig finanziell auskömmlich darstellt und wir insofern hier schon einen massiven Druck bei den Betrieben haben.

Es liegt eine Zusatzfra ge von Herrn Abg. Dr. Bullinger vor.

Herr Minister, bei der „Grünen Woche“, bei den Demonstrationen, an denen auch Sie teilweise teilnehmen, lautet eine Forderung des BDM und der AbL immer: freiwillige Mengenbegrenzung. Konkret: Hal ten Sie die Vorschläge von BDM und AbL zur freiwilligen Mengenbegrenzung – zum Teil auf Molkereiebene – für rea listisch und rechtlich umsetzbar, wohl wissend, dass die Spre cher und die Funktionäre häufig zu denen gehören, die die höchsten Überlieferungen bei guten Preisen in den Molkerei en letztlich mitverursachen?

Im bereits mehrfach genannten Gutach ten beschäftigen wir uns auch sehr intensiv mit den von Ihnen genannten Modellen. Wir sind der Auffassung, dass es Instru mentarien dieser Art auf der europäischen Ebene bedarf. Aber man muss sie sehr genau anlegen. Auch gibt es hier in Teilbe reichen noch einen dringenden Forschungsbedarf. Ich lasse Ihnen aber, wie gesagt, das Gutachten gern zukommen. Nach der Lektüre können wir uns dann über diese Frage gern wei ter auseinandersetzen.

Der Weg ist grundsätzlich richtig. Der Gutachter beschreibt hier allerdings auch Punkte, auf die in der weiteren Ausgestal tung auf der europäischen Ebene sehr genau geschaut werden muss, um nicht auch marktverzerrende Elemente zu bekom men, die das Gegenteil bewirken können.

Herzlichen Dank. – Ei ne weitere Zusatzfrage, Herr Abg. Dr. Bullinger.

Herr Minister, hal ten Sie den Vorschlag der grünen Europaabgeordneten Maria Heubach

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Heubuch!)

Heubuch, ja; das ist ein u, richtig; deshalb ist der Inhalt nicht besser, ob Heubach oder Heubuch –, den diese am „Tag der Milch“ für sogenannte faire Preise vor allem in Richtung Ab

kehr vom Export gemacht hat, für realistisch, vor allem für zielführend?

Ich kenne das genaue Zitat, auf das Sie anspielen, nicht. Ich bin allerdings mit der Kollegin Heubuch sehr einig, dass eine Exportunterstützung, eine Rückkehr zum System von Exportsubventionen ausdrücklich der falsche Weg wäre. Wir sehen auch an der Volatilität der Märkte, dass hier zusätzliche Eingriffe in Form von Subventionen die Marktsi tuation bei uns nicht verbessern würden.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das war doch eine der größ ten Demonstrantinnen damals! Daran kann ich mich noch gut erinnern!)

Insofern: Exportsubventionen machen wir nicht mit.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Späte Erkennt nis!)

Ich weiß nicht, ob der Kollege Hauk dafür ist. Wir waren noch nie für Exportsubventionen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber Frau Heubuch garan tiert!)

Andere haben hier andere Positionen. Deren Umsetzung hät te schwierige Auswirkungen auf den Märkten weltweit und wenig positive Auswirkungen auf die europäische Milchwirt schaft.

Insgesamt brauchen wir, wie ich vorhin gesagt habe, auch ei ne Stärkung der eigenen Märkte. Weitere Veredelungsschrit te bieten auch Perspektiven für Betriebe. Die Abhängigkeit vom Exportmarkt bringt einerseits Marktchancen mit sich, be inhaltet andererseits aber auch Risiken. Das sehen wir an der Marktentwicklung, wie wir sie im Moment erleben.