Wir anerkennen die Arbeit des Integrationsministerium, wir anerkennen die konzeptionelle Arbeit. Die Kollegin hat vor hin schon die kommunale Integrationsförderung angespro chen. Dort räumen wir immer noch Fehlentwicklungen aus Ihrer Regierungszeit auf.
Darauf bezieht sich auch der Bericht des Rechnungshofs, der sich mit den Jahren 2013 und 2014 auseinandergesetzt hat. Das sind noch Entwicklungen aus Ihrer Regierungszeit, die inzwischen abgestellt sind. Da haben die Ministerin und ihr Haus gute Arbeit geleistet.
Wir sind dabei, bei der Flüchtlingspolitik konzeptionell zu ar beiten. Seit dem Flüchtlingsgipfel im vergangenen Jahr haben wir ein Konzept. Wir haben seit Mai, seit der neuen Schätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, mit einer Ver dopplung der Flüchtlingszahlen, die wir für dieses Jahr zu er warten haben, eine neue Entwicklung, auf die wir mit einem neuen Flüchtlingsgipfel Ende des Monats reagieren.
Außerdem haben wir ein ganz klares Programm zur Einglie derung in den Arbeitsmarkt, zur Sprachförderung von Flücht lingen, das entsprechend abgestimmt worden ist – auch mit dem Rechnungshof. Deshalb können wir, glaube ich, an die ser Stelle einen Haken machen. Das Programm „Chancen ge stalten“ wird die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge ent scheidend voranbringen. Damit steigt das Land an der Stelle ein, an der von Ihnen in der damaligen Bundesregierung trotz Kanzlerinnengipfel leider nur sehr wenig zu sehen war.
Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Aktuelle Debatte – Familien stärken – Verantwortung und Beistand unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angele genheiten der Gesundheitsvorsorge – beantragt von der Fraktion der SPD
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein 42-jähriger Familienvater hat auf dem Rückweg von sei nem Arbeitsort zu seiner Familie einen folgenschweren Ver kehrsunfall. Er wird in das nahe gelegene Uniklinikum einge liefert und liegt mit schwersten Verletzungen mit ungewissem Ausgang im Koma. Seine 38-jährige Ehefrau muss dringen de Entscheidungen rund um seine Gesundheit und sein Leben treffen.
Sie hat aber ein Problem: Sie und ihr Mann haben über die sen Ernstfall noch nicht nachgedacht. Wer macht das in die sem Alter auch schon gern? Sie haben sich gegenseitig keine Vorsorgevollmacht erteilt. Neben der großen Sorge um ihren schwer verletzten Ehemann und der Frage, wie es überhaupt weitergehen soll, bedarf es in dieser Situation auch noch ei nes gerichtlichen Verfahrens, damit sie ihren Mann, und zwar in seinem Sinn, gegenüber den Ärzten und Versicherungen wirksam vertreten kann.
Meine Damen und Herren, ein schicksalhafter Einzelfall? Ich glaube nicht. Jeder von uns kennt entweder aus eigener Er fahrung oder von nahestehenden Freunden, Verwandten die ses Problem.
Ich glaube, diese Aktuelle Debatte wird sich sicherlich nicht dadurch auszeichnen, dass es einen großen politischen, span nenden Schlagabtausch gibt. Es ist aber auch Aufgabe dieses Parlaments, über Probleme, die jeden Menschen in BadenWürttemberg angehen, zu diskutieren, Lösungen aufzuzeigen und auch aufzuklären.
Meine Damen und Herren, deshalb möchte ich diese von mei ner Fraktion beantragte Aktuelle Debatte ausdrücklich auch dazu nutzen, zunächst noch einmal eindringlich für den Ab schluss einer Vorsorgevollmacht zu werben, und zwar unab
hängig vom Alter. Mit einer Vorsorgevollmacht kann jeder da für sorgen, dass seine Vertrauensperson die erforderlichen Ent scheidungen trifft, wenn er selbst wegen Krankheit, Alter oder eines Unfalls nicht mehr in der Lage ist, zu handeln.
Meine Damen und Herren, die Zahlen zeigen, dass Appelle allein nicht ausreichen. Am 31. Dezember 2014 waren im Zen tralen Vorsorgeregister insgesamt 2 648 931 Vorsorgeurkun den eingetragen, und das bei einer Bevölkerung von rund 81 Millionen in der Bundesrepublik Deutschland – das ent spricht ca. 3,27 % –, bei knapp 17,8 Millionen geschlossenen Ehen und rund 35 000 eingetragenen Lebenspartnerschaften. Daneben existieren natürlich die Vorsorgevollmachten, die nicht eingetragen sind. Wie wir aber alle wissen, gibt es zu wenige Vorsorgevollmachten.
