Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Frau Abg. Grünstein das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Als ich den Titel der Aktuellen Debatte gelesen habe, dachte ich: Die FDP/DVP schaut einfach zu viele Krimis.

(Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Echte Krimis!)

„Das Integrationsministerium im Visier des Rechnungshofs“ – das hört sich richtig spannend an. Bis gestern Nachmittag hatten wir dieses Papier – der Kollege Glück hat darauf hin gewiesen – noch gar nicht in Händen und wussten auch nicht,

was darin steht. Wahrscheinlich haben die sieben Personen der Fraktion der FDP/DVP um die Glaskugel herum gesessen und in die Zukunft geschaut.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Zeitung gelesen!)

Wenn wir genau hinsehen, müssen wir erkennen, dass dieses Integrationsministerium genau zum richtigen Zeitpunkt ein gerichtet worden ist.

(Zuruf von der FDP/DVP: Warum?)

Andere Länder schauen voller Respekt auf Baden-Württem berg, weil wir etwas geschaffen haben, was sie gern hätten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen bei der CDU – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich bin sehr oft mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Länder zusammen, die dieses Thema bearbeiten, und weiß das daher. Niemand streitet ab, dass dieses Integrationsministeri um Querschnittsaufgaben zu bewältigen hat.

Glauben Sie aber nicht auch, dass es mehr als sinnvoll ist, zu versuchen, diese verschiedenen Aufgaben zu bündeln und nicht wie früher in allen möglichen verschiedenen Ressorts unterzubringen? Glauben Sie nicht auch, dass sich die Men schen eine Ministerin als Ansprechpartnerin wünschen? Wie wäre wohl die Reaktion gewesen, wenn statt Frau Ministerin Öney und Herrn Ministerialdirektor Professor Hammann Herr Storr

(Abg. Winfried Mack CDU: Stoch?)

Herr Storr; ich weiß nicht, was Ihr Ohrenarzt dazu sagt – als Verantwortlicher für den Integrationsbereich durchs Land ge reist wäre und bei den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Kommunen dafür geworben hätte, Wohnraum zur Verfügung zu stellen? Das Ergebnis wäre sicherlich nicht so großartig ge wesen, wie es jetzt ist. Dass es nicht reicht, liegt nicht am In tegrationsministerium.

Nein, meine Herren von der FDP/DVP, kommen Sie mir jetzt nicht mit „Damals ging es ja auch“. Die Zahlen sprechen ei ne sehr deutliche Sprache. Im Jahr 2004 – im ganzen Jahr – haben wir in diesem Land 4 601 Zugänge gehabt. Im Jahr 2008 waren es 2 448, im Jahr 2010 4 753, und jetzt allein im letzten Monat – in einem Monat, sprich in vier Wochen – wa ren es schon 4 909 Menschen, die bei uns Asyl gesucht haben. Wie gesagt: in einem Monat.

Da stellen Sie allen Ernstes die Legitimität dieses Hauses in frage?

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Das macht doch die Ministerin selbst auch!)

Ich kann nur alle Hüte, die ich je hatte, vor den Mitarbeiterin nen und Mitarbeitern ziehen. Das, was da geschafft wird, wel chen Einsatz jede und jeder Einzelne bringt und was da um gesetzt wird, das, meine Herren von der FDP/DVP, ist bewun derungswürdig und großartig.

Ich könnte Ihnen jetzt seitenlang vorlesen, was in diesem Mi nisterium bereits erreicht wurde, vorlesen, was anders, was besser geworden ist. Aber Sie tun ja auch nur so, als wüssten Sie von gar nichts. Ich denke, das wissen Sie sehr genau.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Es kommt doch nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter an, son dern darauf, was diese leisten und mit ihrer Arbeit erreichen. Kennen Sie so etwas nicht in Ihrer eigenen Fraktion? Ich weiß nicht, Sie haben vielleicht mehr Mitarbeiter, also mehr India ner als Häuptlinge, aber im Großen und Ganzen ist das auch überschaubar. Würden Sie sagen, ihre Arbeit ist nicht gut? Ich meine, von Ihrer Sicht aus.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir z. B. auch kein Umweltministerium. In Anbetracht der Sachlage, die wir in diesem Land und weltweit haben, wäre das eine unvorstellba re Angelegenheit.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Was wird eigentlich wirklich kritisiert? Kritisiert wird die pau schale Förderung der Stadt- und Landkreise, eine Idee, die CDU und FDP/DVP für eine erfolgreiche Integrationspolitik gehalten haben, und dies ohne Nachweis der Förderungser folge. Unsere Förderungspolitik setzt auf inhaltliche Schwer punkte und eine eigene Verwaltungsvorschrift.

Weiter wird kritisiert, dass es einzelne Doppelförderungen gibt. Auch hier liegt der Schwarze Peter bei Ihnen. Das ist un ter Ihrer Ägide entstanden. Wir setzen auch hier auf den Aus bau und den Umbau von Integrationsstrukturen.