Deshalb hoffe ich sehr, dass die Initiative unseres Justizmi nisters Rainer Stickelberger, die auf der Justizministerkonfe renz, die kürzlich hier in Stuttgart stattgefunden hat, mit 16 : 0 Stimmen angenommen worden ist, auch die Unterstützung des gesamten Hauses findet, meine Damen und Herren.
Der Vorschlag sieht vor, dass bei nicht getrennt lebenden Ehe gatten und eingetragenen Lebenspartnern für den Fall der not wendigen Gesundheitsvorsorge von einer Vertretungsbefug nis ausgegangen wird, auch wenn keine ausdrückliche Vor sorgevollmacht vorliegt.
So wäre es künftig möglich, dass der gesunde Ehegatte oder Lebenspartner nach einem Unfall oder einem Schlaganfall auch bei Fehlen einer Vorsorgevollmacht schnell und ohne aufwendiges gerichtliches Betreuungsverfahren für seinen Partner die dringend anstehenden Entscheidungen in Gesund heitsfragen treffen kann. Wie wir alle wissen, gibt es in sol chen schwierigen Situationen genügend Dinge, die zu erledi gen sind. Wenn man sich dann auch noch mit einer gerichtli chen Entscheidung beschäftigen muss, ist dies eine zusätzli che Belastung für den Ehegatten oder die Ehegattin bzw. den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir hier im Landtag diesen aus meiner Sicht sehr guten Vorschlag des Justizministers un terstützen und damit den Menschen nicht nur in Baden-Würt temberg, sondern in der Bundesrepublik Deutschland helfen, ein Problem zu lösen. Denn wir sollten mangels einer ausrei chenden Anzahl von Vorsorgevollmachten handeln.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Das Betreuungsrecht ist nicht nur rechtlich eine schwere Materie, auch menschlich braucht man sehr viel Gefühl bei diesem Thema. Es ist Bundesrecht. Entschieden wird also im Deutschen Bundestag und nicht im Landtag von Baden-Württemberg.
Unsere Fraktion möchte aber die Probleme möglichst im Kon sens lösen. Wir finden, dass der Vorstoß der Bundesländer ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Meine Damen und Herren, im deutschen Recht besteht nach der Gesetzeslage zwischen volljährigen Angehörigen kein Vertretungsrecht. Für die Ehegatten ist es auf die Schlüssel gewalt beschränkt. Das wissen die meisten Leute wahrschein lich gar nicht. Lieber Kollege Binder, wie Sie gesagt haben, ist dies ein ganz schwieriges Thema. Meist kommt ein böses Erwachen, wenn man vor dieser Situation steht.
Eine Vertretung im Vorsorgefall ist nur aufgrund einer Voll macht, der sogenannten Vorsorgevollmacht, und, wenn diese nicht besteht, aufgrund einer gerichtlichen Anordnung der Be treuung möglich. Herr Binder, wie Sie vorhin klar gesagt ha ben, gibt es nur etwa zwei Millionen Vorsorgevollmachten bei 81 Millionen Bundesbürgern. Das ist sehr wenig.
Deshalb müssen wir, die wir in der Politik tätig sind, für die Vorsorgevollmacht werben. Das ist ein ganz wichtiges The ma. Man tut sich dann leichter. Aus dem familiären Bereich kann ich sagen: Auch wenn man eine Vorsorgevollmacht hat, fällt es noch schwer, Entscheidungen zu treffen. Das habe ich mehrfach im familiären Umfeld erlebt. Man tut sich dann aber doch leichter, als wenn gar nichts vorhanden ist. Man ist ziem lich hilflos, wenn nichts vorhanden ist.
Meine Damen und Herren, man muss eines sehen: Das The ma wird nicht einfacher. Wir haben eine alternde Gesellschaft. Es gibt immer mehr alte, kranke, demente Menschen, die nicht mehr selbst entscheiden können. Dieses Thema wird also mas siv auf uns zukommen.
Man muss aber natürlich auch sehen, dass der gesetzliche Vor stoß, der jetzt kommt, lieber Herr Justizminister, in gewisser Weise schon eine charmante Lösung ist: Für den Fall, dass nichts vorhanden ist, kann man mittels Gesetzen etwas regeln. Da gibt es aber natürlich viele Probleme. Man muss selbst verständlich auch die Rechte des Betreuten wahren. Auch das ist ein ganz wichtiges Thema.