Auch die Diskussion, ob Stabsstelle oder Ministerium, fällt angesichts der hier gegebenen Querschnittsaufgaben zurück. Wer Querschnittsaufgaben Stabsstellen zuweist, steht für ei ne Verknappung von Personalressourcen und gewollte Ineffi zienz.

Für uns ist klar: Die Schaffung des Ministeriums war gold richtig, und diese Entscheidung war für die Zukunft absolut notwendig.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen)

Denn Integration ist heute ein Zukunftsthema.

Wie sieht es mit den Ressourcen von Fachkräften in vielen Bereichen aus? Das Integrationsministerium etabliert eine Willkommenskultur, die greift. Das können Sie an den hohen Zahlen der Einbürgerungen ersehen.

Darf ich einen Kommentar aus der „Rhein-Neckar-Zeitung“ von Herrn Sören Sgries vorlesen? Er schreibt:

Die Kritik des Landesrechnungshofs ist aus Buchhalter sicht absolut gerechtfertigt.

Jetzt freuen Sie sich nicht zu früh, meine Herren.

Aber nur aus dieser. Nicht eingepreist wird nämlich die politische Dimension. Und die bringt gerade beim Integ rationsministerium echten Mehrwert. Bilkay Öney steht

trotz Miniressort für eine baden-württembergische Will kommenskultur. Kein Luxus angesichts der anschwellen den Flüchtlingszahlen, sondern bitter nötig. Der Innen minister, in dessen Haus bereits heute zentrale Aufgaben der Asylpolitik zusammenlaufen, könnte eventuell Teile übernehmen. Ein vergleichbares Ansehen bei den Zuwan derern kann er aber nicht erlangen, denn er steht auch für die notwendige Abschiebungspolitik. Eine Abschaf fung des Ministeriums

ich zitiere weiter –

in diesen Zeiten wäre ein Fehler, weil es ein vollkommen falsches Signal setzte.

So weit der Kommentar. Ich füge hinzu: Die Zeiten, in denen Integrationspolitik von Stabsstellen gemacht wird, sind vor bei.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Öney das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie mit der heutigen Diskussion die Aufmerksamkeit auf das Integrationsministerium und vor allem auch auf die Integrati onspolitik lenken. Zwar wollte der Rechnungshof seine Denk schrift erst am 22. Juli vorstellen, aber offenbar hat er es sich anders überlegt und den Teil zum Integrationsministerium be reits gestern veröffentlicht. Nun gut, sei’s drum. Eine Debat te über die Bedeutung von Integrationspolitik schadet ja nicht.

Von Anfang an gab es ein sehr reges Interesse an unserer Ar beit. Dazu haben wir unzählige Landtagsanfragen beantwor tet. Insbesondere in den Antworten auf drei Große Anfragen haben wir unsere Arbeit und unsere Konzepte detailliert vor gestellt. Aber das muss man natürlich auch lesen wollen.

Ich erkläre dennoch gern noch einmal, warum es richtig ist, in dem Flächenland mit dem höchsten Migrantenanteil ein ei genständiges Integrationsministerium zu haben, das Integra tionspolitik gestaltet.

Deutschland ist ein beliebtes Zielland für Zuwanderer. Das ist zunächst einmal positiv. Das sehen zwar nicht alle so, aber es zeugt von der Lebensqualität in unserem Land, und die Wirt schaft freut sich, weil sie auf Zuwanderer angewiesen ist. Es reicht aber nicht aus, dass wir uns zufrieden zurücklehnen. In tegration ist nämlich kein Selbstläufer.

Die Zuwanderer müssen sich anstrengen, und wir, das Land, müssen uns auch anstrengen, um gute Voraussetzungen für Wohlstand und Wachstum, für ein friedliches Zusammenle ben und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu schaffen. Das gelingt besser, wenn sich ein eigenständiges Ministerium darum kümmert, wenn eine Ministerin das Recht auf eigene Gesetzesinitiativen hat und nutzt und wenn dieses Ministeri um auch ein eigenes Budget hat, wenn Integration für Zuwan derer, aber auch für die Einheimischen mit einem Gesicht ver bunden ist. Hinzu kommen die großen Herausforderungen, die mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbunden sind.

Gäbe es das Integrationsministerium nicht, müsste man spä testens jetzt eines einrichten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Schon die reine Unterbringung der Flüchtlinge ist eine Her kulesaufgabe. Es geht aber darüber hinaus auch darum, dass wir für die Integration von Flüchtlingen sorgen, dass wir Ver fahren optimieren, dass wir bundespolitische Impulse setzen. Ich höre doch an den Landesgrenzen von Baden-Württemberg nicht auf zu denken. Ich setze mich auch ernsthaft und sach lich mit den Vorbehalten und Ängsten der Bevölkerung aus einander. Wenn es z. B. um neue Aufnahmeeinrichtungen geht, dann gehe ich auch persönlich zu den Bürgerversammlungen. Die Taskforce, von der Sie sprechen, organisieren im Notfall THW und Feuerwehr, damit, falls es notwendig wird, Feld betten aufgestellt werden. Die anderen Dinge machen wir.