Es gibt sehr viele Fragestellungen, die man klären muss. Bis her hat man es im Deutschen Bundestag noch nicht geschafft, diesbezügliche Gesetze hinzubekommen. Es gab zwar einmal den Entwurf eines Betreuungsrechtsänderungsgesetzes. Den hat man dann aber nicht mehr weiterverfolgt. Man hat gesagt: Nein, wir wollen der Vorsorgevollmacht den Vorrang geben.
In Österreich ist dies ganz anders geregelt. Dort besteht eine beschränkte Vertretungsbefugnis von Angehörigen aufgrund eines notariell registrierten ärztlichen Zeugnisses der Ge schäftsunfähigkeit. Das ist eine Lösung, die gar nicht so ganz schlecht ist.
Wir müssen sehr viele wichtige Dinge klären. Wann beginnt bzw. endet die gesetzliche Betreuung? Wie ist der zeitliche Umfang? Wie ist der sachliche Umfang? Schafft man eine Ge neralvollmacht? Wie verhält es sich bei Kindern? Können auch Kinder diese Aufgabe übernehmen? Meine Damen und Herren, eine ganz interessante Fragestellung ist: Was ist ei gentlich bei Ehegatten, die in Trennung leben? Wie Sie sehen, sind dies alles sehr schwierige Fragen.
Derzeit ist im Koalitionsvertrag im Bund zwischen CDU/CSU und SPD nichts zu diesem Thema vorgesehen. Ich weiß auch nicht, was der Bundesjustizminister – Herr Binder, Ihr Partei kollege – zu diesem Thema sagt. Dazu habe ich bisher noch nichts gehört. Das wird jetzt nach der Initiative der Länder aber sicher kommen.
Wir sind also noch weit weg von einem Gesetz. Ich glaube aber, wir sollten uns nicht entmutigen lassen. Die CDU-Frak tion wird sehr konstruktiv mitarbeiten und bietet Ihnen die Zu sammenarbeit an.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion GRÜNE begrüßt ausdrücklich den Beschluss der diesjährigen Justizministerkonferenz zur Stär kung der Beistandsmöglichkeiten der Ehegatten und der ein getragenen Lebenspartner – dieser etwas sperrige Begriff wä re vielleicht etwas leichter, wenn man die Ehe für alle tatsäch lich umsetzen würde; dies jedoch nur als kleiner Einschub in diesem Bereich.
Gesundheit und Pflege in einer älter werdenden Gesellschaft sind bedeutende gesellschaftliche Themen, und hier liegt ein besonderes Augenmerk der Politik. Die Medizin macht im mer weitere Fortschritte, und man kommt in Grenzbereiche, die man auch ethisch zu verantworten hat. Welche lebenser haltenden Maßnahmen sind sinnvoll, welche nicht? Wie kann man Leid lindern? Das sind Fragen, die alle beschäftigen, hier im Haus und natürlich auch in der gesamten Gesellschaft.
Stichwort Demenz – von meinem Kollegen Hitzler wurde es auch erwähnt –: In Gesprächen mit Bezirksnotaren wird deut lich: Man muss ja keine notarielle Vollmacht machen, aber häufig kommen Menschen und sagen, dass sie jetzt eine ma chen müssten. Dann bewegt man sich schon in Grenzberei chen bei der Frage, ob überhaupt noch ein klarer Wille erkenn bar ist. Wenn man gesetzlich eine entsprechende positive Fik tion für Lebenspartnerschaften und Ehe hat, dann ist das sicher lich eine große Entlastung, weil man eine Verantwortung nicht mehr in dem Maß zu tragen hat und diese Lücke schließen kann.
Häufig ist es so – das erleben wir immer wieder –, dass Men schen denken: Ich bin verheiratet, ich habe mich verpartnert, jetzt ist quasi alles gleich. Bei Kreditverträgen wird immer wieder angenommen, man hafte für den anderen. Nein, man muss immer doppelt unterschreiben. Es gab einmal Überle gungen, das alles zu ändern. Ich halte es auch weiterhin für richtig, dass man das nicht tut. Aber genau hier müssen wir ansetzen.
Was die Angaben angeht, die jetzt sowohl vom Kollegen Bin der als auch vom Kollegen Hitzler über die Zahl beurkunde ter und niedergelegter Vollmachten gemacht worden sind, so liegt nach meinem Eindruck und meinen Recherchen die An zahl der Vorsorgevollmachten bei mehr als zwei Millionen. Aber es ist in diesem Bereich auf jeden Fall zu wenig. Es gibt hier immer noch große Lücken. Der Trauschein ist keine Vor sorgevollmacht, auch wenn die Menschen dies häufig anneh men.
In Fällen von Einwilligungsunfähigkeit muss bei Fehlen ei ner Vorsorgevollmacht ein gerichtlich bestellter Betreuer han